Europäischer Erfinderpreis Der Lichtsammler

Mit seinem elektronisch tönbaren Glas hat der Franzose Maßstäbe gesetzt.
Berlin Man müsse, sagt Jean-Christophe Giron, das einfach selbst erlebt haben: In so einem Raum mit riesiger Fensterfront sitzen, deren Transparenz sich beliebig ändern lässt. Zwischen komplett klar und gänzlich verdunkelt ist alles machbar. „Die handlichen Modelle unseres Glases, die wir potentiellen Kunden geben, können niemals diesen Eindruck ersetzen“, erklärt Giron. Darum ist im neuen Gebäude des Unternehmens SageGlass im US-Bundesstaat Minnesota der Konferenzraum mit solch einer Fensterfront ausgestattet.
Giron hat die Technik entwickelt, die im Produkt SageGlass steckt. Was Giron erfunden und perfektioniert hat und wofür er jetzt für den Europäischen Erfinderpreis nominiert wurde, nennt sich elektrochromes Glas. Manche sprechen auch von intelligentem Glas, auch wenn das Glas selbst erst einmal ein ganz alltägliches ist. Einzigartig wird es durch die darauf aufgetragene Spezialbeschichtung: Insgesamt fünf Schichten, darunter elektrisch leitende und in der Mitte die entscheidende, elektrochrome Schicht. Zusammen sind sie fünfzig Mal so dünn wie ein menschliches Haar.
Wird an die anderen Schichten eine schwache elektrische Spannung angelegt, wandern Lithium-Ionen und Elektronen in die elektrochrome Schicht und verfärben sie. Innerhalb mehrerer Stunden würde dieser Effekt langsam verblassen. Daher ist hin und wieder ein zusätzlicher Spannungspuls nötig. Insgesamt aber ist der elektrische Verbrauch überschaubar: 150 Quadratmeter Glasfläche benötigen gerade einmal so viel Energie wie eine 60-Watt-Birne.
Und damit ist man beim nächsten Thema, das Giron am Herzen liegt: Energie sparen. Denn das bisschen Strom, den eine Fläche aus SageGlass benötigt, wird mehr als wettgemacht durch Energieeinsparungen an drei anderen Stellen: Heizung, Klimaanlage und künstliches Licht.
Derzeit gehen rund 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs auf das Konto von Gebäuden. Im Winter müssen Wohnungen und Häuser geheizt, im Sommer dagegen gekühlt. „Gerade hier in Minnesota scheint häufig die Sonne“, sagt Giron. So sind die Sommer heiß; die Winter aufgrund der Lage im Norden der USA jedoch kalt.
Architekten müssen sich also bisher entscheiden: Große, klare Fenster, so dass im Winter die Sonne das Gebäude aufheizen kann? Dann sitzt man im Sommer schwitzend im Glashaus. Also lieber kleinere oder verdunkelte Fensterflächen, dafür im Winter mehr heizen?
Girons Erfindung ermöglicht einen Mittelweg und damit beträchtliche Energieeinsparungen: Die innovative Glastechnik senkt den Energieverbrauch eines Gebäudes gegenüber der Verwendung herkömmlicher Glasfenster um bis zu 30 Prozent. Dabei ist SageGlass im passiven Zustand nur unmerklich weniger transparent als jede gewöhnliche Fensterscheibe. Wird es dagegen maximal verdunkelt, kommt nur noch ein Prozent Licht hindurch. „Dann kann man sogar direkt in die Sonne schauen, ohne dass es den Augen schadet,“ so Giron.
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