Chef von Nextcloud Warum der „Softwareaktivist“ Frank Karlitschek gegen Microsoft mobilisiert

Der IT-Unternehmer hat eine Kartellbeschwerde gegen Microsoft eingereicht.
Düsseldorf Unternehmer oder Aktivist: Für Frank Karlitschek, 48, ist das nicht immer voneinander zu trennen. Der Softwareentwickler ist Gründer und Chef von Nextcloud, einem Anbieter von Speicherplatz und Kollaborationssoftware in der Cloud, der einen einstelligen Millionenbetrag Umsatz erwirtschaftet. Zugleich engagiert er sich seit Mitte der 1990er-Jahre in der Open-Source-Szene, die für offene Software und gegen die großen IT-Konzerne kämpft.
Das jüngste Beispiel lieferte Karlitschek in der vergangenen Woche. Da machte der Unternehmer im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ publik, dass Nextcloud beim Bundeskartellamt eine Beschwerde gegen Microsoft eingereicht habe. Der US-Konzern, so die Argumentation, habe eine „überragende, marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb“.
Geht es nach Karlitschek, ist das nicht nur für Nextcloud ein Problem, das mit Microsoft konkurriert, sondern für die gesamte Gesellschaft. „Ich möchte nicht in einer Welt leben, wo fünf Unternehmen alle Daten speichern“, sagt der Softwareentwickler in einem Gespräch mit dem Handelsblatt. „Diese Zentralisierung macht mir Angst.“
Es brauche Wettbewerb und offene Standards – und das gehe nur mit offenem Quellcode. „Software ist heute politisch“, postuliert er daher. Für den Entwickler, der sich selbst als Softwareaktivist bezeichnet, ist es schon seit dem Studium ein Thema, als er sich in einem Projekt engagierte, das das offene Betriebssystem Linux zu einer Alternative für Windows machen sollte.
Im aktuellen Fall versuchte es Nextcloud zunächst bei der EU-Kommission. „Anfangs liefen die Gespräche vielversprechend, aber mit der Zeit sind sie eingeschlafen“, berichtet Karlitschek. Also wandte sich der Unternehmer auch an das Bundeskartellamt. Das kann seit einer Gesetzesnovelle zum Jahreswechsel Technologiekonzerne strenger kontrollieren.
Konkret stört sich Karlitschek daran, dass Microsoft in Windows, das bei PCs einen Marktanteil von 75 Prozent hat, eigenen Produkten einen prominenten Platz gewährt. Der Speicherdienst Onedrive etwa sei vorinstalliert und mit dem Nutzerkonto, das viele bei der Installation des Betriebssystems anlegen, kompatibel. „Der Schritt, Software von anderen Anbietern zu verwenden, ist ziemlich groß.“
Parallele zum „Browserkrieg“
Nun bieten heute alle verbreiteten Betriebssysteme einen Speicherdienst, mit dem Nutzer ihre Daten sichern und teilen können, ob iOS von Apple, Android von Google oder eben Windows von Microsoft. Es ist eine Frage der Bequemlichkeit und der Sicherheit. „Dass diese Funktionalität hochgradig sinnvoll ist, ist klar“, sagt Karlitschek. „Die Frage ist: Hat der Nutzer eine Wahl?“
Karlitschek sieht eine Parallele zu den 1990er-Jahren, als Microsoft sein Betriebssystem Windows mit dem Browser Internet Explorer bündelte und so den Konkurrenten Netscape Navigator aus dem Markt drängte. Das anschließende Kartellverfahren zeigt aus Sicht des Managers zugleich eine mögliche Lösung auf: Ein Auswahlfenster könnte Nutzer auf alternative Produkte hinweisen.
Das Verfahren könnte langwierig sein, und ob es zu einem konkreten Ergebnis kommt, ist offen. Trotzdem verschafft es Nextcloud willkommene PR. Das Unternehmen mit seinen 70 Mitarbeitern positioniert sich als datenschutzfreundliche Alternative zu den amerikanischen Konzernen, die den Markt dominieren.
Dabei setzt es auf Open Source. Jeder darf den Quellcode überprüfen, nutzen und verändern, zudem können Kunden die Software in ihrem eigenen Rechenzentrum betreiben und damit unter eigener Kontrolle behalten.
Dort, wo Datenschutz besonders wichtig ist, sind das wichtige Argumente. Das zeigt ein Blick in die Kundenkartei: Zu den Kunden zählen die Regierungen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, in Schweden ist eine Einführung geplant. Unternehmen wie Siemens, ARD und ZDF sowie das Deutsche Rote Kreuz nutzen ebenfalls Dienste des deutschen Anbieters.
Nextcloud besetzt damit eine Nische. Für Karlitschek ist das allerdings eine Frage des Prinzips. Schon während seines Studiums engagierte er sich in der Open-Source-Szene, um Linux als Alternative zu Windows zu etablieren. 2010 startete er das Projekt Owncloud, aus dem später Nextcloud hervorging.
Es gelte, die Abhängigkeit von den großen IT-Konzernen zu verringern, um Nachteile für den Datenschutz und die Innovationsfähigkeit der Volkswirtschaften zu verhindern. „Ich versuche, die Welt durch Software zu verbessern“, sagt er heute. Auch mit rechtlichen Mitteln.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.