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Digitale Revolution

Digitale Revolution Apps und KI: Wie digitale Werkzeuge die Gastronomie retten können

Restaurants hoffen auf baldige Öffnungen. Ihre wirtschaftliche Lage ist prekär. Doch Apps und Künstliche Intelligenz können das Geschäft optimieren.
16.03.2021 - 13:28 Uhr Kommentieren
Mit Apps und Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich Menüs, Preise und Personaleinsatz optimieren. Quelle: Getty Images
Digitale Tools in der Gastronomie

Mit Apps und Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich Menüs, Preise und Personaleinsatz optimieren.

(Foto: Getty Images)

Düsseldorf Das „Burgeramt“ in Berlin-Friedrichshain ist Kult. Normalerweise stehen Fans von Hamburgern und Hip Hop eine Stunde lang Schlange, um eine „Cheesebomb“ oder einen Chicken-Erdnussburger zu bekommen. „Beats, Bars and Burgers“ lautet das Erfolgsrezept von Tan Erbas und Cevi Sadecolak.

Doch Corona änderte alles. Den beiden Wirten entgehen im Lockdown bis zur Hälfte ihrer Einnahmen. Mit Speisen zum Mitnehmen halten sie sich über Wasser. Jetzt hoffen sie auf die schrittweisen Öffnungen der Restaurants, die die Politik angekündigt hat.

Doch die Pandemie hat für Erbas und Sadecolak auch etwas Gutes. Sie setzen noch viel intensiver digitale Analysewerkzeuge ein – damit hatten sie schon zuvor erstaunliche Dinge in ihrem Geschäft entdeckt.

Etwa, dass sie an ihrem Top-Seller Cheesebomb gerade mal 40 Cent verdienten. Oder dass sich der aufwendige Orientalburger nicht rechnete. In der Coronazeit half ein Tool, die Speisekarte zu verschlanken und die Preise clever anzupassen, damit sich das Geschäft überhaupt lohnt.

Die Burgeramt-Besitzer analysierten die Schwachstellen in der Speisekarte mithilfe des Tools Menukit der Onlineplattform Metro Dish. Menukit muss mit Rezeptdaten und Preisen gefüttert werden und errechnet daraufhin den optimalen Wareneinsatz und Verkaufspreis. „Ein Gericht kann schnell zum Minusgeschäft werden, wenn der Wareneinsatz mehr als 30 Prozent vom Preis ausmacht“, weiß Gastronom Sadecolak.

Die Inhaber des Burgeramts in Berlin nutzen nun digitale Tools: „Weil der Laden immer rappelvoll war, haben wir gar nicht gemerkt, wie verschwenderisch wir jahrelang gearbeitet haben.“ Quelle: Bart Spencer
Cevi Sadecolak (l.) und Tan Erbas

Die Inhaber des Burgeramts in Berlin nutzen nun digitale Tools: „Weil der Laden immer rappelvoll war, haben wir gar nicht gemerkt, wie verschwenderisch wir jahrelang gearbeitet haben.“

(Foto: Bart Spencer)

Vielen Restaurants geht es in der Pandemie sogar noch schlechter als dem Burgeramt. Etwa 165.000 Gastrobetriebe gibt es in Deutschland. Drei von vier Gastronomen bangen um ihre Existenz, so das Ergebnis einer Umfrage des Branchenverbands Dehoga. „Feld-, Wald- und Wiesenwirte tun sich in der Pandemie schwer. Gastronomen, die nicht spätestens jetzt digital werden, bleiben auf der Strecke“, prophezeit Moritz Dietl, Managing Partner der Hotel- und Gastroberatung Treugast.

Die Gastronomie erwirtschaftet in normalen Zeiten mehr als 50 Milliarden Euro im Jahr. Die Branche hofft nun auf schrittweise Öffnungen frühestens ab dem 22. März. Für den Neustart sind digitale Tools für Gastronomen unverzichtbar. Sie helfen, die Effizienz der ohnehin margenschwachen Branche zu steigern. Mit Apps und Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich Menüs, Preise und Personaleinsatz optimieren – das gilt für den kleinen Burgerladen genauso wie für Fast-Food-Ketten und Großkantinen.

