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Digitale Revolution

Digitale Revolution Werbung im perfekten Moment – Wie Künstliche Intelligenz eine ganze Branche verändert

Künstliche Intelligenz verändert die Werbung. Sie soll uns in Zukunft genau in der Sekunde erreichen, in der wir für sie am empfänglichsten sind.
28.10.2020 - 04:11 Uhr Kommentieren
Bei Werbung – egal ob in Print, Radio, TV oder Internet – geht es immer darum, die Aufmerksamkeit des Publikums zu bekommen.Quelle: Getty Images, Samsung (M)
Werbeoptik

Bei Werbung – egal ob in Print, Radio, TV oder Internet – geht es immer darum, die Aufmerksamkeit des Publikums zu bekommen.

Quelle: Getty Images, Samsung (M)

Düsseldorf Seit Anbeginn der Werbung werben Unternehmen in einem vermeintlich passenden Umfeld für ihr Produkt: Bier auf dem Fußballplatz, Reinigungsmittel im Mittagsmagazin, Anti-Aging-Cremes in Frauenzeitschriften. Aber dieses Konzept ist alt. Heute gehen die Unternehmen einen Schritt weiter.

Die Mediengruppe RTL testet eine neue Form der Werbung: „Contextual Video Tagging“. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein Algorithmus, der redaktionelle Inhalte und Botschaften in Werbespots zusammenbringen soll.

Konkret heißt das: Für die „Vox“-Kochsendung „Das perfekte Dinner“ hat der Händler Rewe Werbeplätze gebucht. Die Werbeausstrahlungen wurden aber nicht irgendwann in die Sendung eingestreut, sondern immer nur dann, wenn die Protagonisten bestimmte Zutaten nannten – die es bei dem Händler zu kaufen gibt.

In der Vox-Sendung werden Werbebotschaften genau an der passenden Stelle platziert. Quelle: Screenshot
„Das perfekte Dinner“

In der Vox-Sendung werden Werbebotschaften genau an der passenden Stelle platziert.

(Foto: Screenshot)

Fielen Schlüsselworte wie „frisch“, „Obst“, „Gemüse“, „Apfel“, „Salat“, „Tomaten“ oder „Kräuter“, reagierte das System: Mithilfe einer Künstlichen Intelligenz wurde der Begriff erkannt, in die Werbebotschaft aufgenommen und mithilfe einer Stimmungsanalyse-Software dafür gesorgt, dass die Werbebotschaft in positiv assoziierten Szenen gesendet wurde.

Dann teilte sich der Bildschirm auf. Im größeren Bereich lief die Show der Hobbyköche weiter, im kleineren Teil erschien die Reklame. Sagte ein Protagonist zum Beispiel „Tomaten“, dann sah und hörte der Zuschauer den Hinweis „Tomaten … frisch und saisonal aus deiner Region. Gutes gibt's so nah. Nämlich bei Rewe, klar.“

Fallen Schlüsselworte wie „frisch“, „Obst“, „Gemüse“, „Apfel“, „Salat“, „Tomaten“ oder „Kräuter“, reagiert die Künstliche Intelligenz und sorgt dafür, dass eine passende Werbebotschaft in positiv assoziierten Szenen gesendet wird. Quelle: RTL
Werbebeispiel

Fallen Schlüsselworte wie „frisch“, „Obst“, „Gemüse“, „Apfel“, „Salat“, „Tomaten“ oder „Kräuter“, reagiert die Künstliche Intelligenz und sorgt dafür, dass eine passende Werbebotschaft in positiv assoziierten Szenen gesendet wird.

(Foto: RTL)

Der Werbeverbund Ad Alliance, gegründet von den beiden Bertelsmann-Töchtern RTL und Gruner + Jahr, setzt Künstliche Intelligenz seit zwei Jahren für Reklame ein. Zunächst wurde der Prototyp für den RTL-Streamingdienst TV Now entwickelt, nun soll er auch im klassischen Fernsehen Kunden finden.

