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Insight Innovation Richard Branson startet mit seinem Flug ins All das Zeitalter der Weltraumtouristen

Wenn der Unternehmer Sonntag ins All fliegt, steht fest: Neue Technologien und mehr Wettbewerb senken die Kosten der Raumfahrt dramatisch. Trotzdem bleiben Risiken.
09.07.2021 - 13:08 Uhr 1 Kommentar
Im Wettrennen um den ersten touristischen Weltraumflug hat der britische Milliardär die Nase vorn. Quelle: J. Brauckmann, Imago, Virgin Galactic, Blue Origin (M)
Richard Branson (l.) und Jeff Bezos

Im Wettrennen um den ersten touristischen Weltraumflug hat der britische Milliardär die Nase vorn.

(Foto: J. Brauckmann, Imago, Virgin Galactic, Blue Origin (M))

Düsseldorf, London Richard Branson will Geschichte schreiben. An diesem Sonntag fliegt der britische Milliardär vom Spaceport America, dem futuristischen Hub seines Raumfahrtunternehmens Virgin Galactic im US-Bundesstaat New Mexico, ins All. Es wäre der erste Weltraumflug, der von einem Privatunternehmen für Weltraumzivilisten durchgeführt wird.

Damit wird ein neues Kapitel der Raumfahrt aufgeschlagen. Nicht mehr wissenschaftlich-technische Erkenntnisse stehen im Vordergrund der Missionen, sondern der Tourismus. „Das ist eine neue Dimension“, sagt Stephan Hobe, Professor für Weltraumrecht in Köln.

Es geht Schlag auf Schlag. Nur neun Tage später fliegt Blue Origin mit Gründer Jeff Bezos und drei Passagieren ins Weltall, im September bietet Tesla-Chef Elon Musk mit seiner Firma Space X eine viertägige Erdumkreisung für Touristen an.

Nach Prognose der Investmentbank UBS werden Unternehmen 2030 mit Weltraumtourismus einen jährlichen Umsatz von drei Milliarden Dollar erwirtschaften. Dazu sollen noch 20 Milliarden Dollar durch Langstreckenflüge kommen. Dabei ersetzen Raumschiffe Flugzeuge; die Passagiere reisen durch suborbitale Höhen, um auf Strecken wie von Los Angeles nach Tokio oder Frankfurt nach Sao Paulo Zeit zu sparen.

Bei Richard Bransons Virgin Galactic kostet ein Flug 250.000 Dollar. Berühmtheiten wie Leonardo DiCaprio, Rihanna, Katy Perry oder Kate Winslet haben sich bereits Tickets gesichert. Sie zahlen viel Geld für rund vier Minuten in der Schwerelosigkeit. Angesichts der hohen Kosten der Raumfahrt wäre solch ein Preis aber vor Jahren noch undenkbar gewesen. Neue Technologie und mehr Wettbewerb senkten die Kosten dramatisch.

Gefahr der Raumkrankheit

Wer mit Neid auf reiche Weltraumtouristen schaut, der sollte sich die Risiken vor Augen halten. Trotz aller Testflüge sind die Systeme wenig erprobt. Virgin Galactic verwendet völlig neue Raumfahrttechnologie. Branson selbst spricht von einem „Kneif-mich-Moment“. „Ich freue mich seit 17 Jahren darauf“, sagte der 70-jährige Unternehmer diese Woche.

Lange Zeit versprach Branson einen Flug mit Touristen, der dann nie stattfand. Doch jetzt kann es nicht schnell genug gehen. Als Amazon-Gründer Bezos seinen Start für den 20. Juli ankündigte, setzte Branson den Erstflug neun Tage früher an. „Das stört mich“, sagt Ulrich Walter, Professor der Raumfahrttechnik an der TU München. „Die Technologie kann gar nicht so weit sein, wie er sie gern haben möchte.“

Was keine Technik verhindern kann: Die Touristen werden wohl keinen angenehmen Flug haben. „80 Prozent der Leute wird übel“, sagt Walter, der selbst Astronaut war und viele Simulationen in Schwerelosigkeit mitmachte.

Die meisten Menschen vertragen den plötzlichen Zustand der Schwerelosigkeit nicht gut, sie bekommen die Raumkrankheit. Manche müssten sich nicht übergeben, würden aber kreidebleich und sich nicht mehr bewegen, seien nicht mehr ansprechbar, berichtet Walter. „Übergeben ist besser, weil man sich danach besser fühlt.“

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Drei Männer in einer Bar in Marrakesch – so begann 1996 die Geschichte von Virgin Galactic. „Richard Branson und ich saßen mit Buzz Aldrin zusammen“, berichtet Will Whitehorn, bis 2010 Präsident der britischen Raumfahrtfirma. Aldrin hatte 1969 als zweiter Mensch den Mond betreten.

Branson, der sein Geld mit einer Plattenfirma und später einer Airline gemacht hat, habe den Apollo-Astronauten gefragt, warum die USA nie eine Rakete von einem Flugzeug aus gestartet hätten. Aldrin erklärte, die Nasa habe das früher in geheimen Tests gemacht. Seit dem Mondprogramm habe man aber auf den Start vom Boden gesetzt.

Acht Jahre später gründete Branson Virgin Galactic. Damals versprach Branson: In zwei bis drei Jahren wolle man die ersten erschwinglichen Weltraumtouristenflüge der Geschichte anbieten. Es war nicht das erste Versprechen, das nicht eingelöst wurde.

