#DigitalDictionary Xenobot – Die erste lebende Maschine

Ein Forscherteam aus Biolog*innen und Informatiker*innen hat eine Kreatur entwickelt, die künftig im Meer aufräumen soll.
Düsseldorf Sie sind klein wie Salzkörner. Winzige Kunststoffpartikel, die überall durchs Meer schwimmen. Das sogenannte Mikroplastik gelangt durch Kosmetik- und Körperpflegeprodukte ins Abwasser, zieht Umweltgifte an und schädigt Meeresbewohner wie Fische, Seehunde, Muscheln oder Plankton.
Ein Forscherteam aus Biolog*innen und Informatiker*innen hat nun eine Kreatur entwickelt, die künftig im Meer aufräumen soll. Sie kann stundenlang schwimmen, wird niemals müde, braucht keine Pausen – und wenn sie sich verletzt, heilt sie von selbst.
Klingt wie Science Fiction? Ist es irgendwie auch. Der sogenannte Xenobot ist nicht nur ein Roboter, sondern gleichzeitig ein lebendiger Organismus, der zu 100 Prozent aus biologischem Gewebe besteht. Seinen Namen hat der Xenobot vom afrikanischen Krallenfrosch, dem „Xenopus laevis“ – und zwar, weil er gewissermaßen selbst einer ist.
Die Forscher*innen haben Stammzellen aus dem Embryo eines Krallenfroschs entnommen. Anschließend errechneten sie mithilfe eines Algorithmus, der die Evolution durchspielt, tausende Zufallskonfigurationen aus 500 bis 1.000 Haut- und Herzmuskelzellen und testeten die so entstandenen Designs in einer virtuellen 3D-Simulation. Diejenigen, die Potenzial zeigten – also in der Lage waren, sich zu bewegen oder Aufgaben zu erfüllen – wurden weiterentwickelt.
Nachdem sie diesen Prozess mehrmals durchlaufen hatten, bildeten die Wissenschaftler*innen im Labor die virtuellen Modelle mit echten Zellen nach. Entstanden ist so ein „rekonfigurierbarer Organismus“, wie die Forscher*innen es in ihrer Studie nennen. Eine Mischung aus Maschine und Lebewesen, mit einem Durchmesser von weniger als einem Millimeter.

Im Gegensatz zu normalen Robotern sind Xenobots komplett biologisch abbaubar: Wie alle anderen Organismen auch sterben sie, wenn ihre Arbeit getan und ihre Lebensdauer vorbei ist – aktuell nach etwa zehn Tagen. Die Erschaffung des Xenobots ist eine wissenschaftliche Sensation. Noch sind seine Fähigkeiten relativ simpel: er kann beispielsweise kleinere Lasten transportieren.
In Zukunft könnte er jedoch nicht nur Mikroplastik im Meer beseitigen, sondern auch Giftstoffe und radioaktive Materialien einsammeln, Medikamente im menschlichen Körper transportieren oder verkalkte Arterien freilegen.
Gleichzeitig wirft der Xenobot jede Menge ethischer Fragen auf: Wenn es möglich ist, lebendige Maschinen zu erschaffen, könnten Forscher*innen künftig auch Nerven- und Sinneszellen verwenden, um Kreaturen herzustellen, die auf ihre Umwelt reagieren können. Oder menschliche Zellen verwenden, etwa, um Gewebe zu reparieren oder Krebserkrankungen zu bekämpfen.
Was, wenn solche weiterentwickelten Xenobots länger leben und sich fortpflanzen könnten? Was, wenn jemand mit bösen Absichten Xenobots als biologische Waffen einsetzt? Im ersten Schritt sollen die programmierbaren Organismen der Forschung erst einmal bei der Beantwortung grundlegender Fragen helfen: Wie organisieren Zellen sich untereinander? Wie verständigen sie sich? Wie kooperieren sie?
Selbstdiese grundsätzlichen Mechanismen haben wir noch nicht vollständig erfasst. Bis die Xenobots wirklich als Aufräumtrupp für die Weltmeere eingesetzt werden, dürften noch einige Jahre Forschung vergehen.
Mehr: Milena Merten ist Reporterin für die digitale Bildungsplattform ada. Wenn auch Sie schon heute das Morgen verstehen wollen, schauen Sie doch mal vorbei: join-ada.com
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.