„Die Pandemie hat die Digitalisierung in der Gastronomie extrem beschleunigt“, beobachtet Heiko Leonards, der die Gastronomie des Bayer-Konzerns in Berlin leitet. Nach seiner Meinung hat die Branche in einem Jahr so viel in Sachen Digitalisierung hinbekommen, was sonst ein Jahrzehnt gedauert hätte.

Es ist jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung in der Gastronomie: Wie viele Gäste kommen, und welche Gerichte bestellen sie? Diese Fragen treiben besonders Großbetriebe um. Das Team von Leonards bekocht normalerweise rund 3000 Gäste täglich. „Bisher schaute unser Küchenchef, wie viele Autos in der Tiefgarage stehen und ob Events stattfinden. Danach schätzte er, wie viele Veggie-Burger er braten muss“, erzählt Leonards.

Menüplanung ohne Müll

Digitale Tools ersetzen nun das Bauchgefühl. Bayer nutzt die Software Delicious Data, um kostspielige Fehlplanungen und Speisemüll zu vermeiden. Das lernende Prognosetool zieht eine Übersicht der verkauften Menüs aus dem Warenwirtschaftssystem. Diese Daten werden mit lokalen Wettervorhersagen und Ferienkalendern kombiniert. „Unsere KI sagt voraus, wie viele Schnitzel, Tortellini oder Salatbowls verkauft werden“, sagt Mitgründer Valentin Belser.

Der Konzern nutzt eine Gastro-App mit digitaler Speisekarte und eine KI-Software, die die Zahl der verkauften Menüs prognostiziert. Quelle: Bayer
Bayer-Kantine

Der Konzern nutzt eine Gastro-App mit digitaler Speisekarte und eine KI-Software, die die Zahl der verkauften Menüs prognostiziert.

(Foto: Bayer)

Das Ergebnis lässt sich in Geld aufwiegen. Die Planung geht schneller und präziser, es fallen etwa weniger Reste an. Laut Delicious Data muss nur halb so viel eingelagert werden wie zuvor. Dabei werden auch nicht leer gegessene Teller beobachtet und die Mengenangaben für Rezepte angepasst.

Bestseller und Ladenhüter lassen sich schnell auflisten. „Renner- und Penner-Listen mussten früher mühsam aus Excel erstellt werden. Bei uns geht das mit einem Klick“, sagt Co-Gründer Jakob Breuninger von Delicious Data. Auch die wichtigsten Kennzahlen eines Restaurants können nach Artikelkategorie gefiltert und anschaulich dargestellt werden. Es sei wichtig, dass Daten zum Gesprächsthema im ganzen Betrieb werden, so Breuninger.

Derzeit testet eine große Bäckereikette einen intelligenten Backplan von Delicious Data. Der zeigt, um wie viel Uhr wie viele Croissants gebacken und wie viele Butterbrezn geschmiert werden müssen.

Von Zetteln zur App

Die Idee für das Burgeramt kam spontan. Erbas und Sadecolak fingen vor 13 Jahren als Gastronomen an, „mit viel Herzblut, aber ohne kaufmännische Vorkenntnisse“, erzählt Erbas. Der Laden war immer rappelvoll. „Da haben wir gar nicht gemerkt, wie verschwenderisch wir jahrelang gearbeitet haben.“ So zahlten sie bei einigen Burgern sogar drauf.

„Zettel mit To-Do-Listen – damit haben wir unser Restaurant gemanagt, wie so viele Gastronomen“, sagt Erbas. Vor drei Jahren begannen sie, erste digitale Tools zu nutzen. „Da wurde uns bewusst, wie viel Lehrgeld wir buchstäblich gezahlt haben.“ Seit dem Ausbruch der Pandemie zählt jeder Cent.

Das gute Geschäft im letzten Sommer war für das Burgeramt ein Segen. Aber dann zerstörte der nächste Lockdown wieder alles. Von den staatlichen Hilfen ist erst die Hälfte angekommen. „Die Restauszahlung ist dringend notwendig“, sagen Erbas und Sadecolak.

Aber die beiden Wirte legen nicht die Hände in den Schoß. Einen Lieferdienst probierten sie schon im ersten Lockdown aus – doch der lohnte sich nicht. Was sich aber rechnete, sind neue digitale Werkzeuge für Gaststätten.

