Standards der Industrie 4.0: Eine neue Sprache für Maschinen
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Standards der Industrie 4.0Eine neue Sprache für Maschinen
Mit internationalen Kooperationen wollen Verbände technische Normen für die Vernetzung von Industriebetrieben etablieren. Doch die einheitliche Sprache der Maschinen hat ihre Tücken.
FreibergFür Privatnutzer ist es selbstverständlich: Der USB-Stick passt an den Fernseher, das Mobiltelefon lässt sich per Bluetooth mit dem Autoradio verbinden. Doch das funktioniert nur, weil sich die Hersteller auf gemeinsame Schnittstellen verständigt haben und auf Regeln, wie die Geräte miteinander kommunizieren sollen. Schwieriger wird es, wenn Maschinen, Produktteile und Computer vernetzt werden sollen. Da müssen neue Standards her. Die fehlen noch. Der „Deutsche Industrie 4.0 Index“, eine Umfrage der Unternehmensberatung Staufen, ergab: Mehr als die Hälfte der befragten 179 Industriefirmen sieht es als Hindernis auf dem Weg zur vernetzten Produktion, dass es keine Standards gibt.
Der Weg zur Industrie 4.0
Alles begann mit der Dampfmaschine. Sie gab der Industrialisierung den entscheidenden Schub. In den Fabriken war man plötzlich weniger abhängig von menschlicher Muskelkraft. Mechanische Produktionsanlagen fertigten Waren schneller und in größerer Stückzahl als bisher. Als Stichtag gilt der erste mechanische Webstuhl in einer Fabrik im Jahr 1784.
Auf diese erste industrielle Revolution folgten weitere Entwicklungssprünge, jeder ausgelöst durch technologische Fortschritte. So ermöglichte die elektrische Energie Anfang des 20. Jahrhunderts die arbeitsteilige Massenproduktion. Im Jahr 1870 liefen die ersten Fließbänder in den Schlachthöfen von Cincinnati an.
Zu Beginn der 1970er-Jahre zogen Elektronik und Informationstechnologien in die Fabriken ein und sorgten für eine Automatisierung der Produktionsprozesse. Maschinen übernahmen Arbeitsschritte, die zuvor per Hand erledigt worden waren. In dieser dritten Phase des Industrialisierungsprozesses befinden wir uns auch heute noch – und stehen an der Schwelle zur Industrie 4.0.
Angestoßen wird diese vierte Stufe der industriellen Revolution wieder durch technologischen Fortschritt: Die gesamte Produktionslogik wandelt sich, in der Industrie 4.0 verschmelzen die physikalische und virtuelle Welt. Am Ende steht die vernetzte Fabrik und eine zunehmend autonome Produktions- und Logistikkette, mit Maschinen, Geräten und Produkten, die scheinbar selbstständig arbeiten.
Zur Hannover Messe haben Industrieverbände jetzt das Standardization Council Industrie 4.0 gegründet. Ziel dieser Normungsinitiative: Man will die noch bestehenden Branchengrenzen zwischen Elektrotechnik, Maschinenbau und IT überwinden. Zuvor hatten die Branchenverbände - der Digitalverband Bitkom, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie - bereits in der Plattform Industrie 4.0 zusammengearbeitet.
Die stand lange in Konkurrenz zum US-amerikanischen Industrial Internet Consortium (IIC). Beide Gremien entwickeln Referenzarchitekturen, die Mindestanforderungen an Software und Maschinen beschreiben. Seit März arbeiten sie zusammen. Was das bringt, zeigt Bosch bereits in seinem Werk in Homburg im Saarland. Eine Software hilft dort, die Produktion von Hydraulikventilen vorausschauend zu steuern - und dadurch weniger Strom zu verbrauchen. Dabei funktioniert die Produktionsanlage nach deutschen Standards, das Energiemanagement nach amerikanischen. „Ihren vollen Nutzen kann Industrie 4.0 nur entfalten, wenn sie nicht an nationalen Grenzen gestoppt wird“, sagt Bosch-Geschäftsführer Werner Struth.
