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Brennstoffzellenantriebe Die ersten Wasserstoffzüge gehen 2021 in die Serienfertigung

Der französische Konzern Alstom setzt auf ein großes Marktpotenzial für die Antriebsform. Allein in Westeuropa müssen 5400 Dieseltriebwagen ersetzt werden.
02.01.2021 - 15:09 Uhr Kommentieren
Der Coradia iLint von Alstom ist der einzige Wasserstoffzug, der bislang auf der Schiene unterwegs ist. Quelle: imago/Karina Hessland
Alstom-Wasserstoffzug

Der Coradia iLint von Alstom ist der einzige Wasserstoffzug, der bislang auf der Schiene unterwegs ist.

(Foto: imago/Karina Hessland)

Düsseldorf Der französische Bahntechnikhersteller Alstom sieht sich weltweit führend in der Entwicklung von Schienenfahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb und will diese Position in den nächsten Jahren ausbauen. „Wir wollen die Führung bei emissionsfreien Antrieben“, sagte Vizepräsident Regiozüge Brahim Soua dem Handelsblatt.

Entwicklungszentrum des Konzerns ist das deutsche Werk in Salzgitter, wo seit 2014 an einem Wasserstoff angetriebenen Regionalzug gebaut wird. 2021geht das Fahrzeug in die Serienfertigung.

Der Bedarf an emissionsfreien Fahrzeugen ist auch in Deutschland hoch. Rund 10.000 Kilometer des Eisenbahnnetzes von 33.000 Kilometern werden trotz des Ausbauprogramms der Bahn vorerst weiter keine elektrische Oberleitung haben.

Zudem müssen in den kommenden Jahren viele Dieseltriebzüge ausgetauscht werden. Allein in Westeuropa würden 5400 Regionaltriebwagen mit Dieselantrieb bis zum Jahr 2035 ausrangiert und durch neue Fahrzeuge ersetzt, schätzt Soua.

Ernsthafte Konkurrenz gibt es nach Einschätzung des Alstom-Managers derzeit noch keine. Siemens hatte vor einigen Wochen ein Pilotprojekt mit der Deutschen Bahn vorgestellt, der Probebetrieb im Raum Tübingen soll aber erst 2024 beginnen.

Und der in Europa gefürchtete chinesische Bahntechnikkonzern CRRC hat nach Angaben aus Fachkreisen bislang nur eine Straßenbahn mit Wasserstoffantrieb angekündigt. Auf Schienen unterwegs ist bislang nur der Coradia iLint von Alstom.

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Im Auftragsbuch des französischen Konzerns stehen die Lieferung von 41 Fahrzeugen für zwei regionale Verkehrsgesellschaften in Niedersachsen und Hessen sowie von sechs Zügen plus Option auf weitere acht an einen italienischen Bahnbetreiber.

Mit der französischen Staatsbahn ist ein Auftrag über 14 Regionaltriebwagen nach Angaben des Unternehmens kurz vor dem Abschluss. Die Österreichische Bundesbahn ÖBB hat den Coradia iLint aus Salzgitter gerade drei Monate getestet.

Führende Bahnbetreiber wie Deutsche Bahn oder die SNCF haben schon angekündigt, wegen der Klimaziele für den Verkehrssektor möglichst auf emissionsfreie Antriebe umsteigen zu wollen. Die Deutsche Bahn hat sich mit Siemens zusammengetan, weil der Staatskonzern ein Interesse daran hat, bei Brennstoffzellen-Antrieben künftig unter konkurrierenden Anbietern auswählen zu können.

Bombardier Transportation fällt als Wettbewerber aus, weil der kanadische Konzern mit Sitz in Berlin in wenigen Wochen von Alstom übernommen wird. Offiziell heißt es bei der Deutschen Bahn, die Alstom-Fahrzeuge entsprächen nicht ganz dem Anforderungsprofil.

