Lilium-Gründer Daniel Wiegand „Ein Flug wird nicht teurer sein als die Fahrt mit dem Taxi“

Bisher sind Flugtaxen in den Metropolen noch eine Zukunftsvision.
Düsseldorf Schon seit frühester Jugend beschäftigt sich der Gründer des Flugtaxi-Start-ups Lilium mit der Fliegerei. Nun hat der 33-jährige Daniel Wiegand den Jet präsentiert, mit dem er ab 2025 den Verkehr revolutionieren will. Aber Wiegand will keine Jets verkaufen - sondern Mobilität. „Unser Ziel ist es, ein Verkehrsmittel zu schaffen, das sich jeder leisten kann“, sagt er dem Handelsblatt.
Herr Wiegand, Sie haben mit dem Lilium-Jet einen ersten Testflug absolviert – wann soll das Flugtaxi, das fünf Personen transportieren und 300 Kilometer in einer Stunde zurücklegen soll, auf den Markt kommen?
Wir wollen 2025 in zwei bis drei Regionen weltweit auf dem Markt sein. Aber wir wollen keine Flugzeuge verkaufen, sondern Mobilität.
Wie soll das aussehen?
Kunden kaufen bei uns keine Jets, sondern Reisen. Sie haben die Lilium-App auf dem Smartphone, die ihren Standort kennt, ihnen den Weg zum nächsten Landeplatz zeigt – und einen Platz im Jet reserviert.
Klingt ein bisschen wie Uber für die Luft.
Ja. Wir planen zudem, dass unsere App mit anderen Mobilitätsdiensten verknüpft wird, dann können Sie nicht nur die Flugreise buchen, sondern auch die Anreise zum nächsten Landeplatz.
Wo wollen Sie mit dem Dienst starten?
Wir führen gerade vielversprechende Gespräche auf der ganzen Welt. Aber wir können uns sehr gut vorstellen, dass Deutschland eine der ersten Regionen ist.

Der Unternehmer hat große Pläne mit seinem Flugtaxi-Start-up.
In München?
Das liegt nahe, weil das unser Standort ist. Es kann aber auch anderswo sein.
In welcher Stadt sind die Gespräche am weitesten?
Das ist vertraulich. Aber ich denke, dass wir nächstes Jahr sagen können, wo es losgehen wird. Die Gespräche sind schon ziemlich weit.
Wann beginnt die Serienfertigung des Jets?
Wenn wir 2025 starten wollen, müssen wir spätestens ein Jahr vorher damit beginnen. In den Jahren davor werden wir natürlich schon einige Zulassungsflugzeuge und Jets für den Testbetrieb bauen.
Wollen Sie den Jet selbst produzieren?
Ja. Wir haben jetzt schon eine Fertigungshalle und ein kleines Team dafür aufgebaut, das jetzt kontinuierlich wachsen wird. In den nächsten Jahren werden wir in Deutschland dann vier Produktionsorte aufbauen: einen für Elektrojet-Triebwerke, einen für Batteriepacks, einen für Karbon-Flugzeugstrukturen und einen für die Endmontage der Flugzeuge. Auf Standorte haben wir uns noch nicht festgelegt. Klar aber ist, dass in diesem Zuge unser Unternehmen, das derzeit rund 300 Mitarbeiter beschäftigt, noch einmal um einige Hundert weitere wachsen wird.
Das wird viel Geld kosten. Aktuell ist Lilium mit etwas über 100 Millionen Euro finanziert – unter anderem kommt das Geld von dem chinesischen Internetkonzern Tencent und Skype-Gründer Niklas Zennström. Wie viel Geld braucht Lilium in den nächsten Jahren?
Es wird noch einige Finanzierungsrunden geben, bis wir auf dem Markt sind und die Produktion aufgebaut haben. Die genaue Summe möchte ich nicht kommentieren.
Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, ein Flugtaxi zu entwickeln?
Ich habe schon als Kind Modellflugzeuge gebaut, mit 14 Jahren habe ich dann einen Segelflugschein gemacht. Später habe ich Luft- und Raumfahrttechnik studiert, mit der Spezialisierung auf Flugantriebe. Irgendwann habe ich dann auf Youtube ein Video von einem senkrecht startenden Militärflugzeug gesehen. Und da dachte ich: Eigentlich hätte ich gern so ein Ding für mich privat, weil es effizient ist und überall starten und landen kann. Dann habe ich mich hingesetzt, habe verschiedene Architekturen durchgerechnet, überlegt, wie man es günstiger machen kann – daraus wurde dann die Idee für den Lilium-Jet.
