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Biontech und Moderna Wie sicher sind die ersten Corona-Impfstoffe?

Viele Menschen betrachten die Corona-Impfstoffe misstrauisch. Die Qualität der Studien und das vorliegende Sicherheitsprofil geben dazu aber kaum Anlass.
16.12.2020 - 18:08 Uhr 2 Kommentare
Die schnelle Entwicklung der Impfstoffe nährt bei vielen Menschen Zweifel. Für Misstrauen sorgt zudem, dass die ersten Covid-Impfstoffe auf einer ganz neuen Technologie unter Einsatz des Botenstoffs mRNA basieren. Quelle: dpa
Keine Angst vorm Impfen

Die schnelle Entwicklung der Impfstoffe nährt bei vielen Menschen Zweifel. Für Misstrauen sorgt zudem, dass die ersten Covid-Impfstoffe auf einer ganz neuen Technologie unter Einsatz des Botenstoffs mRNA basieren.

(Foto: dpa)

Frankfurt Keine zwölf Monate nach der Entdeckung des Corona-Erregers hat die Pharmaforschung eine Antwort auf die Pandemie gefunden: In den USA, Großbritannien und bald auch in der EU wird der Impfstoff von Biontech aus Mainz regulär eingesetzt. Ein weiterer Impfstoff von Moderna aus den USA steht kurz vor der Zulassung.

Wissenschaftler wie der Harvard-Professor und Infektionsforscher Eric Rubin sprechen von einem „Triumph“ beim Kampf gegen die Corona-Pandemie. Er verweist auf die schnelle Entwicklung der Impfstoffe.

Tatsächlich dauerte es früher schon mal ein Jahrzehnt bis zur Marktreife und Zulassung – selbst vier bis fünf Jahre galten als schnell.

Doch genau diese enorme Geschwindigkeit nährt bei vielen Menschen Zweifel und Skepsis gegenüber den Impfstoffen – und dämpft womöglich die Impfbereitschaft. Für Misstrauen sorgt zudem, dass die ersten Covid-Impfstoffe auf einer ganz neuen Technologie unter dem Einsatz des Botenstoffs mRNA basieren.

Die Herausforderung der Impfkampagnen wird daher nicht nur darin bestehen, die Logistik zu meistern. Es geht um die Überzeugung, dass das hohe Tempo nicht mit Zugeständnissen bei den Test-Anforderungen und der Sicherheit erkauft wurde.

Wie hoch die Sensibilität dafür ist, zeigte etwa die hohe Aufmerksamkeit, die in der vergangenen Woche zwei Fälle von heftigen allergischen Reaktionen bei den ersten Impfungen mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff in Großbritannien erzeugten.

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Pharmaexperten bewerten das Sicherheitsprofil der Mittel aber weiterhin als gut. Die tiefgehende Analyse des Corona-Impfstoffprozesses und der Vergleich mit früheren Zulassungsverfahren zeigen zudem: Was die Qualität der klinischen Entwicklung und Prüfung betrifft, müssen die neuen Mittel trotz der hohen Geschwindigkeit keineswegs hinter früheren Impfstoffprojekten zurückstehen. Das lässt sich an mehreren Punkten festmachen:

1. Hohe Teilnehmerzahl bei den Studien

Die aktuellen Phase-3-Studien der westlichen Covid-Impfstoffentwickler gehören durchweg zu den bisher umfangreichsten Impfstoffstudien überhaupt. Biontech und Pfizer testeten an knapp 44.000 Personen, in die Moderna-Studie waren 30.000 Menschen einbezogen.

Die Tübinger Curevac, die ebenfalls an einem mRNA-Impfstoff arbeitet, startete am Montag eine Phase-3 Studie mit 36.000 Teilnehmern. Astra-Zeneca und Johnson & Johnson wollen ihre Vakzine an insgesamt 60.000 Probanden erproben.

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Nur zwei Impfstoffe überhaupt wurden in der Vergangenheit in noch umfangreicheren Studien geprüft – und zwar das Pneumokokken-Vakzin Prevnar 13 sowie der Impfstoff Rotarix gegen Rotaviren-Infektionen. Die Mehrzahl der Zulassungen der vergangenen 20 Jahre basierte dagegen auf deutlich niedrigeren Probandenzahlen.

2. Bessere Belege für die Wirkung

Auch was die klinischen Endpunkte angeht, gehören die Covid-Studien zu den gründlicheren Tests. Denn sie sind bisher durchweg auf den Nachweis ausgelegt, dass sie tatsächlich das Erkrankungsrisiko senken. Dieser Nachweis ist keineswegs selbstverständlich bei Impfstoffzulassungen.

In der Mehrzahl der bisherigen Fälle wurde die Wirkung vielmehr nur indirekt gemessen, wie eine Untersuchung von Forschern der Harvard-Universität zeigt: Von 35 neuen Impfstoffen, die von 2006 bis 2020 auf den Markt kamen, waren zwei Drittel nur auf der Basis von sogenannten Surrogat-Parametern zugelassen.

