Buchkritik Die Zeit der Katastrophen

Das Bild von 1941 zeigt Infanteristen, die während des Ostfeldzugs der Deutschen im Zweiten Weltkrieg helfen, die schweren Gefechtsfahrzeuge ihrer Züge in der litauischen Ortschaft Vilkija bergauf zu ziehen.
Düsseldorf Heinrich August Winkler hat wieder zugeschlagen. Und mit Macht. Nachdem er im ersten Band seiner „Geschichte des Westens“ für die Zeit von der Antike bis zum 20. Jahrhundert 1343 Seiten gebraucht hat, behandelt er im zweiten Band auf 1350 Seiten allein „Die Zeit der Weltkriege“, also die Jahre 1914 bis 1945.
So ist ein monumentales Werk entstanden, das seinesgleichen sucht. Es stellt allein vom Umfang her auch Winklers berühmte deutsche Geschichte in den Schatten, die unter dem Titel „Der lange Weg nach Westen“ erschienen ist.

Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914-1945. C. H. Beck, München 2011, 1350 Seiten, 39,95 Euro
Es gibt freilich einen gewichtigen Unterschied zwischen beiden Werken: „Der lange Weg nach Westen“ beschreibt die deutsche Geschichte entlang einer Grundthese, die unser Land auf einem langen Weg sieht, der mit der Wiedervereinigung endet. Die „Geschichte des Westens“ hingegen erzählt einfach: Detail für Detail, Episode für Episode, Region für Region.
So erfahren wir nicht nur, wie sich die großen Mächte in der Zeit der Weltkriege entwickelt haben, sondern zum Beispiel auch Länder des Baltikums oder Skandinaviens, und zusätzlich, wenngleich eher am Rande, die Kolonien. Spürbar ist hier der Wunsch, des Autors, die GANZE Geschichte zu erzählen.
Den Versuch einer übergreifenden Deutung dieser Zeit unternimmt Winkler erst im „Rückblick“, im letzten Kapitel, wo er auf die These eingeht, die gesamte Epoche als eine Art neuen 30-jährigen Krieg zu begreifen, in dem die 20er-Jahre dann eine nur scheinbar friedliche Zwischenzeit wären. Letztlich verwirft Winkler diese übergreifende These aber und ringt sich auch zu keiner anderen durch. Er bleibt der erzählende Historiker.
Ähnlich wie in seiner deutschen Geschichte legt Winkler wert auf eine nüchterne, abgewogene Analyse der Ereignisse. Ungewöhnliche Thesen sucht man bei ihm vergebens, dafür ist das große Bemühen spürbar, der Geschichte gerecht zu werden.
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