Betriebssystem Android Europäische Richter verhandeln über die Macht von Google – Apple dürfte genau hinhören

Mit dem Betriebssystem Android verschafft sich Google eine gigantische Reichweite.
Düsseldorf Das Kartellrecht ist ein schwerfälliges Instrument. Bereits 2013 ging bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde über das Geschäftsgebaren von Google mit dem Betriebssystem Android ein. 2018 befand die Wettbewerbsbehörde, dass der Konzern seine Marktposition missbraucht habe, und verhängte eine Rekordstrafe in Höhe von 4,3 Milliarden Euro.
Ob diese Bewertung Bestand hat, klärt sich jedoch frühestens 2022: Diese Woche verhandelt der Europäische Gerichtshof über einen Einspruch des Internetkonzerns – um anschließend vermutlich mehrere Monate darüber zu beraten.
Die Folgen der Entscheidung könnten jedoch weitreichend sein. Zur Verhandlung steht nicht nur das Geschäftsmodell von Google für mobile Geräte wie Smartphones, die den digitalen Alltag prägen. Implizit geht es auch um die Marktdefinition der Europäischen Kommission.
Die ist für weitere Verfahren gegen große Technologiekonzerne relevant, besonders bei der Beschwerde von Spotify gegen Apple. Den Termin in Luxemburg dürfte somit neben den beteiligten Parteien die gesamte Technologiewelt aufmerksam beobachten.
Im Mittelpunkt der Beschwerde steht das Betriebssystem Android, das unter der Führung von Google entwickelt wird. Die Software konnte zum Zeitpunkt der Beschwerde grundsätzlich jedes Unternehmen frei nutzen, da sie unter Open-Source-Lizenz steht.
Wollten Gerätehersteller aber den Play Store mit vielen Millionen Apps nutzen, verpflichtete sie die Tochterfirma des Alphabet-Konzerns dazu, mehrere Dienste vorzuinstallieren und prominent anzubieten. Die Suchmaske war gleich auf dem Startbildschirm zu finden. Direkter ging es nicht.
Ohne die Plattform, über die Nutzer WhatsApp und Instagram, Amazon und Zalando, Netflix und Spotify installieren können, ist ein Smartphone im Westen jedoch praktisch unverkäuflich. Das bekommt gerade Huawei zu spüren, das aufgrund der Sanktionen der USA auf die Google-Dienste verzichten muss und nun international in der Bedeutungslosigkeit zu versinken droht.
Finanzierungsmodell für ein kostenloses Produkt?
Google argumentiert, mit Android vielfältige Produkte zu ermöglichen und mit der Werbung in der Suchmaschine und Diensten wie Youtube die kostenlose Software querzufinanzieren. „Android ermöglicht mehr Auswahl, nicht weniger“, erklärte Konzernchef Sundar Pichai daher nach der EU-Entscheidung 2018.
Die EU-Kommission hält diese Bündelung jedoch für einen Missbrauch von Marktmacht, die Google in Europa mit einem Marktanteil von derzeit rund 70 Prozent bei mobilen Betriebssystemen ohne Frage hat.
Der Konzern habe Android dazu verwendet, „die marktbeherrschende Stellung seiner Suchmaschine zu festigen“, erklärte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager 2018. Das habe Wettbewerbern die Möglichkeit genommen, „innovativ und konkurrenzfähig zu sein“.
Google hat auf die Entscheidung in Brüssel reagiert: Nutzer bekommen – nach einigem Hin und Her – inzwischen alternative Browser und Suchmaschinen angezeigt. Zudem können Gerätehersteller den Play Store unabhängig von anderen Diensten des Internetkonzerns lizenzieren.
Das Gericht muss darüber befinden, welche Geschäftsbedingungen Google den Geräteherstellern auferlegen darf und ob diese Regelung somit Bestand hat. Das dürfte über den aktuellen Fall hinaus wichtig bleiben: Der Kampf um die Kontrolle tobt weiter.
So ist in einem Gerichtsverfahren in den USA publik geworden, dass der Internetkonzern ab 2019 Smartphone-Herstellern erhebliche finanzielle Vorteile geboten hat, wenn diese auf die Installation eines alternativen App-Stores verzichtet haben.
Marktabgrenzung interessiert auch Apple
Der Europäische Gerichtshof muss für seine Entscheidung eine Frage beantworten, die auch andere Unternehmen interessieren dürfte: Wie sind die verschiedenen Märkte rund um Smartphones zu definieren?
So ordnete die EU-Kommission Google als Fast-Monopolisten bei „lizenzpflichtigen Betriebssystemen für intelligente Mobilgeräte“ ein, da iOS von Apple anderen Herstellern nicht zur Verfügung steht. Der Suchmaschinenriese verweist dagegen auf die – allerdings hochpreisige – Konkurrenz.
Die juristische Bewertung dieser Abgrenzung dürfte auch für andere Verfahren relevant sein. So hat der Musikdienst Spotify eine Beschwerde gegen Apple eingelegt, die EU-Kommission untersucht den Fall derzeit. Dabei geht es zwar um das Bezahlsystem, doch die Marktabgrenzung wird ebenfalls für Diskussionen sorgen.
Klar ist: Der Druck auf Google, Apple und andere Technologiekonzerne nimmt weiter zu, auch unabhängig von den Kartell- und Gerichtsverfahren. Die EU bereitet mit dem „Digital Markets Act“ (DMA) neue Regeln dafür vor, wie Google, Amazon, Facebook und Apple mit den vielen Unternehmen auf ihren Plattformen umgehen dürfen. Der Widerstand der Konzerne ist groß.
Mehr: Wie die EU die Geschäftsmodelle von Big Tech attackiert
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