Das heißt: Es wurde dabei nur eine Immunreaktion belegt, aber nicht, inwieweit sich dadurch die Zahl der Infektionen und Erkrankungen verringert. Das ist bei den vorgelegten Studienergebnissen zu den Covid-19-Impfstoffen anders.

3. Höherer Wirkungsgrad als frühere Impfstoffe

Die Wirksamkeitsdaten, die Biontech und Moderna für ihre neuartigen mRNA-Impfstoffe vorgelegt haben, werden von den meisten Fachleuten als hervorragend und als deutlich besser als erwartet eingestuft. Sie übertreffen die von den Zulassungsbehörden geforderten Mindestwerte deutlich.

Zu sehen sind Dokumente, die vom Pharmakonzern Pfizer für das Treffen mit dem Beratungsgremium der „U.S. Food and Drug Administration“ (FDA), der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel, erstellt wurden. Quelle: dpa
Studiendaten

Zu sehen sind Dokumente, die vom Pharmakonzern Pfizer für das Treffen mit dem Beratungsgremium der „U.S. Food and Drug Administration“ (FDA), der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel, erstellt wurden.

(Foto: dpa)

Der Biontech-Impfstoff zeigte eine überraschend hohe Wirksamkeit von 95 Prozent, bei vergleichsweise moderaten und fast durchweg impftypischen Nebenwirkungen. Ähnlich, wenn auch mit etwas stärkeren Nebenwirkungen, schnitt das Vakzin von Moderna ab.

Auch mit Zulassungen aus der Vergangenheit können sich die Covid-Impfstoffe in puncto Wirksamkeit ohne Weiteres messen. Etliche Impfstoffe der letzten Jahre zeigten geringere Wirkungsgrade. Die Harvard-Forscher kommen zum Ergebnis, dass die zwischen 2008 und 2018 zugelassenen Grippeimpfstoffe nur eine Wirksamkeit zwischen 19 und 60 Prozent erzielten.

4. Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen

Die in den klinischen Studien ermittelten Sicherheitsdaten für die Vakzine von Biontech und Moderna werden von den meisten Fachleuten ebenfalls als sehr günstig beurteilt. Abgesehen von den typischen und vorübergehenden Impfreaktionen wie Muskelschmerzen, Müdigkeit und kurzem Fieber gab es offenbar so gut wie keine ernsten Vorfälle.

Rolf Hömke, Forschungsexperte beim Branchenverband VfA, stuft die beobachteten Nebenwirkungen als „bemerkenswert niedrig“ ein. Eine ähnliche Einschätzung ist aus den Erläuterungen der US-Zulassungsbehörde FDA zu dem Impfstoff von Biontech herauszulesen. Schwerwiegende Zwischenfälle traten laut der Behörde bei weniger als 0,5 Prozent der Studienteilnehmer auf. Noch dazu waren sie in beiden Gruppen, also bei Geimpften und nicht geimpften Personen, gleichmäßig verteilt.

Unter den als nicht schwerwiegend eingestuften Zwischenfällen fielen zwar vier Fälle von vorübergehenden Gesichtslähmungen in der Impfgruppe auf. Das überschreitet nach Einschätzung der FDA-Prüfer aber nicht die generelle Häufigkeit solcher Nervenstörungen.

Das Beratergremium der FDA stimmte mit 17 zu vier Stimmen für eine Notfallzulassung des Impfstoffs von Biontech und Pfizer. Das Votum wäre vermutlich noch deutlicher ausgefallen, hätte sich der Zulassungsantrag nur auf Erwachsene ab einem Alter von 18 Jahren bezogen. Lediglich die Datenlage bei 16- und 17-Jährigen war nach Einschätzung einiger Mitglieder des Komitees zu dünn, um eine positive Aussage über das Nutzen-Risiko-Verhältnis zu treffen.

Die Allergiefälle in Großbritannien wurden von den Experten zwar intensiver diskutiert, aber nicht als ernsthaftes Problem eingestuft. Biontech und Pfizer beobachteten in der Studie keine schweren Allergiefälle, obwohl mehrere Tausend Probanden mit gängigen Allergien gegen Pollen oder bestimmte Lebensmittel teilnahmen. Personen mit bekannten Allergien gegen Impfstoffe oder Medikamente waren dagegen ausgeschlossen. Sie sollen nach Anordnung der FDA nun auch von der Impfung ausgeschlossen sein.

5. Weniger Bürokratie beim Zulassungsverfahren

Zweifel an den neuen Impfstoffen sind dadurch entstanden, dass in nur zwölf Monaten etwas gelang, wofür sonst Jahre gebraucht werden. Es steht der Vorwurf im Raum, dass die Zulassungsbehörden angesichts des öffentlichen Drucks sozusagen ein Auge zugedrückt haben.

Die hohe Geschwindigkeit liegt aber zum einen daran, dass die Impfstoffentwickler nicht bei null anfingen, sondern auf Erfahrungen und früheren Forschungen mit Coronaviren aufbauen konnten.