„Im Digitalen haben wir Contextual Video Tagging schon mehrfach erfolgreich eingesetzt, daher wissen wir, dass die Fokussierung auf den Moment sehr gut beim Zuschauer ankommt“, sagt Frank Vogel, verantwortlicher Manager der Vermarktungseinheit Ad Alliance. Schöne neue Fernsehwelt.

Individualisierung statt Einheitsbrei

Künstliche Intelligenz durchzieht fast die gesamte Marketingwelt. Wo Werber früher in eine breite Konsumentenmenge kaum gezielt hineinsendeten, analysieren sie heute die Zielgruppen und die werblichen Umfelder haargenau.

Statt einheitlicher Werbesprüche formulieren sie unterschiedliche Botschaften – und schicken diese an genau die Nutzer, die aus Verkäufersicht am wertvollsten sind. Streuverluste sollen minimiert werden. Menschen können das schon lange nicht mehr allein. Zu klein sind die Cluster, zu viele sind es geworden. Es ist eine Werbewelt, die immer stärker auf Maschinen setzt.

Die Zeit der einheitlichen Werbebotschaften für die breite Masse neigt sich ihrem Ende zu. Quelle: dpa
Leuchtreklamen

Die Zeit der einheitlichen Werbebotschaften für die breite Masse neigt sich ihrem Ende zu.

(Foto: dpa)

Der TV-Konzern RTL fasst die neuen Werbeformate unter dem Begriff Addressable TV zusammen. Noch ist die wirtschaftliche Bedeutung gering für das Sechs-Milliarden-Euro-Unternehmen, der Umsatzanteil liegt im einstelligen Prozentbereich. Doch es ist ein Konzept, das den Weg in die Zukunft ebnen soll.

„In fünf Jahren sind die Werbeinseln bei RTL komplett individualisiert“, schätzt Matthias Dang, RTL-Geschäftsführer Vermarktung, Technologie und Daten sowie Geschäftsführer der Ad Alliance. „In rund fünf Jahren wollen wir ein Viertel des Umsatzes mit Addressable TV erzielen.“

KI verknüpft Werbung mit Emotionen

Einen Schritt weiter geht eine andere Werbetechnologie, die RTL derzeit testet, sie heißt „Emotional Based Targeting“. Anders als beim „Contextual Video Tagging“, bei dem Unternehmen vorab Begriffe definieren, können Werbekunden hierbei bestimmte Emotionen wie Freude, Neugier oder auch Wut als Umfeld für ihre Botschaften buchen.

Eine KI-basierte Lösung durchsucht die Inhalte nach entsprechenden Stichworten, die Informationen werden zu Emotionen geclustert. Passen Kundenwunsch und Emotionen überein, wird der Spot gesendet.

Mit solchen Werbeangeboten, die von Künstlicher Intelligenz getrieben sind, versucht RTL, seine Relevanz im Werbemarkt zu verteidigen. Denn längst ist ein breites Umschichten der Werbegelder im Gang: weg von den klassischen Medien wie TV und Print, hin zu den großen Internetplattformen wie Google, Facebook und zunehmend auch Amazon. Vor einer Woche meldete der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft seine Prognose für das Jahr 2020: ein Minus von sieben Prozent.

Grafik

„Die digitale Werbung kommt insgesamt vergleichsweise sehr gut durch die Krise. Damit einher geht allerdings auch eine nochmals signifikant gesteigerte Verschiebung in Richtung der digitalen Megaplattformen“, mahnte ZAW-Präsident Andreas Schubert. Plattformen, die Künstliche Intelligenz bei der Ausspielung der Werbung nutzen und entsprechend granulare Aussteuerungen haben.

