Andreas Esser „Wir sind keine Daniel Düsentriebe“

Andreas Esser ist Geschäftsbereichsleiter bei Continental.
Welche Innovation hat die Welt am nachhaltigsten verändert?
Als Reifenmann ist meine Antwort klar: das Rad. In „das Rad neu erfinden“ ist es sogar zum Synonym geworden für eine sehr grundlegende und heute allgegenwärtige Erfindung.
Wer ist für Sie der größte Visionär?
Mich faszinieren Querdenker, Menschen, die über ihren Tellerrand schauen und auf den ersten Blick unverbundene Dinge zusammendenken. Ein Mensch, der für mich eine solche Haltung durch und durch verkörperte, ist Albert Einstein. Viele Dinge, die wir heute umsetzen oder in der Zukunft umsetzen werden, beruhen auf seinen Vorstellungen. GPS-Geräte in unseren Autos, Lkw und Bussen zum Beispiel. Ohne Einsteins Spezielle Relativitätstheorie würden sie pro Tag eine Fehlangabe von elf Kilometern ausweisen. Ein modernes Reifen- und Flottenmanagement, wie wir es mit unseren Speditionskunden umsetzen, wäre folglich ohne Einstein undenkbar. Gleichzeitig ist er für mich ein markantes Beispiel für die visionären Grenzen des Menschen. Dass die Quantenmechanik das Zufallsprinzip zur Erklärung heranzog, behagte ihm nicht. So scharfsinnig und visionär Albert Einstein war, er konnte nicht glauben, dass „Gott würfelt“.
In welchen Momenten kommen Ihnen die besten Ideen?
Wenn ich mir mit anderen die Bälle zuspielen kann – kein Wunder als alter Volleyballer. Aus dem Austausch mit anderen entstehen meines Erachtens die besten Gedanken. Unser Geschäft ist von genau diesem kreativen Dialog mit den Kunden bestimmt: Tire business is people business. Wir gehen zum Kunden, sprechen mit ihm, hören ihm zu. Wir nehmen auch schon mal Steine aus „seinem“ Straßenbelag mit nach Hannover, um sie in unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung untersuchen zu lassen. Kreativität und Evidenz – zwei wichtige Zutaten für gute Ideen!
Sollte der, der Visionen hat, wirklich zum Arzt gehen?
Wer Visionen hat, sollte nicht zu demjenigen gehen, der sie ihm austreiben möchte, sondern zu demjenigen, den er überzeugen und für seine Idee begeistern kann. Continental unterstützt seine Mitarbeiter darin, kreative Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Das sind keine warmen Worte – wir wissen sehr gut, dass das die entscheidende Basis für unseren Erfolg am Markt ist: So können wir am Puls unserer Kunden bleiben.
Muss man das Rad tatsächlich immer wieder neu erfinden?
Die Kunst besteht darin, die Situationen, in denen man das Rad neu erfinden muss, von denen zu unterscheiden, in denen man sinnvoller auf das bereits Bestehende zugreift und es vielleicht nur anders arrangieren muss. Wir sind keine Daniel Düsentriebe, wir betreiben Innovation nicht um ihrer selbst willen, sondern um unseren Kunden die jeweils beste Lösung für ihre Lkw- oder Busflotte zu bieten – egal ob in Deutschland, den USA oder in Indien. Und wenn die Bedingungen sehr speziell sind, dann müssen wir eben auch das Rad neu erfinden. Eine Herausforderung unserer Zeit lässt uns allerdings keine Wahl, ob wir etwas neu und anders machen wollen: die Themen Ressourcenschonung und CO2-Reduktion. Da sind wir alle aufgerufen, das Rad neu zu erfinden, um – wie Sie eingangs so schön sagten – die Welt nachhaltig zu verändern.