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Chef von Eurofins Scientific Wie Gilles Martin vom Weintester zum Milliardär wurde

Der Chef von Eurofins Scientific baute mit einem Patent seiner Eltern die Firma zu einer der weltgrößten Laborgruppen aus. Seit der Pandemie boomt sie.
21.09.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Sein Unternehmen hat von der Corona-Pandemie massiv profitiert. Quelle: Eurofins-Gruppe
Gilles Martin

Sein Unternehmen hat von der Corona-Pandemie massiv profitiert.

(Foto: Eurofins-Gruppe)

Paris Am Beginn der Wachstumsgeschichte von Eurofins Scientific stand eine ganz praktische Frage: Wie rein ist der Wein? Gérard und Maryvonne Martin, Forscher an der Universität im westfranzösischen Nantes, entwickelten ein Testverfahren, mit dem sie den Ursprung von Zucker im Wein nachweisen konnten. Ende der 1980er-Jahre baten sie ihren Sohn Gilles, mit dem Patent ein Geschäft aufzubauen.

Aus der Suche nach gepanschtem Bordeaux entwickelte sich ein Konzern mit Milliardenumsatz und mehr als 50.000 Mitarbeitern. Eurofins ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer in der Bioanalyse, die Bandbreite reicht von Lebensmitteltestungen über medizinische Tests bis zu forensischen Analysen für Kriminalermittler.

Seit dieser Woche wird das Unternehmen, das sich noch zu 36 Prozent in Familienbesitz befindet, im französischen Leitindex CAC 40 gehandelt. Firmenchef Gilles Martin spricht von einem „bedeutenden Meilenstein in der Geschichte unserer Gruppe“. Seit der Gründung des ersten Labors mit vier Angestellten in Nantes sei man zu einem der am schnellsten wachsenden Unternehmen in Europa geworden.

Die große Öffentlichkeit suchten die Martins nicht. Auch in Frankreich ist Eurofins weitgehend unbekannt. Dabei weist das Unternehmen eine Marktkapitalisierung von rund 24 Milliarden Euro auf – vergleichbar mit dem französischen Reifenkonzern Michelin. Das persönliche Vermögen von Gilles Martin beziffert das US-Magazin „Forbes“ auf mehr als fünf Milliarden Euro.

Martin studierte an einer Pariser Elitehochschule für Ingenieurwissenschaften, als er 1984 mit einem Freund sein erstes Unternehmen gründete: Objectif Maths, einen Nachhilfeanbieter für Schüler im Bereich Mathematik. In einem seiner seltenen Interviews sagte Martin dem französischen Wirtschaftsmagazin „Entreprendre“, er habe immer Unternehmer werden sollen. „Als ich 15 Jahre alt war, habe ich das bereits gewusst.“

Mit Firmenkäufen raus aus der Nische

An der Universität habe er dann mehr Zeit mit dem Aufbau seiner Firma als im Hörsaal verbracht. Während seines Promotionsstudiums in den USA erreichte Martin dann ein Angebot seiner Eltern: Ob er nicht nach Frankreich zurückkehren und ihre Erfindung kommerzialisieren wolle.

Mit der von Gérard und Maryvonne Martin entwickelten Methode lässt sich überprüfen, ob Wein während des Herstellungsprozesses Zucker zugesetzt wurde. Das Verfahren, das sich hinter der Abkürzung SNIF-NMR verbirgt, lässt sich auch bei anderen Lebensmitteln anwenden. Also weitete Gilles Martin das Angebot in den ersten Jahren von Eurofins beständig aus und testete auch Fruchtsäfte oder Gewürze auf die Echtheit.

Doch das Geschäft blieb in einer Nische. Also begann Martin in den 1990er -Jahren damit, auf andere Bereiche spezialisierte Laborfirmen aufzukaufen. Kapital beschaffte er sich mit einem Börsengang, das Unternehmen nahm aber auch hohe Schulden auf.

