V wie Vakuum-Flüssigeis-Technologie Heizen mit Eis

Pilotanlage in Zwickau: Der Speicherbehälter (links) hält Eis-Wasser-Gemisch für das Fernkältenetz vor.
Ist es ein Zeichen von Unverfrorenheit, seinen Kunden zu versprechen, sie könnten mit Eiswasser heizen? Das Gegenteil ist der Fall – zumindest dann, wenn es eine Anlage ist, die auf der Vakuum-Flüssigeis-Technologie basiert. Seit Juni 2014 steht auf dem Campus der Westsächsischen Hochschule Zwickau die weltweit erste Vakuumeis-Pilotanlage, die zur Kältespeicherung eingesetzt wird.
Maßgeblich am Bau und der Entwicklung beteiligt ist daran das Dresdener Institut für Luft- und Kältetechnik ILK. Die gemeinnützige Gesellschaft, die unter anderem im Bereich Kälte- und Klimatechnik industrienahe Forschung betreibt, setzt bei der Funktionsweise der Anlage auf das Prinzip der Direktverdampfung von Wasser. Vordergründig ist die Anlage nämlich dafür konzipiert worden, bei der Kaltwassererzeugung zu helfen und so Kühlkreisläufe etwa in der Lebensmittelindustrie oder Fernkältenetze energieeffizient zu unterstützen.
Kern der Anlage ist ein druckfester Tank, in dem ein Vakuum herrscht und in dem Wasser zum Verdampfen gebracht wird – und das bei circa minus einem Grad. „Der Siedepunkt jeder Flüssigkeit hängt vom Umgebungsdruck ab“, erklärt Mathias Safarik, Hauptbereichsleiter für angewandte Energietechnik am ILK. „Bei Umgebungsdruck, also einem Bar, liegt der Siedepunkt von Wasser bei 100 Grad Celsius. In dem Verdampfer herrscht wegen des Vakuums ein Druck von nur 0,006 Bar, was die Siedetemperatur auf null Grad senkt.“ Unter diesen Verhältnissen tritt ein besonderer thermodynamischer Zustand zutage: Am sogenannten Tripelpunkt herrscht ein Gleichgewicht von Eis, Wasser und Wasserdampf. Die nötige Wärme zur Verdampfung stammt aus dem flüssigen Wasser selbst, dessen Oberfläche sich beim Verdampfen so sehr abkühlt, dass auf ihr Eiskristalle entstehen, die sich mit dem Wasser vermischen.
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Der Vorgang wird Direktverdampfung genannt und sorgt dafür, dass im unteren Teil des Tanks ein Eis-Wasser-Gemisch entsteht. Gegenüber herkömmlichen Kältespeicherverfahren ist das ein Vorteil. Üblicherweise wird mit chemischen Kältemitteln eine Fläche auf minus zehn Grad heruntergekühlt, woran Wasser gefriert und mechanisch abgekratzt wird. Dieser Schritt entfällt bei der Direktverdampfung.
Im nächsten Schritt saugt ein Turboverdichter den entstandenen Dampf an und leitet ihn an einem Kondensator entlang, der ihn wieder verflüssigt und in den Eis-Wasser-Tank zurück leitet. Um genug Wasserdampf wieder zu Wasser werden zu lassen, sind große Ansaugmengen nötig. „Der Wasserdampf hat wegen des Vakuums eine geringere Dichte als Luft. Wir müssen mit dem Wasserdampf-Turboverdichter also einen Hauch von Nichts verdichten, damit der Kreislauf funktionstüchtig bleibt“, sagt Safarik. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dieser Hauch von Nichts, dass die Dichte von Luft bei 0 Grad Celsius und Umgebungsdruck 270 mal größer ist als in der evakuierten Umgebung des Verdampfers. In der in Zwickau installierten Pilotanlage dreht sich deswegen ein 135 Zentimeter großes Laufrad mit bis zu 7.000 Umdrehungen pro Minute. Zum Vergleich: Die Luftschaufeln eines Triebwerks des Airbus A320 messen nur gut 26 Zentimeter mehr im Durchmesser.