Raumfahrt Die Ariane-6-Rakete sichert Europas Zukunft in der internationalen Raumfahrt

Die neue Trägerrakete ist die Zukunft der europäischen Raumfahrt.
Les Mureaux Zwischen der alten und der neuen Welt der europäischen Raumfahrt liegen 50 Höhenmeter. In Les Mureaux in der Nähe von Paris stehen sie nebeneinander: Die 70 Meter hohe „Kathedrale“, in der die Ariane 5 montiert wird, und der 21 Meter flache Neubau, in dem die Hauptstufe der Ariane 6 entsteht. Zum ersten Mal hat die Arianegroup, das Gemeinschaftsunternehmen von Airbus und Safran mit 9000 Mitarbeitern, jetzt Journalisten Zugang zu der Wiege des Newcomers gewährt.
Vor Ort spürt man die Sicherheits-Paranoia: Nicht einmal von außen darf das Gebäude fotografieret werden. Auf einer Fläche so groß wie vier Fußballfelder, gibt es Fertigungsstraßen für die Wasserstoff- und Sauerstofftanks, für den Antriebsschacht und die Endmontage.
Deutlich flacher geworden ist die neue Werkshalle, weil die Trägerrakete Ariane 6 nicht mehr senkrecht stehend, sondern horizontal zusammengebaut wird. „Damit erreichen wir einen Fertigungsfluss wie in einer Autofabrik, alle Mitarbeiter und Chefs haben Blickkontakt und die Arbeit ist deutlich ergonomischer“, sagt Cédric Liaume, Chef auf dem 22.000 Quadratmeter großen Werksgelände. Ausgelegt ist es für zwölf Raketen pro Jahr, doch Liaume lässt durchblicken, dass sich diese Rate deutlich steigern lasse, falls die Nachfrage da sei.
Schnellere und kostengünstigere Produktion, das war die Vorbedingung dafür, dass die europäische Raumfahrtbehörde ESA Ende 2014 grünes Licht für die Herstellung der Rakete gegeben hat, mit der Europa auch in Zukunft seine Präsenz in der internationalen Raumfahrt sichern will. 40 Prozent billiger als ihr Vorgängermodell muss Ariane 6 werden. Im Juli 2020 soll sich die mehr als 60 Meter große Rakete zum ersten Mal von der Abschussbasis in Guayana aus in den Himmel erheben.
Fünfeinhalb Jahre vom Auftrag bis zum ersten Start, das ist nicht nur für die Europäer eine Rekordzeit. In der Halle liegen die ersten Prototypen der 13 Meter langen Wasserstoff- und der kürzeren Sauerstofftanks aus Aluminium. Hinter einer fünf Tonnen schweren Stahltüre werden sie einem Drucktest ausgesetzt.
Aus allen 13 europäischen Teilnehmerländern laufen Teile in Les Mureaux und im Motorenwerk der Arianegroup im benachbarten Vernon zusammen. Das meiste kommt aus Bremen, Ottobrunn und Lampoldshausen, anderen wichtigen Standorten der Gruppe. Die Zersplitterung der Produktion ist ein Nachteil, wie der neue Chef der Arianegroup André-Hubert Roussel einräumt. „Europa ist noch nicht ehrgeizig genug, was die Raumfahrt angeht, aber dank der EU-Kommission setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Weltraum ein strategisches Thema ist.“
Ohne eigene Technologie für das All könnten die Europäer weder militärische Beobachtungs- noch zivile Wetter- und Kommunikationssatelliten in eine Umlaufbahn befördern. Zur ESA und den privaten Kunden hat sich ein neuer Raumfahrt-Auftraggeber gesellt: 20 Milliarden Euro wird die EU-Kommission an Forschungs- und Infrastrukturförderung aufbringen, 13 Milliarden Euro der Europäische Verteidigungsfonds für ein Netz von Beobachtungssatelliten und „Sicherheit im All“.
Die EU ist nicht mehr nur Agrarpolitik. In Les Mureaux und Vernon erlebt man ein Europa, das eindrucksvoll gut funktioniert. Ariane 6 wird ein Wunder der Vielseitigkeit, erläutert Motorenchef Philippe Girard: dank ihres wiederzündbaren Vinci-Triebwerks kann sie bis zu 100 Satelliten exakt platzieren. „Das spart dem Satellitenbetreiber Treibstoff und erhöht damit die Lebensdauer seines Geräts“, hebt Girard hervor.
Ein wichtiges Argument im Wettbewerb. Anders als die US-Konkurrenz von SpaceX müssen die europäischen Raketenbauer die Hälfte der Finanzierung privat sichern, weil es zu wenig staatliche Starts gibt. Der private Markt macht nur ungefähr 15 Prozent aller weltweiten Satelliten-Transporte aus, und ist hart umkämpft.
Dennoch verlieren die Europäer keine Marktanteile an die von der NASA subventionierte SpaceX. Mit nur zwei Fehlschlägen bei über 100 Starts ist die Ariane 5 die zuverlässigste Rakete der Geschichte.
Ariane 6 ist die Zukunft der europäischen Raumfahrt. Aber in Deutschland und Frankreich arbeitet man schon mit Hochdruck an Prometheus, einem völlig neuen Triebwerk. Das Ziel ist, Bauzeit und Kosten eines Triebwerks mit flüssigem Brennstoff auf ein Drittel zu senken. Dabei wird 3D-Druck-Technik stark eingesetzt. So entstehen komplexere Geräte aus weniger Bauteilen und viel schneller als mit klassischen Guss- und Umformtechniken.
Prometheus soll wiederverwendbar sein, auf effiziente Art, was bei SpaceX nicht der Fall ist. Die Arianegroup tüftelt an verschiedenen Techniken. Noch ist das Zukunftsmusik, genau wie eine unbemannte europäische Mondmission. Aber die Europäer wahren den Anschluss an die Technik. Und darauf kommt es an.
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