US-Konjunktur Delta-Variante trübt die Stimmung in der US-Wirtschaft – „Es gibt viel zu viele Unsicherheiten“

Die größten Airlines in den USA haben Investoren bereits vergangene Woche auf schwierigere Zeiten eingestimmt.
San Francisco, Frankfurt Nach einem Boom im den Sommermonaten stellen sich Unternehmen in den USA nun auf eine deutlich schwierigere Phase ein. Da die Pandemie mit der hoch-ansteckenden Delta-Variante immer noch in vielen Teilen des Landes wütet, müssen viele Firmen ihre Erwartungen an eine schnelle wirtschaftliche Erholung dämpfen und ihre Pläne entsprechend anpassen.
Zusätzlich kommen aus Washington neue Vorgaben zur Impfpflicht hinzu. US-Präsident Joe Biden fordert, dass Unternehmen ab 100 Angestellten ihre Mitarbeiter zur Impfung verpflichten. Details werden gerade noch ausgearbeitet.
Für die Stimmung in den USA ist das ein heftiger Dämpfer. Im Frühjahr gingen die meisten Unternehmen und Analysten noch von einer vollen Öffnung der Wirtschaft und damit einer schnellen Erholung aus. Nun jedoch wird klar, dass die Erwartungen zu optimistisch waren. Eine Reihe von US-Ökonomen hatte ihre Wachstumsprognosen zuletzt zurückgefahren. So gehen die Experten von Goldman Sachs für das dritte Quartal nur noch von einem Plus von 5,5 Prozent aus. Ursprünglich hatten sie ein Wachstum von neun Prozent erwartet.
Die größten Airlines haben Investoren bereits vergangene Woche auf schwierigere Zeiten eingestimmt. United Airlines hat die Kapazitäten rund um Thanksgiving und Weihnachten reduziert, eigentlich sind das die wichtigsten Reisezeiten für Familien in den USA. Delta Airlines rechnet mit geringeren Umsätzen im laufenden Quartal. Das liegt auch daran, dass die Geschäftsreisen längst nicht so stark wieder angezogen haben, wie die Airline-Chefs zunächst gehofft hatten.
Eine ganze Reihe von großen Konzernen, darunter Apple, Google, Wells Fargo und Microsoft hat die für September geplante Rückkehr ins Büro wieder verschoben, viele davon auf das kommende Jahr. Microsoft hat sich als erster großer Konzern sogar für Homeoffice auf unbegrenzte Zeit ausgesprochen, weil angesichts der Corona-Lage keine Prognosen möglich seien.
Einige große Arbeitgeber begrüßten Bidens Impfpflicht-Vorstoß
Das wirkt sich auch auf die Business-Reisen aus. „Statt steigendem Wachstum sehen wir eine Pause“, räumte der CEO von Delta-Airlines, Ed Bastian, im „Wall Street Journal“ ein. Nachdem die Zeit der Sommerurlaube vorbei ist, hatte er gehofft, dass die Manager nun die Buchungen antreiben. Bislang haben die Geschäftsreisen 40 Prozent des Vorkrisenniveaus erreicht und sollten im September auf 60 Prozent steigen. „Doch 60 Prozent werden es nicht werden“, so der Delta-Chef.
Craig Menear, CEO der Baumarktkette Home Depot, verzichtete für dieses Jahr komplett darauf, Analysten mit Quartalsprognosen zu versorgen. „Es gibt einfach viel zu viele Unsicherheiten“, stellte er klar.
Biden will die Vertrauenskrise mit einer umstrittenen Impfpflicht bekämpfen. So fordert er Impfungen oder wöchentliche Tests für 80 Millionen Mitarbeiter aus der Privatwirtschaft. Eine Reihe von großen Arbeitgebern begrüßte Bidens Vorstoß. Doch gerade von den Republikanern kommt heftige Kritik. Einige Gouverneure haben angekündigt, die Regierung zu verklagen. Der republikanische Gouverneur aus Arizona, Doug Ducey, verurteilte Bidens Ansatz als „diktatorisch“.
Wenn es nach dem US-Präsidenten geht, dann werden künftig noch weitere Anforderungen auf die Wirtschaft zukommen. So nannte Biden vergangene Woche Details zu der von ihm geforderten Energiewende: Demnach sollen die USA bis 2050 fast die Hälfte (44 Prozent) des Stroms aus Solarenergie erzeugen. Zurzeit sind es gerade einmal 3 Prozent. Um das zu erreichen, müssten die Vereinigten Staaten ihre bisherige Energieversorgung radikal umstellen, denn der Großteil des Strombedarfs im Land wird heute mit fossilen Energieträgern abgedeckt.
USA könnten durch Investitionen 1,7 Billionen Dollar einsparen
Die Umstellung ist auch mit hohen Kosten verbunden: So könnten bis 2050 Mehrausgaben von bis zu 0,56 Billionen Dollar anfallen, wie aus einem Bericht des Energieministeriums hervorgeht. Für diese Kosten müssten der Staat, die Konsumenten und die Wirtschaft aufkommen. Das Land müsste massiv in neue Technologien investieren, und die Energieindustrie müsste sich grundsätzlich neu aufstellen, da die bestehende Infrastruktur zur Stromgewinnung und -verteilung ganz auf fossile Energieträger ausgerichtet ist.
Doch die USA würden in der gleichen Zeit, so heißt es in dem Bericht, durch sauberere Luft, gesunkene Gesundheitskosten und reduzierte Folgen des Klimawandels 1,7 Billionen Dollar einsparen. Auch könnte die dann wachsende Solarindustrie neue Arbeitsplätze schaffen: Je nach Szenario würde die Zahl der Beschäftigten in dem Sektor von derzeit 230.000 bis 2035 auf 0,5 bis 1,5 Millionen Personen ansteigen.
Ob Biden das im tief gespaltenen Washington jedoch durchbekommen kann, ist fraglich. Der Demokrat lanciert aber immerhin eine Debatte darüber, wie die Energiewende, die er den Bürgern im Wahlkampf versprochen hatte, konkret aussehen könnte.
Die unsichere Stimmung hat sich auch an den Aktienmärkten bemerkbar gemacht. Der breit gefasste S&P 500 verlor vergangene Woche rund 1,6 Prozent. Der Leitindex Dow Jones fiel am Freitag zurück auf den tiefsten Stand seit Ende Juli.
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