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Insight Innovation Zu schnell, zu teuer, limitiert: Elon Musks Satelliten-Internet stößt an Grenzen der Technologie

In der Flutkatastrophe war das Satelliten-Internet von Starlink eine Hilfe. Aber eine Analyse zeigt, welche Hürden dem Durchbruch der Technik im Weg stehen.
23.08.2021 - 09:11 Uhr Kommentieren
Internet über Satellit soll es bald überall auf der Welt geben.
Insight Innovation

Internet über Satellit soll es bald überall auf der Welt geben.

Düsseldorf Die Wassermassen richteten im Ahrtal massive Zerstörungen an. Viele Ortschaften waren von der Außenwelt abgeschnitten, zwischenzeitlich gab es keinen Strom, kein Telefon, kein Internet. Doch es kam Hilfe aus Amerika: Die von Elon Musk gegründete Raumfahrtfirma SpaceX baute insgesamt 40 Stationen auf, um die Anwohner per Satellit mit dem Internet zu verbinden.

Die Tochter Starlink platzierte bislang mehr als 1600 Himmelskörper auf einer niedrigen Erdumlaufbahn. Aufgrund der kurzen Distanz von rund 550 Kilometern ermöglichen die Satelliten vom „Low Earth Orbit“ (Leo) aus ein schnelles Internetsignal fast überall auf der Welt.

An den Sendestationen können Nutzer per WLAN 150 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) bekommen – davon träumen bis heute viele in Deutschland. In Sachen Internetverbindung herrscht in vielen Regionen in der Bundesrepublik eine Dauerkrise. Vor allem auf dem Land fehlen Glasfaseranschlüsse. Könnten wir bald alle mit dem Breitband aus dem All versorgt werden?

Eine Antwort gibt eine neue Studie der Technischen Hochschule Mittelhessen, die sich detailliert mit der neuen Technologie auseinandersetzt. Der ernüchternde Schluss: Selbst im maximalen Ausbau wird Starlink in Deutschland maximal 1,3 Millionen Anschlüsse mit 100 Mbit/s beliefern können.

Das sind vergleichsweise wenig: Nur rund drei Prozent der insgesamt 40 Millionen deutschen Haushalte hätten damit Zugriff. Würde Starlink alle Haushalte versorgen, fiele die Übertragungsgeschwindigkeit auf 167 Kilobyte pro Sekunde – eine Rückkehr in die Zeit von AOL. „Die Studie ist in der Analyse der Technologie sehr gut“, sagt Matthias Spott, Chef des deutschen Space-Start-ups Eighty Leo, der mithilfe des Münchener Unternehmens Kleo Connect ebenfalls eine Konstellation aufbauen will. „Satelliteninternet kann nur eine Ergänzung zu bestehenden Angeboten sein.“

Starlink ist keine echte Konkurrenz

Diese Aussage zeichnet sich ab: Starlink ist nur eingeschränkt ein Konkurrent für Telekom, Vodafone und andere Netzbetreiber mit ihren Internetangeboten. Internet aus dem All sei eine sinnvolle „Brückentechnologie“, um Bürger in ländlichen und dünn besiedelten Gegenden zu versorgen, sagt Stephan Albers, Geschäftsführer des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko), in dem rund 400 Telekommunikationsunternehmen organisiert sind und der die Studie in Auftrag gab. „Die Ergebnisse unterstreichen, dass Glasfaser als digitale Infrastruktur alternativlos ist.“

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Ein interessantes Angebot und technologischer Fortschritt ist Leo auf jeden Fall. Das zeigt ein Vergleich mit sogenannten geostationären Satelliten – mit denen bislang ein Internet aus dem All geliefert wurde.

Gruissem ist ein kleines Dorf in der Nähe von Düsseldorf. Seit vielen Jahren kämpfen die Einwohner um einen Breitband-Internetanschluss – ohne Erfolg. Da kam die Nachricht vor einem Jahr wie eine Erlösung: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt führt zusammen mit Airbus und dem französischen Satellitenbetreiber Eutelsat ein Demonstrationsprojekt in dem Dorf durch – Internet per Satellit.

