Technologie IBM hat einen neuen Superchip entwickelt – Warum auch Europa davon profitieren könnte

IBM hat als erster Hersteller weltweit Chips mit der Zwei-Nanometer-Technologie produziert.
München Der amerikanische IT-Konzern IBM hat einen Chip vorgestellt, der eine viermal so lange Akkulaufzeit ermöglicht wie die derzeit fortschrittlichsten Halbleiter. „Das ist ein bemerkenswerter Erfolg der Forschung“, sagt Forrester-Analyst Glenn O’Donnell.
Auf einem Chip von der Größe eines Fingernagels haben die Entwickler mit der sogenannten Zwei-Nanometer-Technologie 50 Milliarden Transistoren untergebracht. Das hat bislang noch niemand geschafft.
Es ist ein Meilenstein für die Chipindustrie, der auch Europa voranbringen könnte. Denn IBM arbeitet eng mit Intel zusammen, dem größten Halbleiterhersteller der Welt. Intel-Vorstandschef Pat Gelsinger kündigte jüngst an, auf dem europäischen Kontinent investieren zu wollen.
Die Chancen stehen gut, dass der Konzern die Produktion dann auf das wegweisende Zwei-Nanometer-Verfahren umstellen wird. „Wenn wir bauen, dann mit der neuesten Technologie“, sagt Intel-Manager Christian Anderka.
Das wäre ganz nach dem Geschmack von Thierry Breton: Der EU-Kommissar will Europa wieder zu einem Kraftzentrum der Chipindustrie machen – mit den modernsten Fabriken. Ein Vorhaben, das in der Halbleiterindustrie allerdings nicht unumstritten ist.
Das Maß aller Dinge in der Branche ist die Zahl der Transistoren auf einem Chip: je kleiner, desto besser. Auf den derzeit modernsten Chips finden fünf Nanometer große Transistoren Platz. Ein Nanometer entspricht dem millionsten Teil eines Zentimeters. Kleinere Transistoren verbrauchen weniger Strom, rechnen schneller und ermöglichen geringere Chipgrößen.

Zwei-Nanometer-Transistoren der neuen IBM-Chips unter dem Elektronenmikroskop. Auf einem Halbleiter befinden sich 50 Milliarden davon.
IBM zufolge haben die neuen, mit der Zwei-Nanometer-Technologie produzierten Chips eine um 45 Prozent höhere Leistung und einen um 75 Prozent niedrigeren Energieverbrauch als die heute verfügbaren Halbleiter mit der Sieben-Nanometer-Technologie. Dazu kommt: „Die Chips erzeugen nicht so viel Wärme“, erläutert Experte O’Donnell. Das heißt: Sie müssen nicht so stark gekühlt werden – das spart Strom. Die meisten Prozessoren, das Gehirn eines jeden Rechners, würden derzeit mit der Zehn-Nanometer-Technologie oder sogar noch größer gefertigt, sagt O’Donnell.
Die Chips mit weniger als zehn Nanometern stammen derzeit zu 90 Prozent aus Taiwan, der Rest aus Südkorea. Naturkatastrophen, internationale Konflikte oder ein Stromausfall könnten die Welt vom Nachschub dieser Chips abschneiden, warnen die Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) und der US-Branchenverband Sia in einer Studie.
EU-Kommissar Breton will deshalb bis 2030 die Produktion der nächsten Generation von Spitzenchips nach Europa holen. Er hat dabei den Bereich von unter fünf Nanometern bis zwei Nanometer im Blick – also jenes Feld, das IBM jetzt erschlossen hat.
Nur Intel drängt es nach Europa
„Wir wollen zu unserem früheren Marktanteil in der Produktion zurück, um die Anforderungen unserer Industrien erfüllen zu können“, sagt Breton. Die EU stellt derzeit nicht einmal zehn Prozent aller Chips weltweit her, verbraucht aber 20 Prozent. Der Franzose will dafür Milliarden an öffentlichen Geldern bereitstellen.
Dass Europa in den nächsten Jahren ein eigenes Verfahren entwickelt, halten Halbleiterexperten wie Christian Schuh von BCG für ausgeschlossen: „Wenn Europa ein Werk mit Zwei-Nanometer-Technologie aufbauen will, geht das nur mit einem der drei Großen, also Intel, TSMC oder Samsung. Denn die haben die Erfahrung.“
Intel und Samsung sind die beiden größten Halbleiterhersteller der Welt, TSMC ist der umsatzstärkste Auftragsfertiger. Die asiatischen Konzerne Samsung und TSMC zeigen jedoch kein Interesse, in Europa zu investieren. Intel dagegen schon: Derzeit rüstet das Unternehmen bereits seine europäischen Standorte in Irland und Israel auf die Sieben-Nanometer-Technologie auf. Darüber hinaus will Vorstandschef Gelsinger mehrere Werke auf dem europäischen Kontinent errichten.
Das neue Verfahren könnte Intel von IBM lizenzieren. IBM hat die Zwei-Nanometer-Technologie in seinem Forschungszentrum in Albany im US-Bundesstaat New York entwickelt. Zu den Partnern gehören Samsung und Intel. IBM ist zwar in der Forschung spitze, hat sich aber aus der Massenfertigung zurückgezogen.
Die Chemie zwischen den beiden Konzernlenkern scheint jedenfalls zu stimmen: Als Intel-Chef Pat Gelsinger Ende März seine neue Strategie vorstellte, hatte IBM-CEO Arvind Krishna einen Gastauftritt. „Ich bin begeistert von unseren Plänen, in der kritischen Spitzenforschung zusammenzuarbeiten, die die Entwicklung von Silizium- und Verpackungstechnologie vorantreiben wird“, sagte Krishna damals.
Experten streiten über richtige Chipstrategie für Europa
Forrester-Analyst O’Donnell mahnt aber Geduld an: „Das Verfahren in die Massenfertigung zu bringen wird noch Jahre dauern.“ Die gesamten Produktionsprozesse müssten umgestellt werden. Bislang funktioniere das nur im Labor.
Eine Fabrik mit Zwei-Nanometer-Technologie zu bauen wird zudem teuer. Gelsinger fordert milliardenschwere Subventionen. Pro Werk seien rund vier Milliarden Euro an öffentlichen Hilfen nötig. Zwei Fabriken müsse Intel mindestens an einem Standort errichten, um Größenvorteile nutzen zu können. Macht also acht Milliarden Euro vom Staat. Die beiden sogenannten Fabs würden insgesamt rund 20 Milliarden Euro kosten.
Angesichts dieser gewaltigen Summen empfehlen Experten, sich zumindest zu Beginn auf weniger fortschrittliche Werke zu fokussieren. Denn die europäischen Kunden benötigten die hochgezüchteten Chips derzeit gar nicht. „Wir meinen, dass sich Europa auf moderne, aber nicht die fortschrittlichste Technologie konzentrieren sollte“, sagte Helmut Gassel, Vertriebsvorstand von Infineon, vergangene Woche. „Es gibt kein Geschäftsmodell für solch eine Fab“, findet auch Jan-Peter Kleinhans, Chipexperte der Stiftung Neue Verantwortung. Das gehe am Bedarf vorbei.
Experte Schuh mahnt unterdessen, in Europa die Forschung stärker voranzutreiben: „Wieder einmal kommt ein technischer Durchbruch aus Amerika. Für Europa ist das ein Weckruf.“
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Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, wo die 1000 nm Technologie als Grenze des physikalisch Machbaren galt. So lange ist das noch nicht her. Unglaublich!