Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Smart City Toyota baut sich eine Stadt – „Woven City“ wird ein Freilandlabor für Mobilität

Akio Toyoda will den japanischen Autobauer in einen Mobilitätsanbieter verwandeln. Eine smarte Stadt soll Toyota helfen, rascher in neue Bereiche zu expandieren.
24.02.2021 - 15:31 Uhr Kommentieren
Der Toyota-Chef  baut mit seiner „Woven City“ eine nagelneue smarte Stadt. Quelle: AFP
Akio Toyoda

Der Toyota-Chef baut mit seiner „Woven City“ eine nagelneue smarte Stadt.

(Foto: AFP)

Tokio Schwarze Anzüge, weiße Handschuhe und rituelle Hacken aus Holz – unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit legte Toyota-Chef Akio Toyoda den Grundstein für die nächste Epoche des weltgrößten Autoherstellers. Auf dem Gelände einer ehemaligen Autofabrik am Fuße des Nationalbergs Fuji beginnt der Konzern gerade, eines der ambitioniertesten Smart-City-Projekte der Welt zu bauen.

Kurze Wege, gute Vernetzung, Energieeffizienz, Emissionsfreiheit, Roboter als Helfer, Shuttleverkehre, und das alles für ein überragendes neues Lebensgefühl – das sollen Smart Citys sein.

„Woven City“ wird Toyotas Ortschaft heißen, in der auf 70 Hektar mehr als 2000 Menschen und Forscher aus aller Welt am Fuße des majestätischen Vulkankegels das Leben der Zukunft ausprobieren sollen. Doch auch wenn die Feier wegen der Corona-Pandemie nur im kleinen Rahmen stattfand, stellte Toyoda die große Bedeutung der smarten Siedlung für seinen Konzern heraus: Die Stadt sei „ein lebendiges Labor“, das sich ständig weiterentwickele.

Toyota gibt damit mitten in der Coronakrise der Smart-City-Bewegung und seiner eigenen Transformation in einen Mobilitätskonzern neuen Schwung. Über 13.000 „Micro-City“-Projekte haben die Marktforscher von ABI Research weltweit gezählt, die die Städte der Zukunft ausprobieren wollen. Ein wichtiger Aspekt sind die 15-Minuten-Städte, in denen die wichtigsten Dinge des Alltags leicht zu Fuß zu erreichen sind.

„Covid-19 hat diesen Trend verstärkt“, sagt Dominique Bonte von ABI Research. Toyota addiert für ihn allerdings eine wichtige Dimension in dem globalen Denkprozess, der weltweit gerade Autohersteller bewegt: die Zukunft der Mobilität. Peter Harrop, Vorsitzender des Marktforschers IDTechEx, sieht das ebenso: „Ein einzigartiger Aspekt sind Toyotas Mehrzweckroboter-Shuttles e-Palette.“

Diese modularen, kastenförmigen Elektrovehikel sollen als rollende Läden, Büros, Arztpraxen, Bibliotheken, Schulbusse oder Restaurants dienen. Und Toyota will erproben, wie autonome Autos, Roboter und Menschen vollvernetzt und unfallfrei miteinander koexistieren. Gleichzeitig ist die Grundsteinlegung ein Hoffnungszeichen für die neuen städteplanerischen Visionäre. Denn in der Pandemie hat sich auch gezeigt, dass einige der urbanen Visionen bisher auf Sand gebaut wurden – oder Schlimmerem.

Toyotas Mehrzweckroboter-Shuttles sollen vielen Zwecken dienen. Quelle: Reuters
e-Palette

Toyotas Mehrzweckroboter-Shuttles sollen vielen Zwecken dienen.

(Foto: Reuters)

Giftige Rückstände im Boden des Projektgebiets bremsten den Plan des deutschen Automobilzulieferers Bosch, zusammen mit der FivePoint Holdings eine Smart Community in San Franciscos Stadtteil Hunters Point zu bauen. Google-Mutter Alphabet zog sich aus einem Smart-City-Projekt mit den kanadischen Sidewalk Labs zurück, das in Toronto auf zwölf Hektar geplant war, intelligente Fußwege inklusive. Denn die Bewohner wehrten sich, dem Internetriesen auf Schritt und Tritt Daten zu liefern.

