Chiphersteller Infineon braucht ein neues Werk – verrät aber nicht wo

Der Chipkonzern hat gerade erst sein neues Werk in Villach eröffnet. Bei einer Bauzeit für eine Fabrik von drei Jahren muss sich der Konzern aber jetzt schon Gedanken über den nächsten Standort machen.
München Gerade erst hat Infineon seine modernste Fabrik eröffnet, da stellt sich schon die Frage: Wann rollen bei Europas größtem Chipkonzern das nächste Mal die Bagger an? In drei, spätestens vier Jahren wird das neue Werk in Villach Konzernangaben zufolge voll ausgelastet sein. Bei einer Bauzeit von drei Jahren muss sich das Management daher bald überlegen, wie es weitergehen soll.
Vorstandschef Reinhard Ploss allerdings schweigt beharrlich, wenn er auf die Pläne des Halbleiterherstellers angesprochen wird. „Lasst uns diese Fabrik mal füllen, dann sehen wir, was kommt“, erklärte der Manager vergangene Woche. Nur so viel verriet der 65-Jährige: Um Größenvorteile zu erzielen, werde auch das nächste Werk wohl an einem der drei großen Standorte des Konzerns entstehen, also in Dresden, Villach oder Kulim in Malaysia.
Es gibt gute Gründe, warum Ploss so vage bleibt: Der Manager hat den Investoren versprochen, nur noch 13 Prozent vom Umsatz zu investieren. Damit soll der Dax-Konzern deutlich profitabler werden als bisher. In den vergangenen Jahren gab Infineon bis zu 18 Prozent der Erlöse für neue Maschinen und Fabriken aus.
Offenbar fürchtet Ploss, dass er sein Wort nicht halten kann. Die milliardenschwere Übernahme des US-Konkurrenten Cypress im Frühjahr 2020 machte Ploss seinen Aktionären auch mit der Ankündigung schmackhaft, dass die Investitionsquote sinkt. Denn viele der Chips der Firma aus dem Silicon Valley stammen von Auftragsfertigern.
Die Auftragsfertiger kommen mit den Bestellungen von Infineon nicht nach
Genau jene Lieferanten, die sogenannten Foundries, können aber seit Monaten längst nicht so viel herstellen, wie Infineon und andere Halbleiterkonzerne bestellen. Der bislang so attraktive, kapitalschonende Mix aus eigenen und fremden Fabriken stößt an Grenzen. „Die Eigenfertigung hat ihren Wert, das zeigt sich in der gegenwärtigen Situation“, sagte Produktionsvorstand Jochen Hanebeck zur Eröffnung des neuen Werks in Villach Mitte des Monats.
Chipwerke sind horrend teuer, daher hören die Analysten genau hin, wenn es um die weiteren Fabrikpläne von Infineon geht. In das Werk in Kärnten wird der Konzern bis Mitte des Jahrzehnts 1,6 Milliarden Euro stecken, das entspricht rund 15 Prozent des für dieses Geschäftsjahr (30.9.) geplanten Umsatzes. Ziel von Ploss ist es, im Endausbau mit der Fabrik jährlich zwei Milliarden Euro Umsatz zu erzielen.
In Villach produziert Infineon sogenannte Leistungshalbleiter, wie sie unter anderem zur Stromversorgung von Elektroautos eingesetzt werden. Das Geschäft mit dieser Art von Chips boomt, und so warnte der Branchenverband ZVEI bereits im vergangenen Herbst vor langfristigen Versorgungsengpässen. Einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation im Auftrag des ZVEI zufolge wird sich der Bedarf bis 2030 vervierfachen. Um die Nachfrage zu befriedigen, müssten sich Fachleuten zufolge Infineon und Konkurrenten schon nächstes Jahr dazu entschließen, mehrere neue Werke zu bauen – alle in der Größenordnung von Villach.
Infineon entwickelt sich seit Monaten äußerst dynamisch. Im jüngsten Quartal ist der Umsatz um ein Viertel auf gut 2,7 Milliarden Euro geklettert. Die operative Marge betrug 18,2 Prozent. Im Mai hat Ploss die Prognose bereits zum zweiten Mal in diesem Geschäftsjahr angehoben. Der Manager verspricht nun einen Umsatz von elf Milliarden Euro, 200 Millionen Euro mehr als zuvor. Zudem kündigte der Manager eine operative Marge von 18 Prozent an, ein Plus von 0,5 Prozentpunkten. Diese Prognose bekräftigte Ploss im August. Langfristiges Ziel des Konzerns über einen Branchenzyklus hinweg ist eine Marge von 19 Prozent und ein jährliches Umsatzplus von mehr als neun Prozent.
Bei Leistungshalbleitern hat Infineon einen Vorsprung
Dass Infineon die Leistungshalbleiter selbst produziert, ist kein Zufall. Denn auf diesem Feld behauptet der Konzern seit Jahren einen technologischen Vorsprung gegenüber Konkurrenten wie ST Microelectronics. Die Münchener haben frühzeitig die wegweisende 300-Millimeter-Dünnwafer-Technologie entwickelt. Auf 300 Millimetern können pro Wafer, also pro Siliziumscheibe, bis zu 2,25-mal mehr Chips verarbeitet werden als auf den bisher üblichen 200 Millimetern. Trotz der höheren Ausgaben für Maschinen und Material sinken die Stückkosten um bis zu 30 Prozent. Damit kann Infineon in Europa nahe an den Kunden fertigen.
Für den 5. Oktober hat Ploss Investoren und Analysten zu einem Kapitalmarkttag nach London eingeladen – der ersten Veranstaltung dieser Art seit 2018. Die Frage des nächsten Werks dürfte ganz oben auf der Agenda der Teilnehmer stehen. Ploss selbst wird einen Neubau indes nicht mehr verantworten. Ende kommenden Jahres läuft der Vertrag des Ingenieurs aus.
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