Zu Eurofins gehören heute mehr als 900 Labore in über 50 Ländern, darunter auch Deutschland. Einen ihrer größten Standorte hat die Gruppe in Hamburg-Harburg. Der Sitz des Unternehmens befindet sich mittlerweile in Luxemburg. Eurofins tritt nicht als zentralisierter Konzern auf, sondern als ein Laborverbund.

Die Ableger werden weitgehend eigenständig geführt, sind im Bereich der IT oder Logistik aber in eine einheitliche Infrastruktur eingebettet. „Eurofins hat sich die Seele eines Start-ups bewahrt“, sagt Bruno de La Rochebrochard, Analyst bei der Investmentbank Bryan, Garnier & Co. Das Unternehmen sei „agil“ und lasse seinen Wissenschaftlern viel Handlungsfreiheit.

Die aggressive Wachstumsstrategie ließ bei Investoren allerdings auch Zweifel entstehen. Vor zwei Jahren kritisierte der Hedgefonds ShadowFall in einer Analyse zu Eurofins die unübersichtlichen Strukturen des Unternehmens. Außerdem sei die Gruppe zunehmend überschuldet und bewege sich auf eine Liquiditätskrise zu. Der Aktienkurs brach vorübergehend ein. Eurofins wies die Darstellung des Hedgefonds entschieden zurück und witterte hinter den Vorwürfen den Versuch einer Kursmanipulation.

Eurofins ist einer der Corona-Gewinner

Wenige Monate nach der Kontroverse breitete sich das Coronavirus weltweit aus. Mit seinen Laboren und Testzentren gehört Eurofins zu den wirtschaftlichen Gewinnern der Pandemie. Nach eigenen Angaben verfügt die Gruppe über Testkapazitäten für mehr als 20 Millionen Menschen pro Monat. Auch in Deutschland baute Eurofins ein Netz von Teststationen auf, insbesondere für Reisende an Flughäfen, in der Nähe von Autobahnen und an Bahnhöfen.

Im vergangenen Jahr verdreifachte das Unternehmen seinen Gewinn. Für 2021 hob Eurofins die Ziele nach einem starken ersten Halbjahr weiter an: Das Unternehmen rechnet mit einem Umsatz von 6,15 Milliarden Euro und einem Überschuss von 1,7 Milliarden Euro. Allein aus den Corona-Tests erwartet Eurofins in einer konservativen Schätzung Einnahmen von gut einer Milliarde Euro.

Mit Blick auf neue Virusvarianten und die Entwicklung der Pandemie könne keine präzise Vorhersage gemacht werden, ein noch höherer Umsatz als derzeit prognostiziert sei in diesem Jahr aber durchaus möglich. Kritik von Anlegern ist jedenfalls nicht mehr zu vernehmen: Zu Beginn der Pandemie lag der Aktienkurs von Eurofins bei knapp 50 Euro, seitdem kletterte er auf über 120 Euro pro Anteilschein.

Firmenchef Martin macht allerdings deutlich, dass nicht nur die Pandemie für die gute Lage von Eurofins verantwortlich sei. „Die Perspektiven in fast allen unseren Geschäftsbereichen bleiben sehr solide“, sagte er. Ein Feld, in dem der Laborverbund besonders große Wachstumschancen sieht, sind DNA-Tests für die breite Bevölkerung. Die Nachfrage nach Erbgutanalysen wächst stetig, der Anwendungsbereich ist breit. Einige Menschen erforschen so den Stammbaum ihrer Familie, andere wollen genetische Risiken für Krankheiten abschätzen.

Ende Juni kündigte Eurofins an, das US-Unternehmen DNA Diagnostics Center übernehmen zu wollen. Die Firma ist einer der führenden Dienstleister bei der Erbgutanalyse. Eurofins-Chef Martin erklärte, mit dem neuesten Zukauf wolle man den Kunden eine „Testlösung für Fragen zu Gesundheit, Wellness und Genetik“ bieten.

Mehr: Boom durch Corona-Tests: Synlab will schnell an die Börse

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