Starlink-Satelliten kreisen in einer niedrigen Erdumlaufbahn um die Erde. Quelle: dpa
Starlink-Satellit

Starlink-Satelliten kreisen in einer niedrigen Erdumlaufbahn um die Erde.

(Foto: dpa)

Doch die Ergebnisse sind enttäuschend. Weil Eutelsat einen neuen Satelliten nutzte, gab es am Anfang viele Probleme. Es kam zu Ausfällen, Internetseiten bauten sich nicht auf. Heute läuft das Internet stabiler, aber zufrieden ist man nicht. Videokonferenzen und Telefongespräche per Internet sind beispielsweise so gut wie nicht möglich. „Die Verzögerung des Signals ist nicht akzeptabel“, sagt Anwohner Rene Michels, der als Entwicklungsingenieur für elektrische Autoantriebe öfter mal aus seinem Haus in Gruissem arbeiten will.

Fachleute nennen das Latenz – und die ist bei Geosatelliten kaum besser hinzubekommen. Der Eutelsat-Satellit sendet aus rund 36.000 Kilometer Höhe, was in Sachen Signalabdeckung ein großer Vorteil ist.

Aber unter der Distanz leidet das Internetsignal, das vom Satelliten hin und zurück 238 Millisekunden braucht. Im Internet ist das eine kleine Ewigkeit. Handys brauchen beispielsweise im Schnitt nur 100 Millisekunden, was manchen Kunden trotzdem nicht reicht.

Probleme vor allem beim Downloaden

Alexander Frank ist zufrieden. Einfach zu installieren, eine schnelle Verbindung – das Internet von Starlink sei „im Großen und Ganzen“ eine gute Sache. Frank war einer der ersten Kunden der SpaceX-Tochter, die seit dem Frühjahr in Deutschland Satelliteninternet anbietet. „Eine gute Leistung“, sagt der Softwareexperte, der vor allem die geringe Latenz lobt. Die liege bei ihm im Schnitt bei 43 Millisekunden, viel besser geht es kaum.

Elon Musk hat nicht zu viel versprochen, als er vor fünf Jahren die Idee von Starlink aus der Taufe hob. Fast überall auf der Welt will der SpaceX-Gründer ein verlässliches und schnelles Internet anbieten mithilfe von Satelliten, die auf einer niedrigen Umlaufbahn um die Erde kreisen.

In zwölf Ländern ist Starlink bereits vertreten. Ab August soll das System auf der ganzen Welt verfügbar sein, abgesehen von den beiden Polen. 500.000 Kunden will das Unternehmen im ersten Jahr gewinnen. Mittelfristig strebt Firmenchef Musk einen Umsatz von 30 Milliarden Dollar an.

Doch Starlink-Kunde Frank übt auch Kritik. Das Hochladen von Inhalten klappe problemlos, aber beim Herunterladen gebe es Schwankungen. So sei das Internet auch schon mal ein paar Minuten weg. „Starlink ist nutzbar, definitiv besser als nichts“, sagt der Hamburger, aber es gebe Licht und Schatten.

In einer Minute über Deutschland

Die schwankende Leistung liegt in der Technologie begründet. Anders als die geostationären Satelliten stehen die von Starlink nicht fest an einer Position, sondern rasen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 28.000 Kilometern pro Stunde durch das Weltall. Deutschland überqueren sie im Schnitt in einer Minute.

Das erklärt, warum die Verbindung mit einem Satelliten maximal 114 Sekunden hält – dann taucht er schon wieder weg, und es muss eine Verbindung mit einen neuen hergestellt werden.