Abbremsen wie ein Badminton-Ball

Die technologische Idee von Virgin Galactic ist vom Prinzip her genial. Anders als die Firmen von Musk und Bezos, die auf konventionelle Raketenstarts setzen, kombiniert der Ansatz Elemente aus der Luft- und Raumfahrt auf eine Weise, die einen mehrfachen Einsatz ermöglicht und Kosten spart.

Statt von der Erde abzuheben, wird das Raumschiff vom Typ Spaceship Two mit einem Trägerflugzeug in die Luft gebracht und auf einer Höhe von 15 Kilometern ausgeklinkt. Das Raumschiff zündet erst dann seine Raketenmotoren, um die sechsköpfige Besatzung auf rund 88 Kilometer Höhe zu bringen.

Ein heikler Punkt der Mission ist das Ausfahren der sogenannten Federposition. Die Flügel des Raumschiffs werden ausgefahren, um die Rückkehr abzubremsen – ähnlich wie bei einem Badminton-Ball.

Die Technologie kombiniert Ansatz kombiniert Elemente aus der Luft- und Raumfahrtfahrt auf eine Weise, die einen mehrfachen Einsatz ermöglich und Kosten spart. Quelle: via REUTERS
„VSS Unity“ löst sich vom Trägerschiff

Die Technologie kombiniert Ansatz kombiniert Elemente aus der Luft- und Raumfahrtfahrt auf eine Weise, die einen mehrfachen Einsatz ermöglich und Kosten spart.

(Foto: via REUTERS)

Die Idee dazu stammt von dem Luftfahrtingenieur Burt Rutan, der schon viele Jahrzehnte mit unkonventionellen Flugzeugprototypen experimentiert hatte. Der Amerikaner erlangte 2005 mit seinem Global Flyer Weltruhm – das Experimentalflugzeug schaffte 2005 einen Nonstop-Flug um die Welt.

Die technischen Schwierigkeiten für Virgin Galactic waren größer als gedacht. Ein Tiefpunkt war das Jahr 2014. Bei einem Testflug löste der Ko-Pilot die Federposition zu früh aus, das Raumschiff „VSS Enterprise“ stürzte ab – nur der Pilot überlebte schwer verletzt.

Das neue Raumschiff „VSS Unity“ durchlief bislang erfolgreich zahlreiche Gleit- und Flugtests, den letzten im Mai 2021. Erst vor rund zwei Wochen erhielt Virgin Galactic die Erlaubnis der US-Luftfahrtbehörde für kommerzielle Flüge.

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Neben Branson sind am Sonntag fünf weitere Personen an Bord. Es ist das erste Mal, dass das Spaceship Two voll beladen abhebt. Bei früheren Testflügen waren maximal drei Personen an Bord. Niemand muss einen Helm tragen, die Kabine hat einen Druckausgleich und ist mit Sauerstoff gefüllt.

Die Passagiere mussten ein dreitägiges Training absolvieren, mit bescheidenen physischen Anforderungen. Die Belastungen im Flug sind nicht übermenschlich. Zwar muss man bei der Rückkehr eine Gravitationskraft von bis zu 6 G aushalten, die aber auch in Achterbahnen erreicht wird. Dazu wird sie nur zehn bis 15 Sekunden anhalten.

Passagiere sind technisch gesehen keine Astronauten

„Es wird einem höchstens schwarz vor Augen“, sagt Walter, „aber man verliert nicht das Bewusstsein.“ Er empfiehlt einen Astronautentrick: den Bauchmuskel drücken, sodass mehr Blut in den Kopf fließt und die Augen mit mehr Sauerstoff versorgt werden – schon ist der Blackout oder der Tunnelblick verschwunden.

Walter erhält derzeit viele Anfragen von Virgin Galactics Weltraumkunden. Gestellt würden immer wieder die gleichen zwei Fragen: Ist man nach dem Flug ein Astronaut? Die Antwort ist enttäuschend: Nein. Erst mit einer Erdumrundung gehört man laut der Association of Space Explorers offiziell dazu.

Noch schlimmer: Nach Definition des internationalen Luftsportverbands FAI fängt der Weltraum erst bei 100 Kilometer Höhe an, der sogenannten Kármán-Linie. Virgin Galactic bleibt mit 88 Kilometern darunter. Bransons Unternehmen beruft sich dagegen auf die Definition der USA, die als einziges Land der Welt die Grenze bei 50 Meilen oder 80 Kilometern setzt.

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Die zweite Frage, die Virgin-Galactic-Kunden dem Professor stellen: Was können sie dort oben sehen? Laut Walter wird der Ausblick großartig sein, die Erdkrümmung ist zu sehen, aber nicht die ganze Erde. Die Blickweite wird sich auf ungefähr 500 Kilometer belaufen. Branson wird also, wenn alles gut geht, sich am Sonntag die beiden US-Bundesstaaten New Mexico und Texas von oben anschauen können.

Sein Plan: In Zukunft sollen die Passagiere im Spaceport America einchecken wie auf einem gewöhnlichen Flughafen. Das Angebot an Flügen wird jedoch auf absehbare Zeit begrenzt bleiben, weil die Virgin-Flotte erst aus zwei Fliegern besteht. Obendrein können sie nur bei idealem Wetter abheben.

Die von Branson angepriesene „Demokratisierung des Weltraums“ wird noch auf sich warten lassen. Whitehorn meint, dass der Preis für die elfminütige Reise nicht so bald unter 250.000 Dollar fallen wird.

Mehr: In der Raumfahrt entsteht ein neuer Milliardenmarkt – auch in Deutschland.

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  • Weltraumtourismus ist mit heutiger Technik sicher eine der effizientesten Methoden zur Umweltbelastung und des Ressourcenverbrauchs. Zum Schaden unserer Erde und für den „Luxus“ einiger weniger.

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