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Fahrbericht High-Tech-Fahrrad mit Tuning-Modus – Vanmoof-Räder im Test

Die Pandemie beschert E-Bike-Herstellern eine gigantische Nachfrage. Im Handelsblatt-Test überzeugen X3 und S3 von Vanmoof als nützliche Alltagsräder.
16.09.2020 - 12:59 Uhr 1 Kommentar
Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, dass es sich hier um E-Bikes handelt. Quelle: Vanmoof
Vanmoof X3

Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, dass es sich hier um E-Bikes handelt.

(Foto: Vanmoof)

Bonn Krisenzeiten sind schlechte Zeiten? Für Fahrradhersteller ist das Gegenteil der Fall: 2020 ist das Jahr, in dem die Corona-Pandemie zum Katalysator eines gigantischen Zweiradbooms geworden ist. Nie wurden so viele Räder verkauft.

Um sich vor einer möglichen Infektion im öffentlichen Nahverkehr zu schützen, radeln viele Menschen inzwischen zur Arbeit. Hinzu kommen die nach wie vor begrenzten Reisemöglichkeiten, die den Urlaub im eigenen Land und damit auch den Trend zum Fahrrad verstärken. Schon in den Vorjahren waren E-Bikes und Pedelecs gefragt. Die Nachfrage ist derzeit so groß, dass einige Firmen in Lieferengpässe geraten sind und Kunden wochenlang auf ihr neues Fahrrad warten müssen.

Besonders gefragt ist gerade der niederländische Hersteller Vanmoof – die schlanken, stylischen und elektrisch unterstützten Urban Bikes sind vor allem bei Großstädtern extrem beliebt. Das Besondere an den Rädern: Sie verfügen über einen integrierten GPS-Sensor. Damit können sie von den hauseigenen Fahrradjägern, die Vanmoof beschäftigt, leicht geortet und dem Besitzer nach einem Diebstahl zurückgebracht werden.

Die Coronakrise hat vor allem für einen Ansturm auf die zwei elektrisch angetriebenen Modelle S3 und X3 gesorgt. Seit Monaten gehen die Umsätze nach oben, für das aktuelle Geschäftsjahr rechnen die Niederländer mit einem Wachstum von 323 Prozent.

Was ist dran an den stylischen Fahrrädern? Lohnt es sich, dafür 1998 Euro zu investieren? Wir haben das neue X3-Modell getestet – und hatten auch den Vorgänger S2 für ein paar Tage zur Verfügung.

Die Optik

Man sieht den Fahrrädern an, dass die beiden Gründer, Taco und Ties Carlier, bekennende Apple-Fans sind. Auf den ersten Blick ist noch nicht einmal zu erkennen, dass es sich hier um E-Bikes handelt, weil der Motor elegant im Vorderrad integriert wurde. Das Design ist schlicht, der Rahmen aus einem Guss und überzeugt mit einer guten Verarbeitung. Die Räder sind mit hydraulischen Scheibenbremsen, Schutzblechen, Lichtanlage und Seitenständer für den Alltag ausreichend gerüstet.

Auch das „Unboxing“ samt dem dazugehörigen stylischen Werkzeug haben die Gründer-Brüder, ähnlich wie Apple, als Erlebnis kreiert – auch wenn es nicht ganz so leicht ist, allein das 19 kg-schwere Rad aus dem Karton zu hieven. Wenn Sie jetzt denken: „19 kg sind aber schwer ...“, lassen Sie sich gesagt sein, dass das Vanmoof damit noch eines der leichteren Pedelecs ist, die es im Moment auf dem Markt gibt. Modelle anderer Hersteller können locker mal bis zu 28 kg auf die Waage bringen.

Zur Serienausstattung gehören nicht nur Schutzbleche und LED-Lampen, sondern auch ein stabiler Seitenständer. Quelle: Carina Kontio
Guter Stand

Zur Serienausstattung gehören nicht nur Schutzbleche und LED-Lampen, sondern auch ein stabiler Seitenständer.

(Foto: Carina Kontio)

Was mir besonders gut gefällt, sind die im Rahmen verbauten LED-Leuchten – Langfinger gehen hier leer aus. Punktabzug gibt es aber dafür, dass das Licht beim Abbiegen nicht mit um die Kurve leuchtet, weil es nicht mit der Lenkergabel verbaut, sondern Teil des Oberrohrs ist.

