Der Manager betonte, dass er den Aufbau einer souveränen Dateninfrastruktur unterstütze, den die Bundesregierung unter den Namen „Gaia X“ vorantreibt. „Deutsche Daten sollten deutschen Unternehmen dienen – nicht nur einer Handvoll Unternehmen an der Westküste der USA und der Ostküste von China“, sagte er. Microsoft wolle mit seinen Softwaredienstleistungen dabei helfen.
Hintergrund des Gaia-X-Projekts sind Befürchtungen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Teilen der deutschen Wirtschaft, in eine Abhängigkeit von amerikanischen und chinesischen Datendiensten zu geraten.
Smith wirb deshalb in Deutschland um Vertrauen. „Wir haben bewiesen, dass wir willens sind, die Rechte Deutscher Bürger und Unternehmen zu verteidigen – auch gegen unsere eigene Regierung“, sagte er. „Ich glaube nicht, dass sie ein chinesisches Unternehmen finden, das gegen die chinesische Regierung vor Gericht gezogen ist.“
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Bei einer Microsoft-Veranstaltung hier in Berlin hat der Digitalbotschafter des Auswärtigen Amts, Hinrich Thölken, digitale Technologien jüngst als „Doping für Diktaturen“ bezeichnet. Hat er recht?
Wir haben Kommunikationstechnologien lange als etwas begriffen, das der Demokratie hilft, sich zu verbreiten. Doch das Blatt hat sich gewendet. In den vergangenen fünf Jahren haben wir gesehen, wie Autokratien digitale Technologien genutzt haben, um demokratische Prozesse zu stören – durch Hackerangriffe auf Kandidaten oder Desinformationskampagnen in sozialen Netzwerken. Wir müssen lernen, wie wir digitale Technologien nutzen können, um Demokratien dagegen zu verteidigen.
Aber lauert die Gefahr für die Freiheit nicht auch im Innern? Nicht umsonst gibt es in den USA eine Debatte um „Überwachungskapitalismus“.
Wenn einige wenige Konzerne riesige Datenmengen kontrollieren, gibt es diese Risiken. Gerade wenn deren Geschäftsmodelle auf Werbung basieren, also der permanenten Verfeinerung der Datenauswertung und der Beeinflussung von Konsumentenverhalten. Die Kernthese unseres Buches lautet daher, dass die Tech-Industrie mehr Verantwortung übernehmen muss – und Regierungen den Sektor stärker regulieren müssen. In den USA sehen wir, wie der Datenschutz der technischen Entwicklung hinterherhinkt.
Europa sucht jetzt einen „dritten Weg“ zwischen Überwachungskapitalismus der USA und der Datendiktatur China.
Es ist wichtig für Europa, einen eigenen Weg zu finden. Deutsche Daten sollten deutschen Unternehmen dienen – nicht nur einer Handvoll Unternehmen an der Westküste der USA und der Ostküste von China. Es ist unsere Aufgabe als Unternehmen, das zu unterstützen. Aber zugleich ist es wichtig, in die transatlantische Partnerschaft zu investieren. Wir teilen ein Wertesystem und ein Wirtschaftsmodell, das auf offenem Handel beruht. Also: Ja, Europa sollte einen eigenen Weg gehen. Aber hoffentlich einen, der an unsere Gemeinsamkeiten anknüpft.
Die Bundesregierung will eine „souveräne Dateninfrastruktur“ aufbauen – Gaia X –, auch um die deutsche Wirtschaft aus der Abhängigkeit von Firmen wie Microsoft zu lösen.
Im Kern geht es darum, dass deutsche Unternehmen die Möglichkeit haben, ihre Daten zu speichern, zu nutzen und, sofern gewollt, mit anderen Unternehmen zu teilen. Das klingt vielversprechend. Am besten wäre es, wenn Gaia X auf Plattformen und mit Werkzeugen vieler unterschiedlicher Technologieanbieter gebaut würde. Wir glauben, dass Microsoft der deutschen Wirtschaft Mehrwert bieten. Aber wir müssen natürlich transparent sein und sicherstellen, dass unsere Kunden ihre Daten selbst kontrollieren.
Um Abhängigkeiten geht es auch in einer anderen Technologie-Debatte: dem Huawei-Streit. Können wir chinesischen Tech-Konzernen trauen?
Die Vertrauenswürdigkeit chinesischer Unternehmen möchte ich nicht beurteilen. Ich bin hier, um über unsere Vertrauenswürdigkeit zu sprechen. Wir haben bewiesen, dass wir willens sind, die Rechte deutscher Bürger und Unternehmen zu verteidigen – auch gegen unsere eigene Regierung. Ich glaube nicht, dass sie ein chinesisches Unternehmen finden, das gegen die chinesische Regierung vor Gericht gezogen ist.