Die rasende Geschwindigkeit ist eine große Herausforderung für Starlink. Die Satelliten können nur eine geringe Erdoberfläche abdecken. Sie schicken jeweils acht Signale, im Fachjargon Spot-Beams genannt. Davon dürfen in Deutschland sieben genutzt werden. Mit seinen Beams kann ein Starlink-Satellit in Deutschland damit nach Berechnungen der Technischen Hochschule Mittelhessen eine Fläche von nur 3167 Quadratkilometern erreichen – das sind 0,4 Prozent der Fläche des ganzen Landes.

Für ein Projekt startete der Eutelsat-Satellit ins All. Quelle: dpa
Eutelsat Quantum

Für ein Projekt startete der Eutelsat-Satellit ins All.

(Foto: dpa)

Um den Übergang von Satellit zu Satellit zu vereinfachen und zu verbessern, vernetzt Starlink sie mit einem Laser. Der ermöglicht einen hohen und schnellen Datenaustausch, bis zu fünf der Himmelskörper sind auf diese Weise miteinander verbunden. Dabei hat Starlink einen Vorteil: Der Laser kann im Vakuum des Weltalls sehr schnell vorankommen – deutlich rascher als beispielsweise im Lichtwellenreiter einer Glasfaser.

Wann genau ein Satellit im niedrigen Orbit schneller ist als die Übertragung per Glasfaser, dafür gilt eine Faustformel: Je länger die zurückgelegte Strecke des Internetsignals, desto mehr ist Leo im Vorteil. Ganz genau ab 1080 Kilometern, wie die Technische Hochschule Mittelhessen berechnete. Unterhalb der Distanz ist die rein physikalische Signallaufzeit in einer Glasfaser schneller, darüber sind Leo-Satelliten besser.

Surft ein Kunde beispielsweise in Deutschland und befindet sich der Server auch in Deutschland, dann liefert Glasfaser in allen Fällen ein schnelleres Signal. Wer aber beispielsweise in Berlin einen Server in Madrid ansteuert, der muss mit einer Glasfaserverbindung aufgrund der Entfernung 11,4 Millisekunden Verzögerung hinnehmen, während es der Satellit in nur 4,6 Millisekunden schafft.

Hedgefonds und Geldanleger können Handelsaufträge schneller umsetzen

Aus der Latenz und der Verfügbarkeit lassen sich einige Schlussfolgerungen für den möglichen kommerziellen Einsatz von Leo-Satelliten ziehen. Für Privatkunden ist das System vor allem dann sinnvoll, wenn der Netzausbau in ihrem Wohngebiet auf sich warten lässt – nicht ohne Grund will die Bundesregierung rund 200.000 Haushalten Gutscheine für den Anschluss an Starlink zur Verfügung stellen.

Interesse dürften aber auch Firmen haben. So könnten Hedgefonds oder andere Geldanleger den Dienst beanspruchen, um ihre Handelsaufträge von New York nach London schneller umsetzen zu können. Zeit ist bares Geld: Bestimmte Strategien wie der Hochfrequenzhandel nutzen kleinste Unterschiede von Kursen mit einem hohen Handelsvolumen aus. Dabei zählt jede Millisekunde.

Damit ist viel Geld zu verdienen, wie ein Blick auf Unterwasserkabel zeigt. Insgesamt sind 400 in den Weltmeeren verlegt, wie das 2015 installierte Hibernia Express Cable zwischen New York und London. Einer der Gründe für das neue Kabel: die Internetverbindung im Vergleich zum älteren Atlantic Crossing Cable von 65 auf 59,9 Millisekunden zu senken.

Kostenpunkt: 300 Millionen Dollar für eine Verbesserung von rund fünf Millisekunden oder neun Prozent. Starlink schafft dagegen die Strecke in 43 Millisekunden, eine Verbesserung von 22 Millisekunden oder einem Drittel.

Hohe Stromkosten

Alexander Frank ist ein Fan von Elon Musk. Der IT-Experte fährt ein Model 3 und ist begeistert von Musks Technologiefreude und Innovationskraft. Das erklärt auch, warum der Hamburger seit der ersten Stunde Kunde von Starlink ist – obwohl er Satelliteninternet eigentlich gar nicht braucht. In seiner Wohnung am Rande von Hamburg gibt es genügend Anschlüsse.