RTL-Manager Dang teilt die Sorge des ZAW-Präsidenten: „Google und Facebook stellen die komplette Infrastruktur für die Werbewirtschaft – und sind gleichzeitig ihr Broker“, sagt er. „Wir müssen eine Unabhängigkeit von Google und Facebook haben.“

Künstliche Intelligenz soll dabei helfen. Das gilt nicht nur fürs TV-Geschäft, sondern auch für das Media-Business, das für die Buchung von Werbeplätzen bei anderen Medien, also auch Zeitungen, Magazinen oder Radio, verantwortlich ist.

Christina Voigt, Unternehmerin aus Hamburg, hat vor knapp zwei Jahren eine neue Mediaagentur gestartet – eine Agentur, die vor allem auf Künstliche Intelligenz setzt. Deep Media heißt ihre Firma, die heute 50 Mitarbeiter beschäftigt. Mit ihrer Plattform bedient Voigt verschiedene Mediakanäle, die Entscheidung, welche Werbung wann und wo eingesetzt wird, wird dabei zunehmend maschinell unterstützt und erzielt – wie die Unternehmerin betont – nachweislich bessere Leistungswerte.

Ihre Agentur setzt vor allem auf Künstliche Intelligenz. Quelle: Deep Media
Christina Voigt

Ihre Agentur setzt vor allem auf Künstliche Intelligenz.

(Foto: Deep Media)

Das Mediageschäft ist ein zahlengetriebenes Geschäft. Die Spezialisten müssen festlegen, in welchen Kanälen die Kampagne eines Kunden den größten Wertbeitrag erzielt. Das Budget muss verteilt werden – oft in Echtzeit, da Computerprogramme in einem Auktionsverfahren die Preise für die Buchungen festlegen.

„Da fängt die KI an“, sagt Digitalexpertin Voigt. Natürlich könne auch ein Mensch zehn verschiedene Excel-Tabellen zusammenführen, aber es würde viel zu lange dauern. Deep Media hat eine eigene Software entwickelt, die es ermöglicht, die Leistungswerte – also zum Beispiel Reichweite oder wahrscheinliche Neigung des Kunden zum Produkt – verschiedener Medienkanäle wie Facebook, Google oder die Webseiten von klassischen Medien miteinander zu vergleichen.

Das System könne das Kaufinteresse eines Nutzers einschätzen und mit Preisen versehen, meint Voigt. Steht ein Nutzer kurz vor einem Kaufabschluss im Internet, so würde eine Werbebuchung am Rand seines Bildschirms deutlich teurer sein für den Werbetreibenden als beispielsweise der Werbeplatz bei einem uninteressierten User. Ihr System könne solche Conversion-Wahrscheinlichkeiten berechnen, sagt Voigt.

Gestiegene Erwartungen der Verbraucher

Mit der Wahrscheinlichkeit, einen Nutzer zum Kauf zu bewegen, beschäftigt sich auch Attraqt, ein britischer Dienstleister von E-Commerce-Such-, Personalisierungs- und Merchandising-Technologien. Immer wenn Unternehmen einen Suchschlitz auf ihren Webseiten einbauen, über den die Nutzer Produkte recherchieren können, beispielsweise in ihrem Onlineshop, stehen Technologien wie die von Attraqt dahinter, die die Suchergebnisse entsprechend aufbereiten.

Attraqt benötigt dafür Produktdaten der Hersteller. „Da fängt das Problem meistens an“, erzählt John Raap, Chefstratege von Attraqt. „Viele Daten kommen unstrukturiert an, es fehlen Angaben, die Texte sind nicht vergleichbar.“ Ein mühsamer Zusammenbau beginnt. Um diese Arbeit zu vereinfachen, hat Attraqt die KI-Anwendung der Berliner Firma Aleph-One gekauft.

Die Mitarbeiter von Aleph-One haben den Algorithmus entwickelt und trainiert. Er soll den Verbraucherwunsch mit der Produktbeschreibung matchen. Die Investition in die Künstliche Intelligenz von Suchmaschinen sei eine Antwort auf diese gestiegenen Erwartungen der Verbraucher, die an anspruchsvolle Sucherlebnisse bei Google oder Amazon gewöhnt sind, meint Mark Adams, Geschäftsführer von Attraqt.