Das Internet der Dinge
Das Internet ist bekannt als Infrastruktur, über die Menschen Daten austauschen – ob mit dem PC, Laptop oder Smartphone. Es geht also letztlich um Computer, die miteinander kommunizieren. Doch heutzutage lassen sich immer mehr Objekte vernetzen: Heizung und Haustür, T-Shirt und Brille, Auto und Heizung.
Den Begriff „Internet der Dinge“ prägten Wissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston Ende der 90er Jahre. Es kursieren aber viele Begriffe. „Industrial Internet“ betont die wirtschaftliche Bedeutung, „Machine to Machine“ (abgekürzt M2M) beschreibt eher technisch, dass Geräte autonom Daten austauschen.
Bislang ist das Internet der Dinge vor allem eine Sache der Wirtschaft: Logistikunternehmen verfolgen beispielsweise den Weg von Lieferungen. Technologie-Hersteller bringen aber zunehmend auch Produkte für Verbraucher auf den Markt, etwa Heizungssteuerungen.
Vernetzte Objekte benötigen eine Art Mini-Computer und eine Funkantenne, außerdem Sensoren – im Fall einer Heizungssteuerung etwa, um die Temperatur zu messen. Diese Komponenten sind in den vergangenen Jahren so geworden, dass immer neue Einsatzgebiete in Frage kommen.
Damit vernetzte Objekte übers Internet gesteuert werden können, muss man sie eindeutig ansprechen können. Ein neuer Standard namens IPv6 soll dafür sorgen, dass auch im Zeitalter vernetzter Autos und Heizungen genügend IP-Adressen vorhanden sind – es sind 340 Sextillionen, also eine 340 mit 36 Nullen.
Der Marktforscher Gartner wagt die Prognose, dass bis 2020 rund 26 Milliarden Geräte im Internet der Dinge sind – PCs, Tablets und Smartphones sind darin nicht eingeschlossen. Der Umsatz mit Produkten und Diensten werde auf mehr als 300 Milliarden Dollar wachsen. Noch optimistischer ist der Netzwerkausrüster Cisco, der bis dahin 50 Milliarden vernetzte Geräte erwartet.
Der Siegeszug der vernetzten Geräte dürfte einige Diskussionen über den Datenschutz nach sich ziehen. Ein Beispiel: Darf eine Versicherung die Bewegungsdaten eines Autobesitzers auswerten, um den Tarif ans Fahrverhalten anzupassen? Oder darf die Polizei nach einem Unfall überprüfen, ob der Fahrer zu schnell war?
Dennoch wollen die Unternehmen zunächst in Deutschland das Referenzarchitekturmodell RAMI 4.0 weiterentwickeln. Es bildet den Rahmen, in den Einzelstandards eingebettet werden. Jedes Gerät bekommt eine Beschreibung, die von anderen Maschinen gelesen werden kann. Außerdem erkennt man auf den ersten Blick, wo Standards fehlen oder sich überschneiden.
Eine weitere Baustelle ist das Internetprotokoll, das das Verschicken von Datenpaketen zwischen Rechnern regelt. Weltweit funktionieren die meisten Geräte mit dem fast 30 Jahre alten IPv4. Das allerdings stellt nur vier Milliarden IP-Adressen bereit, die meisten sind schon vergeben. Und jedes Gerät, das ins Internet soll, braucht eine IP-Adresse.
Die größten Trends in Hannover
Festo – Wo die Natur Antworten liefert
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Jedes Jahr stellt Festo auf der Hannover Messe ein neues Bionik-Konzept vor. Auf dem Messestand des Industrieautomatisierers aus Esslingen werden Ameisen zu sehen sein – kybernetische natürlich. Die BionicANTs – „ANT“ (das englische Wort für Ameise) steht dabei sowohl für das natürliche Vorbild als auch für „Autonomous Networking Technologies“ – imitieren das Staatenverhalten der Ameisen. Erstmals wird damit das kooperative Verhalten von Tieren mittels komplexer Regelalgorithmen in die Welt der Technik übertragen.
