Medizinische Detektivarbeit Patientenakten wie Überraschungseier

Am 28. Februar ist der „Tag der Seltenen Erkrankungen“. Etwa vier Millionen Menschen in Deutschland haben eine Krankheit, die kaum jemand kennt, oder die noch gar nicht als solche beschrieben ist.
28.02.2014 - 14:17 Uhr Kommentieren
Rätsel Patientenakte: Studenten gehen Fälle offener an.

Rätsel Patientenakte: Studenten gehen Fälle offener an.

Frankfurt Juliane Pfeffel ist 23 Jahre alt. Fast ebenso lange, wie die Frankfurter Medizinstudentin lebt, leidet ein Mann aus Mittelhessen an einer rätselhaften Krankheit. Inzwischen kann der ehemalige Leistungssportler nur noch mit Rollator laufen. Die angehende Ärztin arbeitet am „Frankfurter Referenzzentrum für Seltene Erkrankungen“. Ihr Job: Medizinische Detektivarbeit.

Dass eine Studentin lösen soll, woran Fachärzte scheitern, gehört zum Konzept dieser Einrichtung. Die Studenten haben noch keine Fachbrille auf, sind offen, unvoreingenommen, „sie legen die Patienten nicht gleich auf ein Fachgebiet oder ein Organsystem fest. Das ist von unschätzbarem Wert“, sagt Prof. Thomas O.F. Wagner, der Leiter der Einrichtung. Und sie seien extrem motiviert.

Seit 2011 gibt es am Frankfurter Universitäts-Klinikum eine Sprechstunde für Patienten mit unbekannter Diagnose. Die Menschen, die sich hier hinwenden, haben meist eine Odyssee von Spezialist zu Spezialist hinter sich. „Bei einem Mann wurden zehn Kernspin-Aufnahmen des Kopfes gemacht“, schüttelt Wagner den Kopf. Im Referenzzentrum geht man anders vor: Keine neuen Untersuchungen, sondern sichten, was da ist - und zwar gründlich. Meist kommen die Patienten nicht mal persönlich nach Frankfurt.

Jede neue Akte sei „wie ein Überraschungsei“, sagt Pfeffel. Manchmal sieht sie handgeschriebene Fieberkurven oder liest rührende Leidensgeschichten in Schönschrift auf Karopapier. Sie ordnet die Dokumente, schaut Befunde und Bilder, Aufzeichnungen und Arztbriefe an. Dann wälzt sie Fachbücher, nutzt Diagnosesuchmaschinen, liest Fachjournale, befragt Professoren. „Unser Motto lautet: Alles ist wichtig“, sagt die Studentin im siebten Semester.

Nach und nach schließt sie eine Diagnose nach der anderen aus. Am Ende schreibt sie einen Bericht, den sie in der wöchentlichen Teamsitzung vorstellt. Bei dem Patienten aus Mittelhessen kam sie auf eine extrem seltene Erbkrankheit, die bisher nur in Skandinavien nachgewiesen wurde. Sie erkundigte sich, ob er dort Verwandte habe und schlug einen Gentest vor. Noch ist die Akte nicht geschlossen.

„Happy End“ ist selten
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