Applied Materials Kampf um die Chips: China vereitelt Milliardendeal

China will eine eigene, schlagkräftige Halbleiterindustrie aufbauen. Daher hat das Land der Übernahme eines japanischen Zulieferers durch einen US-Konkurrenten nicht zugestimmt.
München/Tokio Fast zwei Jahre lang hat der US-Konzern Applied Materials versucht, den japanischen Konkurrenten Kokusai Electric zu übernehmen. Nun haben die chinesischen Behörden den Deal durch Nichtstun platzen lassen: Sie haben die 2,2 Milliarden Dollar schwere Transaktion zwar nicht untersagt, aber auch nicht genehmigt. Daher gab der Chipzulieferer Applied Materials das Vorhaben jetzt entnervt auf.
Die Halbleiterindustrie ist alarmiert. Denn China könnte mit derselben Taktik künftig viele andere Übernahmen platzen lassen. Akut bedroht ist der größte Deal der Branche aller Zeiten: Für 40 Milliarden Dollar will sich der amerikanische Wettbewerber Nvidia den britischen Chipdesigner ARM einverleiben. „Es scheint immer schwieriger zu werden, globale M&A-Genehmigungen zu bekommen“, sagt Kirk Boordy, Analyst von Redex, einem Investmentberater in Japan.
Ohne die Zustimmung der Chinesen geht nichts in der Chipbranche. China ist der weltgrößte Markt für Halbleiter. Daher ist es keine Option für die Hersteller, sich über Entscheidungen der dortigen Behörden hinweg zu setzen. Denn das würde den Zugang zum Zukunftsmarkt blockieren.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte damit begonnen, Halbleiter als Machtmittel einzusetzen. So verbot er den westlichen Halbleiterherstellern, den führenden chinesischen Technologiekonzern Huawei zu beliefern. Er untersagte auch, Chipmaschinen in das Land zu verkaufen.
China ist der größte Halbleitermarkt der Welt, das Geschäft wächst rasant. Der Umsatz der Industrie in dem Land stieg 2020 um knapp ein Fünftel auf umgerechnet 137 Milliarden Dollar, so der Branchenverband China Semiconductor Industry Association. Einen Produzenten von Weltgeltung hat die Volksrepublik aber bislang nicht.

Der amerikanische Halbleiteranbieter Nvidia will den britischen Chipdesigner ARM übernahmen. An den chinesischen Behörden könnte das Vorhaben scheitern.
Das macht den Deal zwischen Applied Materials und Kokusai so bedeutsam für Peking. Denn das Land braucht die Maschinen aus dem Ausland, um eine eigene Chipindustrie aufzubauen. „Das Hauptschlachtfeld des Halbleiterkriegs zwischen den USA und China sind die Fertigungsanlagen“, twitterte Masahiko Hosokawa, Wirtschaftsprofessor an der Meisei-Universität. „Es wird natürlich erwartet, dass die Unternehmen des anderen Landes daran gehindert werden, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.“
Es ist nicht das erste Mal, dass China die Muskeln spielen lässt in der Chipbranche. Im Sommer 2018 gab der amerikanische Halbleiterhersteller Qualcomm die Übernahme des niederländischen Mitbewerbers NXP auf. 21 Monate lang hatten die Kalifornier versucht, den 44 Milliarden Dollar schweren Deal durchzuziehen. Die Behörden in acht Märkten hatten die Transaktion befürwortet, nur China verweigerte seine Zustimmung.
Kokusai gehört dem amerikanischen Finanzinvestor KKR. Applied Materials hatte die Übernahme 2019 in Angriff genommen, um stärker von der hohen Nachfrage nach Speicherchips zu profitieren, und muss nun KKR rund 150 Millionen Dollar in bar als Entschädigung zahlen. Kokusai Electric teilte mit, dass es mit der Hilfe von KKR nun Alternativen prüfen werde, von der Suche nach strategischen Partnern bis hin zu einem Börsengang.
Nun muss ARM-Verkäufer Softbank zittern
Zittern muss nun vor allem Softbank, der derzeitige Eigentümer von ARM. „Das Risiko für Softbank besteht darin, dass es nur sehr wenige alternative Käufer für ARM gibt, wenn der Deal scheitert“, meint Analyst Boordy.
Die japanische Softbank und Nvidia aus dem Silicon Valley hatten sich bereits auf langwierige Verhandlungen eingestellt, als sie den Deal vergangenen Herbst verkündeten. Boordy: „Nvidia und Softbank haben einen 18-monatigen behördlichen Überprüfungsprozess einkalkuliert. Aber es ist nicht einfach, vorherzusagen, was China tun wird.“
Es ist aber nicht allein die Volksrepublik, die Chip-Akquisitionen zu Fall bringt. Genau drei Jahre ist es her, dass Washington die 117 Milliarden Dollar teure Übernahme von Qualcomm durch den damals noch in Fernost ansässigen Technologiekonzern Broadcom verhinderte.
Als Begründung für die Intervention hieß es, dass Qualcomms Technologie zu wichtig für die nationale Sicherheit Amerikas sei. Damit wurde das Unternehmen quasi zum nationalen Champion der USA im Wettbewerb mit China um die Technologieführerschaft beim schnellen Mobilfunkstandard 5G erkoren.
Zumindest Qualcomm braucht sich seither keine Sorgen mehr wegen einer Übernahme durch einen ausländischen Investor machen.
Mehr: Tiefschlag für Autoindustrie: Brand im Renesas-Chipwerk sorgt für monatelange Lieferprobleme.
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Wo bleibt denn der ach so gepriesene freie Markt, alles zu besten regelt? Einige Staaten schwingen sich nun zum diktatorischen Kapitalisten auf, obwohl sie kein Kapital in die Firmen per Aktien investiert haben. Kapitalist ohne Kapital, das ist anscheinend die neue Zeit. So beschädigt man den Kapitalismus nach Kräften, hin zum Sozialismus. DDR hatten wir doch schon erlebt, oder?