Anlegeraufstand Toshibas Aktionäre stürzen Vorstandschef Osamu Nagayama

Vertrauensentzug seitens der Aktionäre.
Tokio Die Aktionäre des japanischen Technikkonzerns Toshiba haben am Freitag für eine Sensation gesorgt. Auf der Aktionärsversammlung verweigerten sie dem Vorstandschef Osamu Nagayama sowie einem weiteren Vorstandsdirektor die Wiederwahl. Denn sie kreideten Nagayama an, dass er voriges Jahr eine umstrittene Aktionärsversammlung durchgewinkt hatte, die nun ein Untersuchungsausschuss als unfair bezeichnet hatte.
Der 74-jährige Nagayama trug die größte Niederlage seines Lebens mit Fassung. Als das überraschende Ergebnis bekannt wurde, verzog er keine Miene, verbeugte sich langsam und verließ den Saal. Aber für den skandalgebeutelten Traditionskonzern verschärft sich damit eine langjährige Führungskrise, die Nagayama eigentlich bewältigen sollte.
Erst voriges Jahr hatte der Vorstand den angesehenen Ex-Chef der Roche-Tochter Chugai in seine Reihen geholt, um Toshibas Unternehmensführung zu stabilisieren. Denn das schwere Erbe eines Bilanzskandals und der Pleite seines amerikanischen Atomkraftwerksbauers ließen das Management nicht zur Ruhe kommen.
Um sich zu retten, verkaufte der Konzern sogar die Mehrheit an seinem profitabelsten Geschäftsbereich an den Investmentfonds Bain Capital: die Speicherchipsparte. Die verdient nun unter dem Namen Kioxia mit Toshiba als Minderheitsaktionär weiter Geld. Gleichzeitig sammelte der Konzern durch Kapitalerhöhungen frisches Geld ein und lockte damit ungewollt ausländische aktivistische Fonds an.
Toshiba-Chef kämpfte mit Großaktionären
So konnte sich Toshiba zumindest weitgehend entschulden. Aber mit der Resterampe fiel der Neustart schwer. Zudem bekriegte sich die neue Führung unter dem Ex-Banker und Investmentfondsmanager Nobuaki Kurumatani rasch mit Aktionärsaktivisten. Schon 2020 beschwerten sich Investmentfonds, allen voran Effissimo Capital Management aus Singapur, dass der damalige Konzernchef Kurumatani ungebührlichen Druck auf die Aktionäre ausgeübt und bei Abstimmungen sogar Stimmen unterdrückt habe.
Kurumatani wehrte sich. Erst wies ein interner Ausschuss die Vorwürfe zurück. Anfang dieses Jahres legte dann Kurumatanis alter Arbeitgeber, der Investmentfonds CVC Capital Partners, ein Übernahmeangebot für Toshiba vor, um den Konzern von der Börse zu nehmen. Doch Kurumatani verlor den Machtkampf und auch seinen Posten. Zudem wurden drei Rechtsanwälte bestellt, die die Vorwürfe der Aktionärsaktivisten erneut untersuchen sollten.
Ihr Befund erschüttert seither Japan und Toshiba: Der kleine unabhängige Ausschuss stellte fest, dass Toshibas Management mit dem Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (Meti) gekungelt hatte, um die kritischen Aktionäre zu schwächen.
Das Meti rechtfertigte sich zwar mit dem Bezug auf das Devisenrecht, das den Behörden bei Unternehmen, die für die nationale Sicherheit wichtig sind, mehr Eingriffsrechte bietet. Aber der Ausschuss ließ sich davon nicht beeindrucken.
Abgänge konnten Nagayama nicht retten
Zwei Verwaltungsratsmitglieder und zwei Manager mussten deswegen vor zwei Wochen gehen. Nagayama wollte zwar bleiben. Aber die Abgänge reichten nicht aus, um Nagayamas Haut zu retten.
Bekannte Aktionärsberater wie ISS und Glass Lewis sprachen sich auch nach der Bereinigung des Vorstands gegen die Wiederwahl Nagayamas aus. Wichtiger war jedoch, dass auch Großaktionäre wie Effissimo, Norges Bank Investment Management und der in Singapur ansässige Japan-Fonds 3D Investment Partners weiterhin ein Aus für ihn forderten.
3D Investment Partners feierte die Niederlage Nagayamas daher prompt: „Wir begrüßen die jüngsten Veränderungen im Vorstand, denn wir sind optimistisch, was die Zukunft und das Potenzial von Toshiba angeht“, teilte das Fondsmanagement in einer Presseerklärung mit.
Die Anleger hoffen zudem, dass die Hauptversammlung „den Beginn einer neuen Ära bei Toshiba markiert, die sich durch einen Fokus auf Wertschöpfung, Transparenz gegenüber allen Stakeholdern und ein erneutes Engagement für den Aufbau von Vertrauen bei den Aktionären auszeichnet“.
Die Aufgabe, den von 13 auf neun Mitglieder geschrumpften Rumpfvorstand wieder aufzubauen, fällt nun vor allem dem bisherigen Verwaltungsratschef Satoshi Tsunakawa zu, der nach Kurumatanis Aus auch die Rolle des Konzernchefs übernommen hat. Er versprach am Freitag, schnell Ersatz zu finden. „Wir werden einen starken Verwaltungsrat aufbauen, der kontinuierliches Wachstum und das Vertrauen der Aktionäre sicherstellen wird“, sagte Tsunakawa. „Wir teilen den gleichen Wunsch, den Unternehmenswert mit Aktivisten zu steigern.“
Mehr: Porträt von Osamu Nagayama: Wie der japanische Starmanager an Toshiba scheiterte
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