Strategisches IT-Management Künstliche Intelligenz: Warum viele Unternehmen noch immer zögern

Die digitalen Möglichkeiten wachsen rasant. Künstliche Intelligenz könnte für viele Unternehmen einen deutlichen Produktivitätsschub bringen.
München Nur sehr selten klagen die Mitarbeiter in den Logistikzentren von DHL über mangelnde Bewegung. 80.000 Schritte am Tag seien ganz normal, meint Markus Voss, der Verantwortliche für IT und Tagesgeschäft der DHL-Sparte Supply Chain. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) optimiere die Post-Tochter inzwischen aber die Wege.
Wenn die Leute nur noch die Hälfte der Strecke zurücklegen müssten, sei das eine ganz erhebliche Erleichterung, so der Manager. Das gelinge zum Beispiel dadurch, die Waren intelligenter anzuordnen. Der Schlüssel dazu sei, Daten mithilfe von Algorithmen besser zu analysieren und zu nutzen. Das schone nicht nur die Gelenke der Beschäftigten, „es führt zu deutlich höherer Produktivität“, so Voss.
So wie der Bonner Logistikkonzern, so bedienen sich immer mehr Firmen der KI, um ihr Geschäft voranzubringen. Das zeigt sich auf der Handelsblatt-Tagung Strategisches IT-Management, die am Montag in München begann und noch bis Mittwoch dauert.
Der Pharmakonzern Pfizer etwa sieht Potenzial durch KI auf allen Stufen der Wertschöpfungskette, in Forschung und Entwicklung, Produktion und Vertrieb. Algorithmen helfen beispielsweise, für medizinische Studien die richtigen Teilnehmer zu finden – sie gleichen in einer großen Datenbank ab, welche Kandidaten die Kriterien am besten erfüllen. KI kann aber auch die Suche nach Wirkstoffen verkürzen oder die Diagnose seltener Erkrankungen erleichtern.
Bisher seien die Aktivitäten aber über die Organisation verteilt gewesen, berichtete Pfizer-Manager Thomas Kleine. Daher hat der Viagra-Hersteller ein zentrales „Center of Excellence“ eingerichtet. 40 bis 50 Mitarbeiter entwickeln Technologie, beobachten den Markt und arbeiten mit Partnern zusammen – „von der großen IBM bis zu Start-ups“, wie Kleine betonte. Neben dem Wissensaufbau sei die Vermittlung sehr wichtig: Mit Roadshows und Bootcamps sollen die Experten ihren eigenen Kollegen die Potenziale aufzeigen.
Bündel an Technologien
Was als KI wahrgenommen wird, ist eigentlich ein Bündel an Technologien wie Spracherkennung und Bildanalyse, Spieltheorie und maschinelles Lernen. „Wir bekommen keine allgemeine Intelligenz, die menschliche Probleme löst, das müssen wir selber tun“, sagte Professorin Jana Koehler vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Mit Abstraktion und Kontextverständnis tue sich die Technik noch schwer. Es gebe aber immer mehr Systeme, die in speziellen Gebieten „den Menschen ebenbürtig oder sogar überlegen“ seien und so neue Möglichkeiten erschlössen.
Für Unternehmen sei das eine gewaltige Chance, betonte Koehler, die am DFKI den Forschungsbereich „Algorithmic Business and Production“ leitet: Bisher sei es eine Domäne des Menschen, Vorhersagen zu treffen oder Situationen einzuschätzen – „aber da geht KI gut“.
Die Anwendungen sind vielfältig, wie eine Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little im Auftrag des Digitalverbands Eco zeigt. Das größte wirtschaftliche Potenzial sehen die Berater für Handel und Konsum, etwa durch die Verbesserung der Lieferketten. Auch Telekommunikation und IT, Gesundheitswesen und Chemie können immens profitieren.
Zähe interne Widerstände
Allerdings ist es nicht einfach, KI in den Unternehmen einzusetzen. Das ergab eine Online-Umfrage unter den Teilnehmern der Handelsblatt-Tagung am Montag. Nur 14 Prozent der Firmen setzen demnach KI bereits im täglichen Betrieb ein. Rund 60 Prozent sammeln noch Ideen oder erstellen Konzepte, der Rest arbeitet immerhin an Prototypen.
Das hat mehrere Gründe: So gebe es erheblichen internen Widerstand gegen KI, erklärten 40 Prozent in der Befragung der IT-Verantwortlichen; außerdem fehle es häufig an den nötigen Fähigkeiten, die Vorhaben umzusetzen. Wenn die Firmen KI einsetzen, dann hauptsächlich, um im eigenen Haus effizienter zu werden. Bei Produkten und Dienstleistungen hingegen nutzt nur ein Viertel der Manager KI.
Die Anwendung muss einfach sein
Dabei ist das Feld enorm breit, auf dem sich KI heute schon einsetzen lässt. Es gibt sogenannte Chatbots, die Kundenanfragen automatisch beantworten; Programme, die auf Röntgenbildern Anzeichen für Krebs selbstständig erkennen; Kameras, die ohne menschliches Zutun Fotos aufbessern; oder auch ganze Fabriken, die sich weitgehend selbst steuern können.
Der Versicherer Munich Re beispielsweise benutzt KI, um Satellitenfotos auszuwerten und so Schäden zu erkennen. „Je schneller wir wissen, ob etwas passiert ist, umso besser“, sagte Munich-Re-Technologieexperte Olaf Frank. Das sei viel einfacher, als etwa nach einem Hurrikan Inspektoren an den Ort der Katastrophe zu schicken.
Die Versicherungsindustrie hätte gar keine andere Wahl, als KI einzusetzen und dadurch effizienter zu werden oder neue Geschäftsmodelle aufzubauen, betonte Frank. Denn die Branche stehe vor einem großen Umbruch, an vielen Stellen breche „signifikant Geschäft weg“.
So zum Beispiel durch Technik, mit der Maschinen deutlich zuverlässiger arbeiten würden. Dazu trage etwa die vorausschauende Wartung bei, durch die Betriebsausfallversicherungen letztlich weniger attraktiv würden. Der Rückversicherer nutze KI auch, um den Kunden, also Versicherungen, neue Beratungsdienstleistungen anzubieten.
Unabhängig von der Branche hat DHL-Manager Voss einen Rat an alle Firmen: „Wenn Sie digitalisieren, versuchen Sie sich zu fokussieren. Versuchen Sie nicht, alles zu machen.“ Damit nicht genug. Die Software müsse nutzerfreundlich sein, die Beschäftigten sollten neue Programme einfach verstehen können.
Bei dem Logistiker habe sich das bewährt. So sei die Schulungszeit für neue Leute im Lager von ein, zwei Wochen auf einige Stunden geschrumpft. Bei jährlich 40 000 Neueinstellungen zahle sich das aus. Voss: „Sie können sich vorstellen, wie viel wir sparen, wenn wir es einfach machen.“
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