Wasserstoffzüge sind vor allem für längere Strecken geeignet

Alternative zur Brennstoffzelle sind Elektrozüge mit Batteriespeicher. Batteriezüge gelten bislang allerdings nur als geeignet für Einsatzbereiche bis 150 Kilometer, Wasserstoff-Triebwagen für den Einsatz ab 150 Kilometer jeweils bis zum Nachtanken. Der iLint von Alstom schafft 600 Kilometer, in der Serie sollen es 1000 Kilometer sein.

Zwar hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor wenigen Tagen angekündigt, dass er die Elektrifizierung von Strecken beschleunigen will. Geplant sei, die Bewertungsverfahren für eine solche Aufrüstung unter Klimaaspekten zu ändern. „Ich will erreichen, dass vor allem Strecken im Regional- und Nahverkehr deswegen schneller realisiert werden können“, sagte der Minister.

Was er nicht sagte: Die Ausrüstung von Strecken mit Oberleitung dauert auch wegen des Planungsrechts so lange. Ziel der Bundesregierung ist es, 70 Prozent der Strecken bis zum Jahr 2025 mit Oberleitungen auszurüsten. Derzeit sind es 61 Prozent. Doch in den vergangenen Jahren wurden nur wenige Kilometer umgebaut.

Ein Zug dieses Typs kostet nach Angaben von Siemens je nach Ausstattung fünf bis zehn Millionen Euro. Quelle: Siemens
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Ein Zug dieses Typs kostet nach Angaben von Siemens je nach Ausstattung fünf bis zehn Millionen Euro.

(Foto: Siemens)

Es dieselt vor allem auf wenig befahrenen Nebenstrecken. Typisch ist etwa die Strecke im Westfälischen zwischen Münster und Bielefeld. Dort fährt die Regiobahn 67, zwar immer im Taktverkehr. Aber eben auch nur einmal pro Stunde in jede Richtung. Solche Strecken mit einer Oberleitung auszurüsten rechnet sich nicht. So kommt es, dass Dieselfahrzeuge im Nah- und Regionalverkehr Deutschlands 250 Millionen von den insgesamt 673 Millionen jährlich gefahrenen Zugkilometern bestreiten.

Während der Fernverkehr auf der Schiene zu 98 Prozent elektrisch gefahren wird, sind es im Nahverkehr gerade mal 63 Prozent der Verkehrsleistung. Selbst im Güterverkehr liegt die elektrische Betriebsleistung mit 86 Prozent deutlich höher. Die von der Deutschen Bahn immer genannten 90 Prozent sind nur eine Durchschnittszahl und spiegeln den wahren Bedarf auf den Nebenstrecken nicht wider.

Allein die Deutsche Bahn hat 1300 Dieseltriebwagen

Allein die Deutsche Bahn hat 1300 Dieseltriebzüge in ihrer Flotte mit insgesamt rund 5500 Triebwagen (ohne Lokomotiven). Dazu kommen die Triebfahrzeuge privater Bahngesellschaften, die inzwischen etwa ein Drittel des Schienenpersonennahverkehrs bestreiten.

Eisenbahnzüge sind in der Regel mindestens 30 Jahre in Betrieb. Deshalb hatte sich die Deutsche Bahn vor einigen Jahren dazu entschlossen, unter eigener Regie ein Umbauprogramm mit dem Namen Ecotrain aufzulegen. Triebwagen und Loks werden dabei auf Hybridbetrieb oder reinen Batteriebetrieb umgerüstet. Das sollte Millionen an Neuinvestitionen sparen.

Das Projekt kommt allerdings nicht so recht von der Stelle. Erst vor wenigen Monaten wurde der Plan gestoppt, Triebwagen auf der sächsischen Erzgebirgsbahn umzurüsten – obwohl der Freistaat dafür schon 60 Millionen Euro lockergemacht hatte. Die Hürde, für umgebaute Dieselzüge eine neue Zulassung zu bekommen, ist wohl größer als gedacht.