Wann wurde aus dieser fixen Idee ein richtiger Plan?
Vor fünf Jahren.
Sie waren damals 28 Jahre alt und studierten an der TU-München. Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?
Die waren nicht sonderlich überrascht. Sie kannten das von mir, weil ich schon immer verrückte technische Ideen hatte, die auch irgendwann funktionierten. Was die nicht kannten war, dass diese Idee Hunderte Millionen Euro kostet.
Wie funktioniert der Lilium-Jet genau?
Der Kern unseres Flugzeugs ist – ähnlich wie bei einem Elektroauto – eine sehr große Lithium-Ionen-Batterie, die 36 Elektromotoren speist, die wiederum 36 kleine Propeller antreiben. Die Propeller erzeugen den Schub. Das ist vergleichbar mit einem Haarföhn, in dem ein Elektromotor für einen Luftstrom sorgt. Unsere Motoren sind allerdings extrem leistungsstark: Das Flugzeug hat 2000 PS, und die reichen aus, um den Jet vom Boden abheben zu lassen. Zum Start stehen die Triebwerke senkrecht, so heben sie das Flugzeug in die Luft. Um es dann für den Reiseflug vorwärts zu beschleunigen, werden die Triebwerke langsam in die Horizontale gedreht. Dann fliegt es wie ein normales Flugzeug.
Wie unterscheidet sich die Technik von anderen Flugtaxis, die ja mitunter aussehen wie überdimensionierte Drohnen?
Einer der großen Unterschiede ist, dass unser Jet Flügel hat. Die haben den Vorteil, dass sie im Reiseflug ungefähr zehn Mal effizienter Auftrieb erzeugen als der Propeller eines Hubschraubers. Der braucht die ganze Zeit Leistung, um in der Luft zu bleiben. Der zweite große Unterschied ist, dass wir selbstentwickelte Elektro-Jet-Triebwerke verwenden.
Was ist der Vorteil davon?
Durch die Jet-Triebwerke ist unser Flugtaxi sehr leise beim Start. Gleichzeitig hat unser Jet dadurch eine große Reichweite und kann mit einer normalen Batterie 300 Kilometer weit fliegen.
Nach einer Stunde muss der Jet also wieder an die Steckdose?
Mit heutigen Batterien ist das so. Mit verbesserten Batterien werden wir künftig auch weiter fliegen können.
Wie ist denn die Ökobilanz des Lilium-Jets im Vergleich zu einem normalen Taxi?
Die ist vergleichbar. Unsere Batterie ist ähnlich groß wie die eines Elektroautos - und wir kommen damit ähnlich weit.
Aktuell braucht der Jet noch einen Piloten.
Ja. Zum Start werden wir mit Piloten fliegen. Wir sind sehr stolz, dass wir ein Flugzeug entwickeln konnten, das in der bestehenden Regulatorik zugelassen und betrieben werden kann - mit normalen, kommerziellen Piloten-Lizenzen. In einigen Jahren soll der Jet auch autonom fliegen können. Dafür haben wir vor einem Jahr den ehemaligen Leiter für autonomes Fahren von Audi, Mirko Reuter, eingestellt, der die Sparte bei uns leitet.
Wie reagieren eigentlich die deutschen Behörden auf Ihre Idee?
Das war die positive Überraschung für uns. Wir sind überall mit Begeisterung und tatkräftiger Unterstützung empfangen worden - sei es in der Politik oder auf Arbeitsebene in den Behörden, aber auch bei der europäischen Luftsicherheitsbehörde EASA, die vor einem Jahr unseren Antrag auf Zulassung angenommen hat. Seitdem arbeiten wir sehr eng mit den Experten dort zusammen.
Wann rechnen Sie mit der Zulassung?
Ich schätze, dass der Prozess einige Jahre dauern wird. Bislang gibt es auch keine größeren Hürden. Es ist einfach sehr viel Arbeit.
Sind deutsche Behörden skeptischer als die Pendants zum Beispiel in China?