Im Dezember 2020 stoppte dann der US-Netzwerkanlagenanbieter Cisco Systems vorerst sein Projekt Cisco Kinetic, das eine Art Steuerplattform für Städte anbot. Denn wegen der Pandemie fehlte den Kunden, zumeist Kommunen, nicht nur plötzlich Geld in den Kassen. Zudem wollen viele Lokalregierungen erst einmal abwarten, wie sich das Verhalten und das Verkehrsaufkommen der Bürger nach Monaten pandemischer Telearbeit verändern.

Doch Toyota hat sein eigenes Projekt in der Krise weiter vorangetrieben. Erleichtert wurde die Entscheidung sicherlich dadurch, dass der Konzern dank jahrelanger Reformen selbst in der Krise eine vergleichsweise hohe Gewinnmarge von 7,7 Prozent in den ersten neun Monaten seines bis März laufenden Bilanzjahres halten konnte.

Ein strategisches Projekt zur Neuerfindung Toyotas

Aber für Konzernchef Toyoda ist die Stadt ein strategisches Projekt, das neue Geschäftszweige jenseits von Autos erschließen soll. Dies zeigen schon der wichtigste Partner und die Struktur des Projekts: Der weltgrößte Autobauer hat sich sogar durch eine gegenseitige Kapitalbeteiligung mit dem japanischen Telekommunikations- und Datenkonzern NTT zusammengetan, um die datentechnische Plattform der Zukunftsstadt zu entwickeln und dann weltweit zu vermarkten.

Dies ist für den Smart-City-Experten Bonte ein wichtiger Schritt: Denn „Plattformen werden sehr wichtig werden“, sagt er.

Dabei geht es nicht nur um den Aufbau eines Internets der Dinge im urbanen Raum, über das beispielsweise der Verkehr verwaltet wird. „Das eigentliche Stadtmanagement wird auf der nächsten Plattformebene wohnen“, so der Experte: Im Rechnersystem entsteht Haus für Haus und Baum für Baum quasi ein digitaler Zwilling der Stadt.

In dieser virtuellen Kopie kann dann nicht nur der Verkehr visualisiert, sondern können auch Vorhaben simuliert werden, um Planungsprozesse zu beschleunigen und zu verbessern. „Das ist zwar derzeit noch weitgehend eine Vision“, erklärt Bonte. „Aber es wird ein Mittel, das die städtischen Daten sammelt“ und so anwendbar macht.

„Back to the roots“ als Weg in die Zukunft

Daher drängen auch schon diverse Konzerne wie Siemens, Frankreichs Dassault oder Microsoft in diesen Zukunftsmarkt. Und Toyota will vorn mitspielen, dies zeigt schon der Name der Stadt. „Woven“ erinnert nicht von ungefähr an den Ursprung Toyotas, einen Webstuhlhersteller (heute Toyota Industries), aus dem Toyota Motor 1937 ausgegründet wurde. 

Und Konzernchef Toyoda hat ausdrücklich erklärt, dass er nun wie sein Ur-Großvater einen neuen Toyota für die neue Epoche Künstlicher Intelligenz schaffen will. Als Keim der nächsten Generation hat Toyoda 2016 erst in Kalifornien das Toyota Research Institute auf Künstliche Intelligenz und Robotik angesetzt und dann 2018 in Tokio das Hightech-Start-up „Toyota Research Institute – Advanced Development“ (TRI-AD) gegründet.

Toyotas smarte Stadt wird auf einer Fläche von 70 Hektar gebaut. Quelle: AFP
Gelände der „Woven City“

Toyotas smarte Stadt wird auf einer Fläche von 70 Hektar gebaut.

(Foto: AFP)

Zuerst sollte es Künstliche Intelligenz aus Toyotas Grundlagenforschungszentrum TRI in Toyotas Autos übertragen. Nun wurde es in Woven Planet Holding umbenannt und ist für wichtige Zukunftsprojekte des Konzerns verantwortlich.