Er ist Geschäftsführer von Attraqt, einem britischen Dienstleister von E-Commerce-Such-, Personalisierungs- und Merchandising-Technologien.Foto: Attraqt
Mark Adams

Er ist Geschäftsführer von Attraqt, einem britischen Dienstleister von E-Commerce-Such-, Personalisierungs- und Merchandising-Technologien.

Foto: Attraqt

„Künstliche Intelligenz funktioniert gut, weil wir eine durchdigitalisierte Welt haben“, sagt Christian Rätsch, Deutschlandchef der Werbeagentur Saatchi & Saatchi, die zum französischen Werbekonzern Publicis gehört. Ob Zahnbürsten von Oral, Teppichsauger von Vorwerk, Gläser von Rastal – immer mehr Produkte werden internetfähig gemacht und mit intelligenten Technologien ausgestattet.

Der positive Effekt: „Die Unternehmen rücken näher an die Bedürfnisse der Menschen, weil die Produktionsketten enger werden“, sagt Rätsch. Künstliche Intelligenz würde als Turbo der Digitalisierung dienen. Nach Ansicht des Agenturchefs bieten sich dadurch „völlig neue Chancen im Marketing“.

Auch innerhalb der Agentur nutzt Publicis eine von Microsoft entwickelte Künstliche Intelligenz für die Beschäftigung der rund 80.000 Publicis-Mitarbeiter. „Marcel“ heißt das interne Tool, in dem weltweit jeder Publicis-Mitarbeiter mit seinen Qualifikationen, seinen Kundenarbeiten, seinen Social-Media-Aktivitäten, seinen Awards aufgeführt ist. Ein Bild aus vielen Mosaiksteinen. „Ich finde darüber denjenigen, der am besten zur jeweiligen Aufgabe passt“, erzählt Rätsch. „Für uns ist ,Marcel‘ ein Segen.“

Doch Rätsch warnt vor zu viel Euphorie beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz, etwa bei kreativen Arbeiten. „KI schafft kein Original“, sagt er, „eine KI braucht immer eine referenzielle Größe aus der Vergangenheit.“ Ein wohlkalkulierter Regelbruch, wie er in der Werbebranche geliebt wird, sei damit nicht möglich.

Ein komplett mit KI erstellter Werbespot

Zwar keinen Regelbruch, aber dafür einen wohltemperierten Werbespot hat vor einem Jahr der Autohersteller Lexus auf den Markt gebracht. Das Besondere: Der Spot wurde mit KI erstellt. Die wurde zunächst mit Kampagnenmaterial von diversen Auto- und Luxusmarken gefüttert, die in den vergangenen 15 Jahren zuvor Kreativpreise beim Festival Cannes Lions gewonnen hatten.

Dazu kamen Daten von Unruly, einem Anbieter für Onlinevideos, die die emotionale Komponente in den Spot bringen sollten. Eine KI kombinierte dann Objekte, Orte und Emotionen aus den vorab gefütterten Daten, um dann eine bestimmte Werbebotschaft für den Spot zu generieren. Ein gelungenes Stück Kreativarbeit?

Rätsch von Saatchi & Saatchi hält an seinem Credo der Kreativität jenseits von KI fest. Bereits vor vier Jahren hat seine eigene Agentur ebenfalls einen Spot ausschließlich von einer KI erstellen lassen. Langweilig sei der Kurzfilm am Ende gewesen, sagt er. „Wenn die Dinge gefällig aussehen, dann wollen es die Leute nicht mehr.“ Daten bestätigen eben Muster. Aber sie schaffen keine Musterbrüche.

Mehr: „Autonomes Matching“: Stepstone will mit KI die Jobsuche einfacher machen

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