Microsoft ist auch in China aktiv. Wie stellen Sie sicher, dass Ergebnisse technologischer Zusammenarbeit nicht für Überwachung oder militärische Zwecke missbraucht werden?
Unsere wichtigste Aufgabe ist es, die Sicherheit unserer Kunden und Mitarbeiter zu gewährleisten. Und das ist nur möglich, wenn wir auch unsere Daten schützen.
Was heißt das konkret?
Das bedeutet, dass wir in bestimmten Ländern keine Datenzentren betreiben. Oder dass wir, wie in China, bestimmte Daten nicht speichern. Oder dass wir bestimmte Dienstleistungen wie für die Gesichtserkennung nicht anbieten. Außerdem gibt es Grenzen, mit wem wir in China zusammenarbeiten. So kooperieren wir nicht mit einer großen Universität, die für die Volksbefreiungsarmee Forschung und Entwicklung betreibt.
Sie sprechen sich für eine Regulierung der Technologiebranche aus, aber bisher bleibt es bei Selbstregulierung. Läuft die Branche die Gefahr, der gleichen Hybris zu verfallen wie die Banken 2008?
In der Geschichte des technischen Fortschritts hat noch keine Branche sich erfolgreich selbst reguliert. Wir brauchen dafür die Regierungen. Und ich bin durchaus optimistisch, wenn ich zum Beispiel an die Führungsrolle Europas beim Schutz der Privatsphäre durch die neue Datenschutzverordnung denke. Auch Kalifornien hat kürzlich ein Gesetz zum Schutz der Privatsphäre beschlossen. Ich glaube, wir werden in den nächsten zehn Jahren sehr viel mehr Regulierungen im Technologiesektor sehen.
Sie haben eine „digitale Genfer Konvention“ gefordert. Was sollte da drinstehen?
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, dass Regierungen in Kriegszeiten rechtlich und moralisch dazu verpflichtet sind, Zivilisten zu schützen. Wir brauchen heute eine ähnliche Übereinkunft für die Cyberwelt. Regierungen sollten weder in Friedens- noch in Kriegszeiten Zivilisten attackieren. Gerade im Frieden brauchen wir Regeln, die es Regierungen untersagen, zum Beispiel die zivile Infrastruktur anzugreifen. Es darf keine Cyberattacken auf Krankenhäuser oder die Elektrizitätsnetze geben, wie es bei dem Wannacry-Angriff 2017 der Fall war. Es sollte auch keine digitalen Attacken von ausländischen Staaten gegen die Bevölkerung geben, wie es mehrfach in der Ukraine vorgekommen ist. Und es sollte keine Manipulationen von Wahlen oder digitalen Angriffe auf Politiker geben. Dazu brauchen wir internationale Normen, die jene Regierungen bestrafen, die sich nicht daran halten.
Würden Länder wie China einem solchen Regelwerk je zustimmen?
Man muss immer mit einer Koalition der Willigen anfangen. Es gibt durchaus eine Unterstützung für digitale Normen. Nicht jedes Land zieht mit, aber viele Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen unterstützen das. Wir sollten den Fortschritt also nicht an den Ländern messen, die noch nicht dabei sind.
Wie könnten Regeln für Künstliche Intelligenz (KI) aussehen?
Es gab immer wieder neue Technologien, die unsere Welt fundamental verändert haben. Die Entwicklung des Verbrennungsmotors zum Beispiel hat viele Volkswirtschaften zwischen 1910 und 1940 grundlegend verwandelt. KI wird bis 2050 eine ähnliche Rolle spielen. Damit diese neuen Technologien verantwortungsbewusst genutzt werden, brauchen wir ethische Handlungsprinzipien. Die ungelöste Frage ist, wie wir diese ethischen Prinzipien für Unternehmen im Alltag anwendbar machen. Zudem brauchen wir Gesetze vor allem für den Einsatz der Gesichtserkennung. Das ist der erste wirkliche Test, ob wir den möglichen Missbrauch verhindern können, ohne auf den Nutzen dieser Technologie zu verzichten.
In der Wirtschaft wächst die Sorge, dass eine technologische Abkopplung des Westens von China die globalen Lieferketten kappen könnte. Wie stellt sich Microsoft darauf ein?
Wir müssen abwarten, ob der geopolitische Druck Unternehmen zwingt, ihre Lieferketten zu verändern. Es gibt erste Anzeichen dafür.
Auch bei Microsoft?
Im Moment sind wir mit unseren Lieferketten zufrieden. Ich bin zudem skeptisch, ob man große Teile der Weltwirtschaft voneinander abkoppeln kann.
Herr Smith, vielen Dank für das Interview.
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