(Foto: Pr)
TU Wien – Alu in Pulverform
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Bei Stahl und Titan ist das Sintern als Produktionsverfahren bekannt und erprobt. Forscher der TU Wien wollen das Spritzgussverfahren jetzt auch auf Aluminium-Legierungen übertragen.
Wer heute ein kompliziertes Metallteil herstellen will, greift meist auf das Sintern genannte Metallpulver-Spritzgussverfahren zurück, bei dem Metallpulver mit Kunststoff versetzt, in Form gepresst und bei hohen Temperaturen zu einem soliden Metallwerkstück zusammengebacken wird. Bislang funktionierte diese Technik jedoch nicht mit Aluminium.
Das neue pulvermetallurgische Verfahren soll es erlauben, komplizierte Formen herzustellen, die auf andere Weise gar nicht oder nur mit großem Aufwand realisierbar wären. Da das pulverförmige Ausgangsmaterial relativ preiswert ist, können bei überschaubaren Kosten auch relativ große Bauteile produziert werden, sodass in der Massenproduktion im Vergleich zur konventionellen Fertigung Material- und Gewichtseinsparungen von mehr als 50 Prozent möglich sind.
(Foto: Pr)
Weippert – Das Gewicht herunterschrauben
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In nahezu jeder Maschine stecken unzählige Schrauben in den unterschiedlichsten Größen – sie halten die Produktionsanlagen quasi zusammen. Hier Gewicht zu sparen, kann sich positiv auf die gesamte Maschine auswirken. Die Firma Weippert stellt auf der Hannover Messe neue WT-Kunststoffschrauben vor, die – bei Beachtung der technischen Anforderungen – im Vergleich zu Alu- und Edelstahlschrauben bis zu 70 Prozent leichter sein sollen.
Die Ingenieure von Weippert stellen einen ganz einfachen Vergleich an: Während ihre WT-Kunststoffschraube M6x40 aus PA6 GF30 lediglich 1,6 Gramm wiegt und aus PA6 GF50 gerade einmal 1,8 Gramm, bringt die gleiche Metallschraube aus A2 satte 9,3 Gramm auf die Waage. Dass Kunststoffschrauben nicht die gleiche Festigkeit wie Stahlschrauben aufweisen, sei dabei nicht immer ein Problem. Denn mit einer individuellen Konstruktionsanpassung unter Berücksichtigung der mechanischen Eigenschaften könnten meist auch Kunststoffschrauben statt Stahlschrauben verwendet werden, so Weippert.
Selbst wenn die Kunststoffschraube eine Nummer größer dimensioniert wird als die Stahlschraube, wenn also beispielsweise statt einer M4 eine M6 zum Einsatz kommt, ist die Gewichtseinsparung immer noch deutlich.
(Foto: Pr)
Sonotec – Vorbeugen statt heilen
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Eines der großen Themen der Industrie 4.0 ist die Predictive Maintenance, also die vorbeugende Instandhaltung. Der Ultraschallspezialist Sonotec stellt mit dem Sonaphone auf der Hannover Messe ein neues Gerät vor, dass die Wartung einfacher machen soll.
Die möglichst genaue Vorhersage eines optimalen Wartungszeitpunktes gewinnt in der Wertschöpfungskette zunehmend an Bedeutung. Die mobilen Ultraschallmessgeräte, die zur Grundausstattung vieler Instandhalter gehören, tragen damit maßgeblich zu einer erhöhten Anlagensicherheit und -verfügbarkeit bei. Auf der Sonderausstellung Predictive Maintenance 4.0 will Sonotec zeigen, wie Unternehmen Energie einsparen und die Effizienz der gesamten Produktion mit Ultraschallmessgeräten verbessern können.
