Zukunftsprojekte Zehn Ideen, die die Welt verändern werden

Traum von einer menschlichen Kolonie auf dem Mars.
Der rote Planet als letzter Ausweg
Faszination Mars. Hier wird die Zukunft der Menschheit entschieden. Eine Million Menschen will der Unternehmer Elon Musk, der neben seinen Weltallabenteuern vor allem wegen des von ihm zum Erfolg geführten Autobauers Tesla bekannt ist, dort absetzen. Aus der Utopie ist ein Wettrennen um die Besiedlung des roten Planeten geworden. Menschen dorthin zu befördern ist weniger das Problem als der Weg zurück zur Erde.
1938 brach noch Panik in der Bevölkerung aus. Damals waren in einem realistisch inszenierten Radio-Hörspiel nach H. G. Wells’ „Der Krieg der Welten“ Aliens vom Mars mit riesigen Kampfmaschinen angeblich auf dem Weg nach New York. 2015 haben die Menschen den Spieß umgedreht. Zahllose Menschen bewerben sich bereits um einen Platz im ersten bemannten Raumschiff. Gleichzeitig liefern die sieben aktiven Roboter-Autos, die von Sonden auf dem Mars abgesetzt wurden, von dort neue, überraschende Daten. „Unter bestimmten Umständen“, formulierte es Jim Green, Direktor für planetarische Wissenschaft bei der US-Weltraumorganisation Nasa, Ende September vorsichtig, „haben wir Wasser auf dem Mars entdeckt“. Wasser! Neben Sauerstoff das Elixier des Lebens. Ein weiterer Hinweis, dass es schon mal Leben auf dem Mars gegeben hat, bevor Sonnenstürme den Großteil der Atmosphäre ins All geblasen haben könnten.
Visionär Musk schlägt vor, die Pole des Mars mit Atombomben abzuschmelzen, damit gigantische Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid freigesetzt werden, was die Temperaturen anheben könnte. Eine Idee, die Wissenschaftler aber als abwegig verwerfen. Im besten Fall bekäme man einen warmen Planeten – radioaktiv aber schlimmer verseucht als Tschernobyl.
Aber Elon Musk lässt sich durch solche Bedenkenträger nicht entmutigen. Nur mit einer Kolonie von mindestens einer Million Menschen auf dem Mars wäre die Existenz der Menschheit gesichert, wenn auf der Erde etwas Katastrophales passieren würde. Den Beginn des Massenexodus könnte noch diese Generation erleben, orakelt er. Musk träumt schon von Großraumtransportern für 100 Kolonialisten auf einmal. Der Mars als Rückversicherung der Menschheit.
Das hört sich an wie eine krude Mischung aus Star Treck, Star Wars und Start-up. Aber wenn Musk so etwas sagt, hört man zumindest zu. Zumal er nicht allein ist mit seinen Visionen. US-Präsident Barack Obama hat 2010 offiziell Amerikas Ambitionen verkündet, 2030 Menschen auf den Mars zu bringen. Das Training hat schon begonnen. Unter einer hermetisch von der Außenwelt abgeschiedenen Kuppel mit elf Meter Durchmesser und sechs Meter Höhe auf Hawaii sind seit August drei Männer und drei Frauen eingeschlossen. Darunter die deutsche Wissenschaftlerin Christiane Heinicke. Ein Jahr lang werden die Teilnehmer hier hocken und ein Leben auf dem Mars simulieren. Wenn sie die Station überhaupt einmal verlassen dürfen, dann nur in voller Raumfahrtausrüstung im Druckanzug.
Die Nasa selbst schreibt zum ersten Mal seit 2011 wieder neue Arbeitsplätze als Astronaut aus. Bis Mitte Februar 2016 werden Bewerbungen angenommen. Charles Bolden, Verwaltungschef der Weltraumbehörde, machte klar, dass die Neulinge an Projekten arbeiten werden, die die Mars-Landung vorbereiten.
Wagemutige Pioniere dorthin zu schießen, das wäre schon heute technisch möglich. Der Rückflug ist das Problem, für den der gesamte Treib- und Sauerstoff mitgeführt werden muss. Das kontrovers diskutierte Projekt „Mars One“ aus den Niederlanden will daher 2026 Kolonisten in der unwirtlichen Hölle absetzen – mit der Gewissheit, dass sie niemand mehr zurückholen wird. Sie werden dort leben und irgendwann dort sterben. Das wiederum wollen Nasa und Musk nicht. Sie träumen von einem Linienverkehr zwischen den Welten. Ein Schlüssel dafür ist eine Weiterentwicklung der Sauerstoffgewinnung. Daran arbeitet Michael Hecht am Massachusetts Institute of Technology. Sein „Mars Oxygen In Situ Resource Utilization Experiment“ (Moxie) ist Teil des fast zwei Milliarden Dollar schweren Nasa-Programms „Mars 2020“. Moxie wird Sauerstoff aus dem auf dem Mars vorhandenen Kohlendioxid produzieren. Der Sauerstoff wird nicht nur zum Atmen gebraucht, sondern auch, um den Raketentreibstoff zu verbrennen, mit dem die Rückkehr zur Erde gelingen soll. Gezündet werden könnten die Triebwerke im Raumtransporter CST-100 Starliner, den Boeing entwickelt, oder der „Crew Dragon“ genannten Raumkapsel von Musks Raketenfirma Space X. Auch die Nasa baut an einem eigenen Raumschiff, der Orion.
Christiane Heinicke bloggt derweil von ihrem Leben auf dem „Mars auf Hawaii“. Eine einfache Anweisung von der Erde kommt per Funk mit bis zu 20 Minuten Verzögerung an. So wäre es auch in der Realität. Die Antwort ans Kontrollzentrum braucht genauso lang. An spontane Telefonate ist nicht zu denken. Nach dem Eintippen einer Webadresse im Computer beginnt nach fast einer Dreiviertelstunde der Seitenaufbau. Auf dem Mars ist das Internet noch lahmer als in der deutschen Provinz.
Wissenschaftlerin Heinicke arbeitet an einem Projekt, um aus Lavagestein, wie es auch auf dem Mars zu finden ist, Wasser zu gewinnen. 317 Milliliter hat sie bereits geschöpft. Ein Erfolg. Aber natürlich nicht genug. Geht den Kolonialisten das Wasser aus, wäre das Experiment von Hawaii gescheitert. Auf dem Mars droht ohne Wasser der Tod. Es sei denn, es gibt jenes fließende Wasser im Untergrund, das die Nasa verspricht.
Was sich auf Hawaii nicht simulieren lässt, sind die Strapazen der Schwerelosigkeit, die eine Marsreise zwangsläufig mit sich bringt. Die Astronauten Scott Kelly aus den USA und Mikhail Kornienko aus Russland werden ein ganzes Jahr mit der Raumstation ISS um die Erde kreisen. Ein Rekord, der Wissen darüber liefert, was lang dauernde Schwerelosigkeit im menschlichen Körper anrichtet.
Der Mars hat nichts von seiner Faszination eingebüßt, seit Arnold Schwarzenegger im Science-Fiction-Thriller „Total Recall“ kurz und knapp seine einzige Rettungschance umriss: „Ok, here’s the plan. Get your ass to Mars.“
Besser hätte es Elon Musk auch nicht formulieren können. Axel Postinett
Realisierungschance: 2 von 5 Sternen
Gesellschaftliche Relevanz: 4 von 5 Sternen