Entscheidend für die zügige Zulassung ist vor allem das geänderte Verfahren: Normalerweise müssen Pharmafirmen sämtliche Daten aus den Studien gebündelt sammeln, aufbereiten und den Behörden en bloc zur Verfügung stellen. Vorher startet der bürokratische Zulassungsprozess nicht.

Beide vorliegenden Corona-Impfstoffe wurden aber in einem sogenannten Rolling-Review bewertet, das wesentlich schneller abläuft. Dabei verfolgen die Behörden praktisch die Entwicklungsschritte und beurteilen anhand der Daten den Impfstoffkandidaten bereits während dieses Prozesses.

Die europäische Arzneimittelbehörde Ema hat dies mit einer Covid-19-Taskforce gemacht. Sie unterstrich am Dienstag noch einmal, dass es bei den Impfstoffen keine Sonderbehandlung gebe und alle Maßstäbe und Anforderungen wie bei anderen Arzneiprüfungen gelten.

6. Langfristige Sicherheitsdaten fehlen, aber...

Klar ist aber auch: Im Vergleich zu früheren Zulassungen fehlen deutlich mehr längerfristige Beobachtungsdaten für die neuartigen Covid-Impfstoffe. Bisher haben die Unternehmen entsprechend den Anforderungen für eine Notfallzulassung nur Daten für eine Beobachtungszeit von zwei Monaten publiziert.

Für eine Standardzulassung fordert die FDA Sicherheitsdaten, die über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nach der letzten Impfung erhoben wurden. Diese wollen und können Biontech und Pfizer erst Ende des ersten Quartals 2021 vorlegen.

Die längerfristige Überwachung der Impfstoffe mit Blick auf mögliche versteckte Risiken, die man in den bisherigen Studien nicht identifizieren konnte, genießt daher größte Aufmerksamkeit – zumal mit den Covid-Präparaten eine sehr große Zahl von Personen geimpft werden soll.

Über die routinemäßigen Systeme hinaus planen sowohl die FDA als auch die Ema die aktive Beobachtung von größeren Patientengruppen mit Blick auf mögliche, bisher nicht erkannte Impfrisiken und Nebenwirkungen. Das heißt, diese Personen werden aktiv befragt und gegebenenfalls auf mögliche Impfnebenwirkungen untersucht – unabhängig davon, ob sie sich selbst melden.

All diese Daten aus der Praxis werden zwar erst im Laufe der nächsten Monate analysiert werden können. Viele Pharma-Experten zeigen sich aber zuversichtlich, dass die mRNA-Impfstoffe auch längerfristig ein günstiges Sicherheitsprofil zeigen werden.

Denn in der Vergangenheit traten schwerwiegende Probleme fast immer in den ersten sechs bis acht Wochen nach einer Impfung auf – also in einem Zeitraum, für den bereits Daten der Covid-Impfstoffe vorliegen. Darauf wies Cody Meissner, Infektionsexperte an der renommierten Tufts University School of Medicine nahe Boston, bei den FDA-Beratungen hin.

Es sei insofern schwer, sich gravierende Ereignisse vorzustellen, die das Bild noch zu einem späteren Zeitpunkt ändern könnten, insbesondere auch vor dem Hintergrund von täglich mehreren Tausend Todesfällen im Zusammenhang mit Covid-19. „Für mich ist die Sicherheit des Impfstoffs insofern ziemlich gut nachgewiesen“, lautete Meissners Fazit in der Debatte des FDA-Beratungskomitees.

Mehr: Wie die mRNA-Technologie den Kampf gegen Krankheiten revolutioniert.

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2 Kommentare zu "Biontech und Moderna: Wie sicher sind die ersten Corona-Impfstoffe?"

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  • Es ist für mich nach wie vor unfassbar, wie wir jahrelang den Genmais bekämpft haben und jetzt soll sich die Menschheit Milliardenfach für ein abenteuerliches, aus dem Boden gestampftes Gen-Experiment zur Verfügung stellen? (...)

    Sorry, es tut mir leid um jeden, der diesem Hype unterliegt - was aber keinen einzigen aus seiner Eigenverantwortung befreit.

    Für mich ist klar - Never bin ich da dabei. (...) Beitrag von der Redaktion editiert. Bitte achten Sie auf unsere Netiquette: Unterstellungen und Verdächtigungen ohne Bezug oder glaubwürdige Argumente, die durch keine Quellen gestützt werden, sind nichterwünscht. https://www.handelsblatt.com/netiquette

  • "6. Langfristige Sicherheitsdaten fehlen, aber...
    Klar ist aber auch: Im Vergleich zu früheren Zulassungen fehlen deutlich mehr längerfristige Beobachtungsdaten für die neuartigen Covid-Impfstoffe."

    Es fehlen nicht "deutlich mehr", sondern ALLE längerfristige Beobachtungsdaten!

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