Zur Ausstattung gehört auch eine App, denn die Carlier-Brüder haben ihre Räder digital vernetzt. Darüber lassen sich individuelle Einstellungen vornehmen, etwa der Klingelton, die Lichtautomatik oder ob sich das Schloss automatisch per Bluetooth öffnen soll, wenn ich nah genug mit meinem Handy dran bin. Alternativ lässt sich das Rad aber auch mit einer Art Morsecode über eine kleine Drucktaste am Lenker öffnen (erfordert allerdings etwas Übung), falls einem mal beim Smartphone der Saft ausgeht oder man es schlicht vergessen hat.

Einsatzgebiet

Das X3 verzichtet auf eine Schaltung, weshalb es sich vor allem für den Einsatz in flachen Städten eignet. Gleichwohl bietet das Rad vier automatische Unterstützungsstufen (zwei mehr als noch beim Vorgängermodell), was sich im Einsatz sehr angenehm anfühlt und selbst auf hügeligem Terrain geschmeidig funktioniert. Wer will, kann hier via App noch mal die Gangschaltmomente variieren. Heißt: Ich kann wählen, bei wie viel km/h in den nächsten Gang geschaltet werden soll.

Das Gute am X3: Im Gegensatz zum großen Bruder S3 hat das kleinere Bike einen vorderen Gepäckträger, was den Alltagsnutzen deutlich erhöht. Damit lassen sich locker kleinere Einkäufe oder die Arbeitstasche transportieren, die mit zwei starken Gummiriemen fixiert werden. Für einen Ausflug ins Gelände sind beide Modelle wegen der fehlenden Federung allerdings eher ungeeignet.

Einfache Einkäufe und Taschen lassen sich dank der Befestigungsgummies gut und sicher transportieren. Quelle: Carina Kontio
X3 beladen mit Gepäck

Einfache Einkäufe und Taschen lassen sich dank der Befestigungsgummies gut und sicher transportieren.

(Foto: Carina Kontio)

Fahrverhalten und Komfort

Einmal sanft in die Pedale getreten, schon setzt sich das E-Bike in Bewegung. Der Motor unterstützt kraftvoll, die Sitzposition ist angenehm durch den komfortablen Sattel und den breiten Lenker.

Vor allem fühlt sich das X3 sehr wendig an und punktet mit seiner guten und sehr leisen Fahrweise. Auch wenn es vorn mit Gepäck beladen ist, fährt das Rad stabil und flink – und die hydraulischen Bremsen sind kräftig und gut dosierbar.

Insgesamt machen beide Modelle einen sehr sicheren und robusten Eindruck. Persönlich finde ich die kreuzförmige Rahmenkonstruktion beim X3 praktischer, weil sie das Auf- und Absteigen leichter, schneller und sicherer macht. Über das auf dem Oberrohr integrierte Matrix-Display wird mir während der Fahrt die Geschwindigkeit anzeigt. Außerdem kann ich darauf den Akkustand ablesen, was sehr praktisch ist, aber deutlich erschwert wird, wenn die Sonne direkt auf das Display knallt.

Kleiner Nachteil: Der Sattel lässt sich nicht in der Neigung verstellen, ebenso wie der Lenker. Daher sollte man unbedingt vor dem Kauf eine ausgiebige Probefahrt vereinbaren.

Das mitgelieferte Netzteil (48 Volt, 4 Ampere) braucht für eine vollständige Ladung etwa vier Stunden. Quelle: Carina Kontio
Ladekabel und Zubehör

Das mitgelieferte Netzteil (48 Volt, 4 Ampere) braucht für eine vollständige Ladung etwa vier Stunden.

(Foto: Carina Kontio)

Akku und Reichweite

Der Akku mit 504 Wattstunden brachte bei einigen Testfahrten auf überwiegend gerader Strecke zwischen 60 und 150 Kilometer – je nachdem, wie oft man den zweiten Druckknopf am Lenker betätigt, der eine Boost-Funktion aktiviert, die bei Zwischensprints ein sehr spritziges und schnelles Beschleunigen erlaubt. Wer weit kommen will, sollte mit dem Zauber-Knopf also sparsam umgehen und ihn erst aktivieren, wenn es wirklich anstrengend wird.

Geht der Akku zur Neige, schaltet sich die elektronische Unterstützung bei etwa sieben Prozent Restladung aus. Aber keine Sorge: Das Fahrrad lässt sich dann auch noch angenehm fahren – außerdem können Sie so etwas mehr für die Fitness tun.