Im Gegenteil. Wir stoßen überall auf großes Interesse. Was bei den Experten in den Behörden gut ankommt ist, dass unser Jet viel sicherer ist als zum Beispiel ein Helikopter.
Wie das?
Durch die Redundanz im Antriebssystem. Wir haben nicht nur einen Rotor sondern viele kleine. Wenn einer ausfällt, können wir immer noch eine sichere Landung darstellen.
Sind die deutschen Behörden schnell genug?
Wir sind bislang an keiner Stelle ausgebremst worden. Und das freut mich besonders, weil es ja immer heißt, wir seien in Deutschland kritisch bei Innovationen oder nicht offen für neue Dinge. Das kann ich bisher an keiner Stelle sehen.
Manche Menschen finden die Idee ziemlich furchterregend, dass es künftig nicht mehr nur Staus auf den Straßen gibt, sondern auch vor ihrem Fenster.
Wenn ich glauben würde, dass es so käme, fände ich das auch furchterregend. Aber es wird anders aussehen: Wir werden nicht in Vorgärten starten, sondern auf Parkhäusern, in Industriegebieten oder auf Bürogebäuden. Die Flugzeuge fliegen auch nicht in 20 Metern Höhe durch Münchner Wohngebiete. Sie starten senkrecht und fliegen dann so hoch, dass die Passagiere nirgends durchs Fenster in die Wohnzimmer schauen können.
Was sollen typische Einsatzfelder des Jets sein?
Durchaus die Verbindung von Flughäfen, Messen oder Städten im Umland mit dem Zentrum von Großstädten. Der Einsatz des Lilium-Jets rechnet sich ab einer Entfernung von 30 bis 40 Kilometern, und das geht dann bis mehrere Hundert Kilometer.
Wie viel wird so eine Fahrt kosten - sagen wir vom Münchner Flughafen zum Marienplatz?
Unser Ziel ist es, ein Verkehrsmittel zu schaffen, das sich jeder leisten kann. Und nach unseren bisherigen Berechnungen werden wir das schaffen. Solange wir noch Piloten an Bord haben werden, ist der Flugpreis etwa vergleichbar mit dem Fahrpreis eines Taxis. Wenn der Jet autonom fliegt, werden wir den Dienst zu ähnlichen Preisen anbieten können, die anfallen, wenn Sie Ihr eigenes Auto nutzen.
Herr Wiegand, vielen Dank für dieses Interview.
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Taxi ist so teuer das ich damit nur fahre wenn es absolut keine Alternative gibt. Ich bin auch mal gespannt wie man den Air Traffic Control den das benötigt hinbekommt, und wer das alles bezahlt. Ok, wenns soviel kostet wie ein Taxi ist die Bezahlung sicher gestellt.
Super, einfach toll! Ich hoffe, es klappt alles wie geplant. Ich wünsche mir noch mehr Unternehmer und innovative Startups für Europa.
Nur weiter so.
Grundsätzlich eine gute Idee. Spätestens seit dem Film "The Fith Element" von 1997 träumen wir doch alle ein wenig davon.
"... nicht teurer als die Fahrt mit dem Taxi" halte ich allerdings für nicht plausibel. Diese betriebswirtschaftliche Rechnung möchte ich sehen. Der Pilot wird sicher nicht zum Verdienst eines Taxifahrers arbeiten. Selbst ohne Pilot wird Assistenz am Start- und Landeplatz nötig sein. (denke man nur an das Gepäck aus dem Stauraum, etc.). Start- und Landeplatz wird man nicht umsonst bekommen. Technische Inspektionsintervalle sind bei Fluggeräten kürzer (Auto nur alle 2 Jahre TÜV) und damit kostenintensiver. Insgesamt dürfte diese High-Tech Produkt nicht zum Preis eines durchschnittlichen Taxis zu bekommen sein (Stückzahlen, Materialien, Batterie, ...) Fazit: Ein tolles Thema aber zu sehr durch die rosarote Brille betrachtet. Das beginnt schon mit dem Aufmacher oben im Artikel mit einem Bild des Lilium vor Manhattan. Für einen Marketingauftritt sicher OK aber in einer sonst seriösen Wirtschaftspresse doch eher "fake news" und man fragt sich was soll das?