Mit selbst gefertigten Programmen und Apps misst Frank rund um die Uhr die Performance von Starlink. Seine Bilanz ist positiv, mit einigen Einschränkungen. Dazu gehören auch die Kosten. Die monatliche Grundgebühr ist mit 99 Euro hoch. Dazu kommen einmalige Ausgaben wie 500 Euro für die Antenne, Versand und Gebühren nicht mit eingerechnet.

Zum Vergleich: Eine ähnlich schnelle Verbindung mit Glasfaser kostet je nach Datenvolumen zwischen 25 und 80 Euro pro Monat. Im Hintergrund lauert noch ein weiterer Kostenfaktor: der hohe Stromverbrauch der Anlage. Laut Frank schlägt er mit 22 Euro pro Monat zu Buche. Der Betrag entspricht dem Stromverbrauch eines herkömmlichen Routers im ganzen Jahr.

Starlink hat das Problem erkannt. Vor wenigen Wochen erhielt Frank eine E-Mail von dem Unternehmen, dass man den Stromverbrauch durch bessere Software und andere Maßnahmen senken will. Seitdem hat der Hamburger eine Verbesserung um rund zehn Prozent gemessen. Allerdings ist das ein kurzer Zeitraum und nur eingeschränkt aussagefähig.

Verträge mit Telekommunikationsanbietern

Starlink ist ein großes Abenteuer für Elon Musk. Die Technologie ist hochinteressant, aber die Kosten sind sehr hoch – SpaceX rechnet mit insgesamt zehn Milliarden Dollar, „bevor wir positiven Cashflow erwirtschaften“, wie Musk sagt.

Das dürfte aber eine niedrige Messlatte sein, allein das Netz zu betreiben ist sehr aufwendig. So müssen die Satelliten alle fünf bis sieben Jahre ersetzt werden, weil sie aufgrund der niedrigen Umlaufbahn durch die Gravitation der Erde absinken und verglühen. Insgesamt geht Musk von Investitionen in Höhe von 20 bis 30 Milliarden Dollar aus. „Das ist viel Geld.“

Die Kosten will Starlink mit der Zeit durch Innovation senken. So kostet die Antenne, mit der Kunden das Signal empfangen, Starlink derzeit mehr als 1000 Dollar. Der Preis soll „in der nächsten Generation der Endgeräte“ auf 500 Dollar fallen, wie Musk sagte – so viel, wie Starlink derzeit von seinen Kunden verlangt. Später soll er auf 300 oder 250 Dollar sinken.

Gleichzeitig hofft Musk auf hohe Einnahmen, 30 Milliarden Dollar jährlich, zehnmal so viel wie SpaceX derzeit einnimmt. Woher sollen die Einnahmen kommen? Die Analyse der Technologie zeigt: eher weniger von Privatkunden.

Starlink ist vor allem für Unternehmen und Finanzdienstleister interessant – und für andere Telekommunikationsunternehmen. Laut Musk hat Starlink Verträge mit zwei namhaften Anbietern in zwei verschiedenen Ländern geschlossen. Die nutzen das Leo-Netz, um eine 5G-Lizenz zu bekommen – die auch von einer gewissen Abdeckung ländlicher Gegenden abhängig ist, wie Musk erklärte. Die Namen der Unternehmen will er nicht nennen, sagt aber: „Wir reden derzeit mit anderen Telekommunikationsunternehmen.“

Im Ahrtal funken die Stationen von Starlink noch. Unbedingt nötig wäre es allerdings nicht: Die drei großen Mobilfunkanbieter haben mittlerweile ihre Basisstationen alle wieder in Betrieb genommen, zumindest mit dem Smartphone können wieder alle Nutzer ins Netz gehen.

Mehr: „Das wird in einem Desaster enden“ – Satellitenkonzerne rebellieren gegen Musks SpaceX 

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