Clever gelöst: Die Ladebuchse versteckt sich im Oberrohr. Zum Aufladen des Akkus muss man eine Silikonkappe abnehmen, hinter der sich die Anschlussbuchse für das Ladegerät verbirgt. Mit mehr als vier Stunden lädt der Akku allerdings nicht ganz so schnell, das können andere Hersteller besser und sogar unter drei Stunden.

Minuspunkte bekommt Vanmoof dafür, dass der Akku zum Aufladen nicht aus dem Rahmen herausgenommen werden kann. Wer wie ich eine Steckdose im Fahrradkeller hat, kann sich glücklich schätzen. Ansonsten dürfte es gerade für Stadtbewohner in Häusern mit mehreren Etagen und ohne Aufzug nicht mehr ganz so praktisch sein.

Die hydraulischen Scheibenbremsen leisten hervorragende Arbeit, das X3 kommt schnell zum Stehen. Gelb umrandet die Kick-Lock-Verriegelung. Quelle: Vanmoof
Bremst schnell

Die hydraulischen Scheibenbremsen leisten hervorragende Arbeit, das X3 kommt schnell zum Stehen. Gelb umrandet die Kick-Lock-Verriegelung.

(Foto: Vanmoof)

Diebstahlschutz

Eines der größten Probleme für Fahrradbesitzer in einer Großstadt: Fahrradklau, vor allem bei modernen und teuren Modellen. Pro Jahr verschwinden in Deutschland etwa 300.000 Räder.

Bei Vanmoof haben die Bikes deswegen ein ganz eigenes Sicherheitskonzept. Mit einem Kick-Lock an der Hinterachse, das mit dem Fuß geschlossen wird, schiebt sich ein Bolzen in die Speichen und blockiert das Hinterrad. Gleichzeitig wird damit das Alarmsystem aktiviert. Macht sich jemand an dem Rad zu schaffen, ertönt ein schriller Alarm, und auf dem Matrix-Display erscheint ein animierter Totenkopf.

Wird das Rad dann nicht sofort wieder abgestellt, bekomme ich auf meinem Handy eine Push-Nachricht, womit gleichzeitig der interne Mobilfunkchip im Rahmen aktiviert wird. Dadurch können die Bikejäger von Vanmoof das Fahrrad orten. Sie bringen dann das Rad – in bislang 70 bis 80 Prozent der Fälle – seinem Besitzer wieder zurück. Zum Vergleich: Die Quote der Polizei liegt bei unter zehn Prozent.

Finden die Fahrradjäger es nicht innerhalb von zwei Wochen, bekomme ich ein nagelneues  Fahrrad. Allerdings muss ich für diesen Service eine zusätzliche Diebstahlversicherung über drei Jahre abschließen. Kostenpunkt: 290 Euro.

Im Testzeitraum wurde mir das X3 einmal geklaut – na ja, zumindest glaubte ich das, denn in Wirklichkeit hatte es nur der Hausmeister vorm Gebäudeeingang weggenommen und in seinen unterkellerten Verschlag getragen. Die Suche via Smartphone gestaltete sich dann etwas mühsam, weil mir in der App zunächst ein ganz anderer Standort angezeigt wurde – das war der Supermarktparkplatz, auf dem ich tags zuvor das Rad abgestellt hatte.

Immerhin gute drei Kilometer von meinem Zuhause entfernt! Ich habe dort dann über eine Stunde lang jeden Hinterhof und auch den kleinsten Winkel abgesucht – sogar ein Polizeibeamter, den ich zufällig getroffen habe, half mir bei der Suche. Er erklärte mir dann aber auch gleich den Haken an der schönen Ortungsfunktion.

Denn: Selbst wenn die App vor einem Keller oder einer Garage anschlägt, dürfte ich auf gar keinen Fall auf eigene Faust dort eindringen und mir mein Fahrrad wiederholen – das ist strafbar und kann obendrein zu unschönen Begegnungen führen. Sogar die Polizei darf sich nicht ohne Weiteres Zutritt zu Privaträumen verschaffen. Also besser gleich den Bikejäger bestellen, denn Vanmoof versucht, so eng wie möglich mit der Polizei zu kooperieren.