Neben autonomem Fahren entwickelt die Holding nicht nur offene Softwareplattformen für das Auto der Zukunft und hochpräzise 3D-Karten für Roboterautos, die sich selbst auf den neusten Stand bringen. Die Software-Einheit verantwortet auch den Bau der Stadt – und personell sogar die Zukunft des Konzerns.

Toyoda-Sohn Daisuke als Co-Bauherr

Der Holding-Chef James Kuffner, der früher Googles Roboterauto mit gestartet hatte, impft nun dem Autobauer als Chief Digital Officer im Toyota-Vorstand den Geist des Silicon Valleys ein. Gleichzeitig ist Toyoda-Sohn Daisuke als Vize-Präsident von Woven Planet für das väterliche Prestigeprojekt mit zuständig.

Der Junior lernt dabei, neue Wege zu gehen. Die Stadt ist schließlich nicht nur als Freilandlabor konzipiert, in der Toyota und seine Projektpartner neue Produkte, Dienste und Lebenskonzepte rasch auf ihre Markttauglichkeit testen. Der Konzern setzt auch auf globale „crowdgesourcte“ Kreativitätsausbrüche.

Auf der Internetseite Toyota Woven City (woven-city.global) können Interessenten ihre Ideen einreichen. Mehr als 3000 Vorschläge für Projekte und Partnerschaften sind schon eingegangen, teilte Woven Planet im Januar mit.

Den experimentellen Charakter des Projekts unterstrich der Bauherr auch bei der Wahl seines Architekten, des Dänen Bjarke Ingels. Der 46-Jährige hat in New York die 142 Meter hohe Wohnpyramide Via 57 West und gemeinsam mit Thomas Heatherwick Googles Hauptquartier in Mountain View entworfen.

Drei verschiedene Straßentypen – und Wasserstoff als Treiber

Er beschreibt Toyota Woven City als den ersten „urbanen Inkubator der Welt“. Die Idee ist, nicht nur Wohn- und Arbeitswelten zu vernetzen, sondern auch die Mobilität Roboterauto- wie fußgängerfreundlich zu gestalten.

Für sein Projekt hat Toyota den Star-Architekten verpflichten können. Quelle: AFP
Bjarke Ingels

Für sein Projekt hat Toyota den Star-Architekten verpflichten können.

(Foto: AFP)

So wird es drei Stufen von Verkehrswegen geben: Auf einigen Straßen werden die schnelleren autonomen Kraft- und Nutzfahrzeuge fahren, die Toyota unter dem Begriff e-Palette plant. Andere Straßen sind für Fahrräder sowie andere Formen des persönlichen Nahverkehrs. Abgerundet wird dies durch eine gemischte Zone für Fahrzeuge und Fußgänger sowie gänzlich für Fußgänger reservierte Refugien in Parks.

Im Untergrund fließen Daten, Strom, Wasser, Abwasser – und auch Wasserstoff. Denn die Stadt soll ihre Energie nicht nur aus Solarkraftwerken, sondern auch aus Brennstoffzellen gewinnen. Toyota ist einer der stärksten Förderer von Brennstoffzellen für Autos, Bussen und Lastwagen weltweit.

Aber Toyoda erklärte bei der Grundsteinlegung, dass es für ihn um mehr als Gewinn geht: „Gemeinsam mit der Unterstützung unserer Projektpartner werden wir die Herausforderung annehmen, eine Zukunft zu schaffen, in der Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund glücklich leben können“, kündigte der Autokonzern-Chef an. Da klang er so visionär wie Tesla-Gründer Elon Musk.

Mehr: Kampfansage an VW, Tesla und Google: Toyota will eigenes Betriebssystem entwickeln.

Startseite
Mehr zu: Smart City - Toyota baut sich eine Stadt – „Woven City“ wird ein Freilandlabor für Mobilität
0 Kommentare zu "Smart City: Toyota baut sich eine Stadt – „Woven City“ wird ein Freilandlabor für Mobilität"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%