Medizintechnik Muskeln aus Stahl

Mit Hilfe von Halbrobotern können viele Rollstuhlfahrer laufen. Exoskelette werden die Modelle genannt, die die Funktion der gelähmten Muskeln übernehmen. Die ursprüngliche Idee dahinter ist aber keine philanthropische.
05.06.2014 - 17:36 Uhr Kommentieren
Hilfe für Gelähmte: Die Firma Rewalk hat externe Skelette mit Treppen-Aufstiegsfunktion im Angebot. Quelle: Reuters

Hilfe für Gelähmte: Die Firma Rewalk hat externe Skelette mit Treppen-Aufstiegsfunktion im Angebot.

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San Francisco Gelähmte wieder gehen zu lassen, daran ist die Medizin seit Jahrhunderten gescheitert. Nun haben Techniker die Aufgabe übernommen, gelöst und kommerzialisiert. Exoskelette nennen sie ihre Halbroboter, die an den Körper geschnallt die Funktion der Muskeln übernehmen. Rollstuhlfahrer können damit wieder aufstehen, gehen, mit einigen Modellen sogar Treppen steigen. Für viele erfüllt sich so ihr größter Wunsch.

Die ursprüngliche Idee hinter Exoskeletten ist jedoch keine philanthropische. Es ging vielmehr darum, Soldaten stärker zu machen, damit sie mehr Last tragen können.

In der Zentrale von Ekso Bionics, in einer alten Autofabrik in der Nähe von San Francisco, hängen noch Anzüge, die aussehen wie ein Rucksack mit Beinen, in Tarnfarbe auf einer Kleiderstange. HULC heißen sie. Das steht für Human Universal Load Carrier, menschlicher Universal-Lastenträger.

Das Unternehmen hat die Technik 2005 entwickelt, damals noch als Ausgründung der lokalen Uni. Seit 2009 hat die Lizenz dafür der Rüstungshersteller Lockheed Martin - und Ekso Bionics konzentriert sich auf ein anderes Schaffensfeld: Rehabilitationstechnik.

Die Anzüge von Ekso Bionics kosten zwischen 110.000 und 145.000 Dollar das Stück. Rund 80 wurden bisher an medizinische Zentren verschickt. Der bionische Anzug wiegt rund 22 Kilogramm und muss den Patienten von einem Physiotherapeuten an Rücken, Hüfte, Beine und Füße geschnallt werden.

Die Patienten können dann mit Hilfe von elektrisch gesteuerten Krücken das Exoskelett einschalten und aufstehen. Mit jedem Knopfdruck an der Krücke macht der Anzug einen Schritt nach vorne und balanciert sich aus. Bisher kann der Patient damit keine Treppen steigen. Es geht darum, mit dem Exoskelett Menschen mit einem hohen Grad an Behinderung unterstützen zu können.

Ekso ist nicht der einzige Hersteller mit ambitionierten Zielen: Rewalk, eine israelische Firma, bietet externe Skelette mit Treppen-Aufstiegsfunktion an. Das japanische Unternehmen Cyberdyne vertreibt HAL, ebenfalls ein Anschnallskelett. Jedoch können es nur Personen nutzen, die Probleme im unteren Beinbereich haben oder deren Laufstärke abnimmt. Dafür ist es deutlich kleiner, die Patienten können damit ohne größere Probleme Treppen steigen und brauchen keine Krücken mehr. Sensoren an den Oberschenkeln messen die elektrischen Impulse und geben sie an das Gerät weiter.

Wie sich das Gesundheitswesen verändern wird
Die Ironie der Realität
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Viele der größten Herausforderungen, die das 21. Jahrhundert mit sich bringt, sind letztlich das Resultat positiver Veränderungen – zum Beispiel die höhere Lebenserwartung und eine bessere Vernetzung. Um die unerwünschten Nebeneffekte abzufedern, braucht es innovative Ideen, Forschung und Technologien. Im Folgenden die fünf wichtigsten Entwicklungen im Gesundheitsbereich.

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Alternde Gesellschaft
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Bis 2050 soll die Zahl der Über-60-Jährigen auf über zwei Milliarden steigen, prognostiziert die WHO. Dadurch wird auch die Zahl von altersbezogenen Erkrankungen wie Krebs oder Alzheimer zunehmen. Vor allem in den Entwicklungsländern, in denen gegenwärtig 80 Prozent der durch chronische Erkrankungen verursachten Todesfälle auftreten, werden davon betroffen sein.

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Kein ganz gewöhnlicher Tourist
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Aufgrund steigender Behandlungskosten reisen Patienten zunehmend ins Ausland, um sich dort behandeln zu lassen. Das Wirtschaftsvolumen des Medizintourismus wird pro Jahr auf zwischen10 und 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Zu den Top-Zielen zählen Indien, Mexiko und Thailand.

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Wählen Sie D für Doktor
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Durch die zunehmende Vernetzung sind immer mehr qualifizierte Leistungen im Bereich Gesundheit verfügbar. Zu den Anwendungen zählen hier mobile Gesundheits-Apps, Diagnosen via Videokonferenz sowie Sprechstunden per Telepräsenz. Auch Fernoperationen können mithilfe von Chirurgie-Robotern möglich werden.

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Zu wenige Spenderorgane
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Weltweit sind Spenderorgane knapp. Auf eine Million Einwohner kommen in der EU durchschnittlich nur 19,5 Spender. Deutschland liegt mit 10,7 Spendern deutlich darunter. 2014 gab es hier laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation insgesamt nur 864 postmortale Organspenden. Lösen ließe sich die geringe Bereitschaft der Bürger hierzulande mit Organen aus dem 3D-Drucker: Durch die neue Technologie könnten Angebot und Nachfrage ausgeglichen werden.

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Ekso Bionics will seine Anzüge so weiterentwickeln, dass die Nutzer gar keine Krücken mehr brauchen. Firmenchef Nathan Harding verspricht sich viel von der derzeitigen Forschung im Bereich direkter Interaktion zwischen Gehirn und Maschine. "Wir freuen uns darauf zu sehen, wie sich dies in unsere Exoskelette integrieren lässt."

Wie das funktionieren könnte, kann Harding sich am 12. Juni bei der Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft ansehen. Wissenschaftler des "Walk Again Projects", einer Gruppe internationaler Forscher, darunter auch der Technischen Universität München, wollen bei der Eröffnungszeremonie ihre Forschungsergebnisse prominent vorführen: Ein brasilianischer Rollstuhlfahrer soll mit seinen Gedanken ein Exoskelett steuern, aufstehen und den ersten Ball treten. Dabei hat er eine Art Helm auf dem Kopf, der die elektrische Spannung auf der Kopfhaut misst.

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