Trotzdem sind Umrüstungen auch für Alstom eine Option, sagt der Manager Brahim Soua. Ihre Brennstoffzellen-Antriebe bieten die Franzosen aber erst einmal auf Basis der bereits erprobten Coradia-Zugplattform als Neufahrzeuge an. „Ein Brennstoffzellenzug ist zwar in der Anschaffung etwa 20 Prozent teurer, jedoch über seine Lebensdauer von in der Regel 30 Jahren wesentlich günstiger als ein Dieselzug“, sagt Jens Sprotte, in Deutschland verantwortlich für das Hydrogen-Projekt von Alstom.

Technisch sind Züge mit Brennstoffzellenantrieb nicht mehr das größte Problem. Die Tanklogistik und die Versorgung mit preiswertem Wasserstoff aber schon. Die Bahn will selbst die Wasserstoffversorgung für ihr Pilotprojekt aufbauen und damit eigene Erfahrungen sammeln. Alstom kooperierte mit Linde beim Testbetrieb in Niedersachsen. In Hessen ist eine Nachfolgefirma des Hoechst-Konzerns mit im Boot.

Um die Nutzung von Brennstoffzellen schnell voranzutreiben und Synergien mit anderen Verkehrsträgern wie Bussen oder Lastkraftwagen zu nutzen, schlägt Sprotte allerdings ein staatliches Tankstellennetz vor. „Tankinfrastruktur für Wasserstoffzüge sollte in Deutschland genauso wie der Bau von Schienen-Oberleitungen durch den Bund bereitgestellt werden“, sagt der Hydrogenexperte. Alstom würde daher auch einen „Nationalen Wasserstoffkoordinator sehr begrüßen“.

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Die Bundesregierung plant in ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie den „koordinierten Aufbau einer bedarfsgerechten Tankinfrastruktur zur Versorgung der Fahrzeuge auch im schweren Straßengüterverkehr, im ÖPNV und im Schienenpersonennahverkehr“. Das alles wird gefördert mit einem Etat von 3,4 Milliarden Euro, allerdings inklusive alternativer emissionsfreier Antriebstechnologien.

Im Mittelpunkt sollte die Eisenbahn stehen, findet Alstom-Manager Sprotte. „Die Schiene ist als Bindeglied für die Sektorkoppelung ideal. Hier können komplexe Versorgungsstrukturen aufgebaut werden, und die wären von Tag eins an wirtschaftlich.“

Bund sollte Netz mit Wasserstofftankstellen aufziehen

Koordination tut offenbar dringend not. Denn schon auf der Schiene besteht die Gefahr, dass die große Wasserstoffwelle verebbt. Der Bund finanziert das Schienennetz, für das der Staatskonzern Deutsche Bahn verantwortlich zeichnet, die 16 Bundesländer wiederum verantworten den Regionalverkehr auf ihrem Gebiet und beauftragen damit insgesamt 27 Verkehrsverbünde. Dazu kommen noch Dutzende von Eisenbahnbetrieben neben der Deutschen Bahn, die den Schienenpersonennahverkehr fahren.

In dieses kleinteilige Bild scheint eine Förderzusage zu passen, die das Bundesverkehrsministerium gerade der Niederbarnimer Eisenbahngesellschaft NEB gemacht hat. Mit dem Geld soll ausgerechnet die „Heidekrautbahn“ im Nordosten Berlins wasserstofftechnologisch aufgerüstet werden.

Doch der Eindruck täuscht. Dieses Projekt wird von Experten mit Interesse verfolgt, weil es ein Modellfall für regionale Sektorkoppelung wäre. Nicht weit von den Gleisanlagen der Kleinbahn entfernt steht ein Windpark, dessen Förderung ausläuft. Der könnte den nötigen Strom zur Produktion von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse liefern.

Mehr: Die Wasserstoff-Revolution aus der Provinz

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