Börsengänge Nach Hometogo-Deal: „Der ganze Markt schaut jetzt auf den Spac von Klaus Hommels“

Der Spac-Deal könnte dem Finanzvehikel in Deutschland Rückenwind geben.
New York, Düsseldorf Erst wurden Spacs gehypt. Dann wurden sie verteufelt. Jetzt schaut die deutsche Digitalbranche gespannt auf Investor Klaus Hommels und den Berliner Gründer Patrick Andrae. Der Promiinvestor kauft mit der ersten in Frankfurt gelisteten Mantelfirma den Ferienhausvermittler Hometogo. Das gaben die beiden Firmen Mittwochabend bekannt. Wenn alles glattgeht, notiert das Start-up im dritten Quartal an der Börse und kann seine Wachstumsstory fortschreiben.
Im Grunde geht es aber um noch viel mehr: Es ist der erste Technologie-Spac Europas und ein Testlauf für den Finanz- und Innovationsstandort Deutschland. Die Spac-Initiative von Klaus Hommels gilt als Pionierversuch für die Chancen des in Amerika verbreiteten Finanzierungsinstruments in Deutschland.
Konkret funktioniert das Geschäft so: Eine nur zu diesem Zweck gegründete und gelistete „Special Purpose Acquisition Company“ (kurz Spac) kauft ein Start-up und bringt es im Schnellverfahren an den öffentlichen Kapitalmarkt. Dabei können auch Kleinanleger in junge Firmen investieren, die sonst praktisch nur Wagniskapitalgebern zugänglich sind.
Der deutsche Investor Klaus Weinmann von Primepulse sagt: „Der ganze Markt schaut jetzt darauf, wie Hommels seinen Spac hinbekommt.“ Der „ganze Markt“ umfasst dabei Gründer in Deutschland ebenso wie Investoren, hiesige Banken und die großen Fondsgesellschaften in den USA, die man auch an europäischen Finanzplätzen als Ankerinvestoren braucht. Weinmann weiß, worüber er redet. Auch er wollte einen Spac in Deutschland starten, hat den Versuch nach einer kurzen Marktsondierung aber abgebrochen.
Hommels sieht das Instrument als die ganz große Chance für souveräne Finanzierungen von Technologieinnovationen in Deutschland und Europa. Bisher müssen europäische Start-ups nämlich umfangreich Unternehmensanteile in die USA oder nach Asien verkaufen, sobald sie dreistellige Kapitalbeiträge brauchen. Und dann wählen die hiesigen Start-ups später oft auch einen US-Börsenplatz. Deshalb wäre es aus deutscher Sicht so wünschenswert, dass das Experiment klappt.
Zwei Drittel der US-Spacs haben Kursverluste
Doch den großen Hoffnungen stehen erhebliche Zweifel entgegen. Noch vor einem Jahr gab es in den USA einen Riesenhype um das neu entdeckte Vehikel. Jetzt ist er längst abgeflaut.
In der US-Statistik sieht das so aus: Von 36 an der Börse gehandelten Unternehmen, die seit Anfang 2019 via Spac gestartet sind, mussten zwei Drittel deutliche Kursverluste hinnehmen, analysierte der Finanzdienstleister Bloomberg im Juni. Die 24 Spacs liegen im Schnitt 26 Prozent im Minus.
Ausreißer nach unten sind die Papiere des Batterieherstellers Quantum Scape, die gut die Hälfte an Wert verloren haben, und des Elektro-Start-ups XL Fleet, die seit dem offiziellen Handelsstart gut 80 Prozent im Minus liegen.
Spacs, die in diesem Jahr bereits Übernahmeziele angekündigt haben, aber noch vor der Akquisition stehen, haben von Januar bis Ende Juni 7,67 Prozent an Wert verloren, zeigt eine separate Analyse von Barclays. Dagegen lagen Spacs, die noch nach geeigneten Zielen suchen, zum Ende des ersten Halbjahrs 8,5 Prozent im Plus.
Unter dem Strich ist das Spac-Universum damit zwar 4,6 Prozent im Plus. Allerdings schwächelt das Segment vor allem in der entscheidenden Phase. Und es performt deutlich schlechter als der breit gefasste Leitindex S&P 500, der in diesem Jahr gut 18 Prozent zugelegt hat.
Man kann die Zahlen aber auch ganz anders deuten. James Angel, Finanzprofessor an der Georgetown University in Washington, bezeichnet Spacs als „Venture-Capital des kleinen Mannes“. Kleinanleger bekommen über das Instrument die Möglichkeit, früh in Unternehmen zu investieren, die eines Tages das nächste Google oder Amazon werden könnten. Doch das bringt Risiken mit sich, ähnlich wie bei klassischen Risikokapitalgebern. Die gehen oft davon aus, dass eines von 20 Start-ups zum Riesenerfolg wird und die Verluste anderer Investments mit einem Plus wieder einspielt.