Geschwindigkeit

250 Watt leistet der Motor in der Einstellung für den europäischen Markt und nach Gesetzesvorgabe setzt die Tretunterstützung bei höheren Geschwindigkeiten aus – gäbe es da nicht den Boost-Button, der mich im Test schwer beeindruckt hat.

Sobald ich den Knopf drücke, hänge ich mit 500 Watt alle anderen Radfahrer locker ab – bergauf, beim Überholen und an der Ampel. Das macht einen tierischen Spaß, der sich sogar unerlaubterweise noch mal erhöhen lässt.

Denn: In der Vanmoof-App kann ich selber festlegen, ob mein Bike in Europa oder den USA gefahren wird, wo E-Bikes schneller fahren dürfen als hier. Der Reiz ist natürlich so groß, dass ich mit nur einem Klick schon auf der ersten Testfahrt auf USA umgestellt habe und locker auf eine Geschwindigkeit von 32 km/h gekommen bin.

Doch mit dem smarten High-Tech-Tuning manövriere ich mich rechtlich in ernsthafte Schwierigkeiten, wenn es zu einem Unfall kommt, da das in Deutschland nicht erlaubt ist. Man sollte sich also gut überlegen, ob man die US-Version aktiviert.

Auch Vanmoof rät vom Gebrauch des US-Tunings in der App deutlich ab. Wer es trotzdem nicht sein lassen kann, sollte sich direkt schon mal ein sehr dickes Sparkonto anlegen, weil einem die eigene Haftpflicht- und Unfallversicherung im Schadensfall wohl die Tür vor der Nase zuschlagen wird – und das kann richtig teuer werden.

Fazit

Während viele andere Fahrradhersteller doch eher ein langweiliges, teilweise altbackenes Image haben und mit einem zweckmäßigen Design daherkommen, zeigt Vanmoof, dass es auch anders geht. Die beiden urbanen Modelle der Niederländer sind nützliche Alltags- und Stadträder, also Bikes, die nicht für spezialisierte Sportarten wie Rennradfahren oder Mountainbiken entwickelt wurden.

Berufspendler, die ein robustes und gleichzeitig stylisches Fortbewegungsmittel als Alternative zum Auto in der Großstadt suchen, sind hier an der richtigen Adresse. Vor allem wenn man bei hochsommerlichen Temperaturen jenseits der 30 Grad unverschwitzt von A nach B kommen will. Es ist allerdings gerade in Kombination mit der App ein High-Tech-Rad und daher mehr für junge, technikaffine Fahrer geeignet als die Generation 60 plus.

Auch preislich kann Vanmoof punkten: Mit knapp unter 2000 Euro bezahlt man für ein E-Bike deutlich weniger als bei der Konkurrenz. Das liegt daran, dass Vanmoof auch alle Komponenten und Einzelteile selber herstellt und sie nicht bei verschiedenen Herstellern zukaufen muss. Was den Preis außerdem niedriger macht: Vanmoof verkauft über eigene Stores und vor allem über den Online-Shop.

Überzeugt hat mich auch die Tatsache, dass man das Fahrrad wiederfinden kann, wenn es gestohlen wurde, und dass es sich automatisch aufschließt, wenn ich in der Nähe bin. Nur wer keinen eigenen Radkeller mit Steckdose hat und das Bike zum Laden – schmutzig, wie es ist – über mehrere Etagen durch das Treppenhaus schleppen müsste, sollte sich besser woanders umschauen.

Mehr: Wie diese zwei Gründer vom E-Bike-Boom profitieren.

Fünf Tipps für den E-Bike-Kauf.

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1 Kommentar zu "Fahrbericht : High-Tech-Fahrrad mit Tuning-Modus – Vanmoof-Räder im Test"

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  • Klingt in der Theorie alles sehr gut (Marketing ist auch sehr innovativ und ansprechend), leider ist die Verarbeitung und der Kundenservice eine Katastrophe. Anscheinend nicht mit dem (Umsatz-)Wachstum weiterentwickelt worden.

    In Amsterdam lebend (wo es wahrscheinlich so viele VanMoof wie sonst nirgendwo gibt), kann ich die Marke generell als VanMoof-Kunde leider nicht empfehlen. Lange Antwortzeiten (> 4 Wochen) und qualitativ minderwertige Teile sprechen dagegen. Zumal viele Bauteile nicht kompatibel mit normalem Equipment sind (analog zu Apple), das verspricht hohe Zahlungen and VanMoof nach Ablauf der Garantie.

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