Sandro Gaycken „Auch demokratische Rechtsstaaten betreiben Wirtschaftsspionage“

„Es ist nicht gewährleistet, dass sich befreundete Staaten an deutsche Datenschutzvorstellungen halten.“
Sandro Gaycken gehört zu den Internetpionieren in Deutschland. Umso mehr ärgert ihn, dass es hierzulande digital so langsam vorangeht.
Herr Gaycken, was heißt für Sie digitale Souveränität?
Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Es geht darum, dass man die Hoheit über Hersteller und Lieferketten in der Digitalwirtschaft hat.
Was meinen Sie mit „Hoheit“?
Hoheit bezieht sich auf den europäischen Rechtsraum.
Ist die Idee einer europäischen Cloud Ausdruck digitaler Souveränität, oder ist das schon Protektionismus?
Das ist Teil der digitalen Souveränität. Zwar sind die Cloud-Anbieter aus den USA technisch sehr gut, aber man weiß nicht, wer auf die Daten und die digitalen Architekturen Zugriff hat.
Die USA sind doch ein verbündeter Rechtsstaat. Warum muss man sich vor dem durch Abschottung schützen?
Auch demokratische Rechtsstaaten betreiben Wirtschaftsspionage. Es ist nicht gewährleistet, dass sich befreundete Staaten an deutsche Datenschutzvorstellungen halten.
Wie kann sich Europa besser gegen die Marktmacht amerikanischer Internetgiganten schützen?
Die europäische Datenschutz-Grundverordnung zeigt, wie schwierig das ist. Die finanzstarken US-Konzerne haben kein Problem, innerhalb einer Woche datenschutzkonform zu werden. Die ganzen deutschen Mittelständler und die Start-ups werden dagegen total abgehängt. Ihnen fehlen einfach das Geld und das Wissen, um die DSGVO umzusetzen.
Wo verläuft für Sie die Grenze zwischen Souveränität und nationalistischer Abschottung?
Diese Grenze ist fließend. Digitale Souveränität ist aber wichtig, um das Risiko der Spionage zu begrenzen. Darüber hinaus muss man sich gegen sogenannte „Kill Switches“ schützen, also gegen die Macht der Hersteller, ihre Geräte einfach abzuschalten. Das spielt insbesondere beim Aufbau des 5G-Netzes für die schnelle mobile Datenübertragung eine wichtige Rolle.
Sind die bislang von Deutschland formulierten Sicherheitsbedingungen für den Aufbau des 5G-Netzes ausreichend?
Man sollte auf den chinesischen Anbieter Huawei aus Sicherheitsgründen verzichten. Huawei ist sehr eng verbunden mit der Ambition Chinas, Weltmarktführer zu werden. China will auf diesem Wege natürlich auch sein politisches System durchsetzen.
Die Telekomanbieter sagen, Huawei sei einfach billiger als die europäische Konkurrenz.
Das stimmt aber nur, weil Huawei staatlich subventioniert wurde. Wer sich für Huawei entscheidet, trifft eine politische Entscheidung. Neue Technologien lassen sich nicht von ihren politischen Risiken trennen.
Die Chinesen werfen den Europäern Protektionismus vor, wenn sie Huawei ausschließen.
Wenn man die Entwicklung und den Aufbau von Basistechnologien wie 5G an ausländische Großkonzerne aus der Hand gibt, erhöhen die damit ihren Innovationsvorsprung. Heimische Hersteller werden dadurch dauerhaft abgehängt.
Europa muss also wie China und Amerika seine eigene Digitalwelt aufbauen?
Ja, aber so, wie wir das bislang betreiben, wird das nichts. Investoren hoffen, dass der Staat ihnen Risiken abnimmt, der Staat ist aber einfach zu dumm. Man sieht das an diesen vielen Digitalisierungsinitiativen der Bundesregierung, die aus politischen oder bürokratischen Gründen meist versanden.
Wenn jeder Wirtschaftsraum sich technologisch abschottet, ist es mit der internationalen Arbeitsteilung bald vorbei.
Die Abschottung ist bereits Realität. Es gibt heute unterschiedliche geopolitische Technosphären, die sich voneinander abgekoppelt haben. Dieser Trend wird sich noch verstärken.
Mehr: Die Spaltung des Internets in unterschiedliche Technosphären ist unausweichlich. Europa bleibt nur, sich zu entscheiden, wo eine Entkoppelung sinnvoll und notwendig ist. Ein Essay von Torsten Riecke.
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