Das Burgeramt nutzt digitale Bausteine von Dish. Das ist ein von Großhändler Metro entwickelter Baukasten verschiedener digitaler Tools für die Gastronomie – von digitaler Speisekarte bis zur Menüplanung und Preisgestaltung. Schon mehr als 200.000 Gastronomen in 16 Ländern nutzen Dish. Das zahlt sich für die Metro aus, die sich weltweit als Marktführer in digitalen Lösungen für die Gastrobranche sieht.

Mit diversen digitalen Tools können Gastronomen unter anderem eine eigene Website erstellen. Quelle: Metro
Metro Dish

Mit diversen digitalen Tools können Gastronomen unter anderem eine eigene Website erstellen.

(Foto: Metro)

„Nutzer von Dish gehen doppelt so häufig bei der Metro einkaufen und geben dort im Jahr rund 7000 Euro mehr aus“, sagt Volker Gläser, CEO von Hospitality Digital des Konzerns. Dish, Gastronovi und andere bieten digitale Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Restaurants, Cafés und Kantinen an.

„Im Einkauf liegt der Gewinn“ – diese alte Kaufmannsregel ist in der Pandemie aktueller denn je. Auch das Burgeramt hat seine Warenwirtschaft digitalisiert. Mit der Bestell-App Schoco lässt sich der Warenbestand auf einen Blick erkennen und zeitsparend nachbestellen. „Zeit ist in der hektischen Gastronomie bares Geld“, sagt Erbas.

Großgastronomen haben in ihrem Warenwirtschaftssystem Tausende Rezepte hinterlegt. Wird der Speiseplan eingegeben, gehen Bestellungen automatisch raus. Die Bayer-Gastronomie nutzt die Schnittstelle EDI (Electronic Data Interchange) mit seinen Lieferanten. „So konnten wir 80 Prozent aller Papierbelege einsparen – immerhin 150.000 Blätter im Jahr“, sagt Leonards. „Eine unfassbare Erleichterung für uns und gut für die Umwelt.“

Push-Nachricht von der Kantine

Der Bayer-Konzern hat seit 2016 eine eigene Gastro-App für seine Kantinen. Der digitale Speiseplan kann nach Allergenen und Zusatzstoffen gefiltert werden. Kunden werden per Push-Meldung benachrichtigt, wenn ihr Lieblingsgericht wie Spaghetti Bolognese auf dem Plan steht.

Gäste können per App auch direkt Feedback geben. „Umfragen lassen sich online schnell machen, ob wir etwa mehr vegetarisch kochen sollen“, so Leonards. Auf der App können Gäste auch sehen, wie voll die Restaurants gerade sind. Errechnet wird das aus Kassendurchlauf und durchschnittlicher Verweildauer. Bei Bayer in Leverkusen wird ein Bewegungstracker getestet, der in Echtzeit anzeigt, wo es Schlangen gibt. Das hilft, Gästeströme zu entzerren.

Selbstbedienungskantinen wie Aramark, Dussmann oder Eurest sind einen Schritt weiter und nutzen bereits „sehende Kassen“. Anbieter sind etwa Auvision aus Karlsruhe oder Dishtracker aus Österreich. Eine Kamera erkennt die Gerichte von Steak bis Dessert und rechnet automatisch ab. Das spart Personal.

Die Einsatzplanung von Köchen und Kellnern ist für Restaurants eine wichtige Sache. Das Burgeramt spart viel Zeit, seitdem es die App „Frag Paul“ von Dish zur Schichtplanung und Zeiterfassung nutzt. Die Bayer-Gastronomie in Berlin erstellt mithilfe von Gastromatic komplette Dienstpläne für Hunderte Mitarbeiter.

Digitale Personalplanung

Digitale Stempeluhr und Lohnabrechnung sind dort integriert. Der Gastronom kann wählen, wie er bei den Schichtplänen Fähigkeiten des Personals, Fairness und Arbeitszeiten gewichten will. „Es gibt keine Steckkarten mehr, das System ist neutral und täglich aktuell“, sagt Leonards.

Für große Events in der BayArena, Weinfeste oder Diners rekrutiert Bayer über die Digitalplattform Insitu Aushilfen aus seinem Pool. „Das spart unzählige Telefonate“, sagt Leonards. Daneben gibt es spezielle Jobportale für Gastronomen, die schnell externes Personal vermitteln, wenn Koch oder Kellner einmal ausfallen.

Treugast-Berater Dietl betont: „Gerade für die margenschwache Gastronomie, die unter Fachkräftemangel leidet, ist die Digitalisierung ein Segen.“

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