Skandalmeldungen belasten Kurse
Deshalb lohnt sich auch ein Blick auf Erfolgsbeispiele wie Richard Bransons Virgin Galactic. Das von dem britischen Milliardär gegründete Raumfahrtunternehmen ist an der Börse starken Kursschwankungen ausgesetzt. Der Wert der Aktie hat sich seit dem Handelsbeginn Ende 2019 jedoch vervierfacht. Vergangenen Sonntag hatte die Firma erfolgreich einen Weltraumflug absolviert – Branson war dabei selbst an Bord. Der Kurs ist trotz des erfolgreich absolvierten Flugs jedoch eingebrochen. Das zeigt auch: Spacs sind eher eine langfristige Geldanlage.
Das höhere Risiko bei Spacs liegt auch am Reifegrad der Unternehmen: Über das Instrument schaffen es junge Unternehmen an die Börse, die zum Teil noch über Jahre keine Produkte vorweisen können und somit auch keine Umsätze erzielen. Für die CEOs wird es damit auch immer schwieriger, die Aktionäre Quartal für Quartal weiter für das Unternehmen zu begeistern.
Das inzwischen hereingebrochene Stimmungstief um die Spacs hat aber noch andere Gründe. So belasten einzelne Skandalmeldungen die Kurse im gesamten Segment: Beim Wasserstoff-Lkw-Hersteller Nikola sowie beim E-Auto-Start-up Lordstown Motors, die beide via Spac an die Börse gegangen sind, ermittelt die US-Börsenaufsicht SEC.
Das wirft ein schlechtes Licht auf das Segment. Die SEC arbeitet an strengeren Vorschriften für Spacs und reichte erst am Dienstag Klage gegen einen Spac-Initiator und das geplante Übernahmeziel ein. Die Stable Road Acquisition Corp. soll bei der geplanten Übernahme des Raumfahrtunternehmens Momentus die Fakten nicht ausreichend geprüft haben.
So sollen Aktionäre kurz vor dem geplanten Börsenstart hinters Licht geführt worden sein. Momentus’ Behauptung, dass ein Antriebssystem „erfolgreich getestet“ worden sei, stimmt laut SEC nicht.
In der Branche gilt das als Warnschuss für andere Start-ups, die mit extrem positiven Prognosen Investoren für sich gewinnen wollen und dabei weit von den Fakten abweichen.
Paradoxerweise ist inzwischen auch der Boom selbst zum Problem geworden. Es besteht längst ein Missverhältnis zwischen zu vielen Mantelfirmen und zu wenigen Übernahmekandidaten mit dem Potenzial für ganz große Erfolge. So kann das Gros der Spacs die Erwartungen nicht erfüllen.
Erste Frankfurter Spacs waren überzeichnet
Das muss allerdings nicht auch für Europa gelten – gleichwohl sich viele US-Spacs längst auch hier umschauen. „Amerikanische Investoren haben verstanden, dass wir als Europäer besser platziert sind, um deutsche Unternehmen zu finden und per Spac an die Börse zu bringen“, sagt Klaus Weinmann. Aus Investorensicht sei es oft auch aussichtsreicher, ein Start-up am heimischen Markt zu notieren.
Weinmanns Konzern Primepulse hatte im Frühjahr ebenfalls eine Mantelfirma gegründet und in einer sogenannten Early-Look-Roadshow das Marktinteresse getestet. Beim Start einer solchen Initiative ist besonders wichtig, was die großen amerikanischen Finanzinvestoren zu einer möglichen Beteiligung sagen.
Die ersten beiden Frankfurter Spacs waren noch überzeichnet gewesen – es gab also eine höhere Nachfrage nach Anteilen, als die Initiatoren ausgeben wollten. Primepulse machte einen Rückzieher, weil es möglicherweise nicht alle Papiere am Markt losgeworden wäre.
Laut Weinmann sagten Investoren immer wieder: Man werde erst abwarten, wie sich Hommels und auch die Initiatoren des zweiten Frankfurter Spacs von der Wagniskapitalfirma 468 Capital schlagen. Die Initiatoren sind mit Boxine, einem Hersteller digitaler Hörfiguren, in Gesprächen. „Die Fonds haben signalisiert, dass sie gerade kein Geld haben, das sie auf weitere Fonds allokieren können“, sagt er. Wenn Hommels’ Pionierprojekt erfolgreich sein sollte, wird das also ganz direkt anderen Start-ups zugutekommen.
Mehr: Skepsis bei Investoren und Warnschüsse von der SEC: Die Euphorie um Spacs ist verflogen
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