(Foto: Pr)
Bionic Robotics – Arm mit Charme
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Bionic Robotics präsentiert auf der Hannover Messe einen Leichtbauroboter, dessen Bewegungsablauf und Größe sich an einem außerordentlich erfolgreichen Vorbild orientiert – dem menschlichen Arm. Die Bionic Robotics GmbH, 2010 als Spin-Off der TU Darmstadt gegründet, setzt als innovationsgetriebenes Unternehmen vor allem auf die Entwicklung und Produktion von extrem leichten Roboterarmen. Vergleichbar elastisch und mit seinen vier bis fünf Gelenken besonders flexibel im Aufbau, sorgen die in die Basis des BioRob verlegten Antriebe zudem für eine geringe bewegte Masse im Roboterarm. Damit ist der BioRob prädestiniert für den Einsatz in der industriellen Automation, wo er Transport-, Pick & Place-, Palettier- oder wechselnde Handhabungsaufgaben mit kleinen und mittleren Losgrößen übernehmen kann.
Laut dem Unternehmen ist BioRob der einzige kollaborative Roboter – er darf also ohne Schutzkäfig direkt mit Menschen zusammenarbeiten –, der ohne aufwändige Sensortechnologie und Steuerungstechnik auskommt. Selbst bei hohen Bewegungsgeschwindigkeiten würden die Kräfte im Falle eines ungewollten Kontaktes mit menschlichen Arbeitskollegen bauartbedingt so weit reduziert, dass keinerlei Verletzungsgefahr besteht – die besonders leichte und nachgiebige Struktur des BioRob macht es möglich.
(Foto: Pr)
Fluid Dynamix – Der unbewegte Beweger
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Das Berliner Start-up FDX Fluid Dynamix feiert auf der Hannover Messe die Premiere seiner einzigartigen OcsiJet-Düse, mit der es dank eines fluidischen Oszillators erstmals möglich ist, einen bewegten Strahl ganz ohne bewegliche Teile zu erzeugen.
Um für eine gute Durchmischung von Gasen und Flüssigkeiten zu sorgen, kommen die dafür verwendeten Komponenten so gut wie nie ohne bewegliche Bauteile aus, woraus beinah schon zwangsläufig eine gewisse Reparaturanfälligkeit und ein erhöhter Wartungsbedarf resultieren. Die neue Düse von FDX erzeugt den schwingenden Fluidstrahl jedoch ohne bewegliche Teile. Mit einem schnell, effizient und genau anpassbaren Frequenzspektrum, welches von wenigen Schwingungen pro Sekunde bis fast in den Ultraschallbereich reicht, liefert die OsciJet-Düse für beinah jeden Prozess den notwendigen Frequenzbereich – ob Kraftstoff-Luft-Mischungen in Motoren oder der Wasserstrahl in Geschirrspülmaschinen.
(Foto: Pr)
MediGlove – Heilende Handschuhe
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Auf dem Stand der Hochschule Anhalt zeigen die Designer Thomas Kores und Philipp Rösler aus Dessau erstmalig einen vollen interaktiven Prototyp eines medizinischen Diagnostik-Handschuhs, der die Funktionen von Stethoskop, Thermometer und Pulsmesser vereint.
Mit MediGlove sollen nicht nur die Untersuchungen intuitiver „von der Hand gehen“, sondern über natürliche Gesten auch hochauflösende Messwerte ermittelt und automatisch in eine digitale Krankenakte eingepflegt werden können, um sie so längerfristig und ganzheitlich nachvollziehbar zu machen. Der als Design-Projekt der Hochschule Anhalt konzipierte MediGlove ist bereits mit zwei Sonderpreisen ausgezeichnet worden.
(Foto: Pr)
Nach Auskunft von Unternehmen und Verbänden im Deutschen IPv6-Rat bietet das Nachfolge-Protokoll 340 Sextillionen IP-Adressen - das ist eine Zahl mit 39 Stellen. Außerdem sei es damit möglich, beispielsweise Autos zu vernetzen und Sicherheitslücken zu schließen. IPv6 könnte sich bald durchsetzen: Nach Informationen des Hasso-Plattner-Instituts an der Universität Potsdam laufen bereits knapp 20 Prozent der Datentransfers von Unternehmen auf Basis des neuen Standards.