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Daten-Expertin Yvonne Hofstetter „Wir machen den Menschen zu einer Maschine“

Yvonne Hofstetter, Expertin für künstliche Intelligenz, spricht im Interview über unbedarfte Nutzer, übermächtige Konzerne aus den Silicon Valley und die gefährdete Demokratie.
08.09.2015 - 10:56 Uhr
Schon simple Spiele auf dem Smartphone geben Daten an bis zu 250.000 Drittunternehmen weiter. Quelle: picture alliance / dpa-Zentralbi
Yvonne Hofstetter

Schon simple Spiele auf dem Smartphone geben Daten an bis zu 250.000 Drittunternehmen weiter.

(Foto: picture alliance / dpa-Zentralbi)

Unverdrossen warnt sie vor der wachsenden Vorherrschaft der amerikanischen IT-Industrie. Dabei weiß Yvonne Hofstetter um die schier unermessliche Macht ihrer Gegner – und um ihre scheinbar aussichtslose Position. Aber Resignation? Das ist für die Expertin keine Option. Vom bayerischen Hallbergmoos aus kämpft sie gegen das Silicon Valley.

Frau Hofstetter, warum interessiert es so viele Nutzer in Deutschland nicht, was mit ihren Daten passiert?
Weil sie die Digitalisierung nicht verstehen. Fragen Sie in Deutschland mal herum, was Digitalisierung bedeutet. 80 bis 90 Prozent der Menschen werden Ihnen das nicht erklären können. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Deutschland bei digitalen Technologien und Geschäftsmodellen keine Rolle spielt, weil sie meist aus den USA kommen. Das Problem ist aber, dass wir es bei der Digitalisierung mit einem globalen Megatrend zu tun haben – mit Big Data, Überwachung und allem, was dazu gehört.

Aber warum sollte das Thema Digitalisierung die Menschen beschäftigen?
Die Digitalisierung verwandelt unser gesamtes Leben, unseren Alltag und unsere Geschäfte in einen Riesencomputer. Alles, was wir tun und was wir sagen, wird überwacht und vermessen. Die entstehenden Daten werden analysiert – durch wen auch immer. Die Digitalisierung zieht den Menschen in eine Maschinensphäre hinein – einfach dadurch, dass er sein Smartphone anschaltet.

Das klingt nach einer futuristischen Endzeit-Utopie.
In der Tat. Wir machen den Menschen zu einer Maschine. Und das ist ja auch genau das, was das Silicon Valley sagt: Der Mensch ist die ultimative Maschine. Das passt aber nicht zu unserem Menschenbild und unserer Verfassung. Dort steht, die Menschenwürde ist unantastbar. Aber durch die Vermessung und die Analyse der Daten wird die Menschenwürde angetastet.

Wie sieht das konkret aus?
Keiner hat die Daten, die er erzeugt, unter Kontrolle. Sie werden einfach abgegriffen. Schon simple Spiele auf dem Smartphone geben Daten an bis zu 250.000 Drittunternehmen weiter. Dabei fragen die Spiele Daten ab, die für das Spielen der Anwendung gar nicht benötigt werden. Und aus relativ wenigen Daten können Firmen schon viele relevante Informationen ableiten – etwa über ihre Kreditwürdigkeit oder bei sozialen Netzwerken über ihre sexuelle Orientierung.

Werden die Daten denn wirklich abgegriffen oder geben wir sie freiwillig heraus?
Wir geben unsere Daten freiwillig ab – einfach indem wir das Häkchen setzen, mit dem wir den Nutzungsbedingungen zustimmen. Aber die Tragweite dieser Zustimmung ist kaum einem bewusst. Eigentlich verbietet der Gesetzgeber in Europa, Menschen datenmäßig zu erfassen und zu analysieren – es sei denn, der Nutzer stimmt zu. Wenn Sie sich beispielsweise auf einer Shopping-Seite mit den Geschäftsbedingungen einverstanden erklären, erlauben Sie 40 bis 50 Firmen auszuwerten, was sie kaufen, was sie sich anschauen und wie sie zahlen.

Kann man die Angebote auch nutzen, wenn man die Nutzungsbedingungen ablehnt?
Nein. Wenn Sie einen Service nutzen wollen, müssen Sie zustimmen. Das Problem ist, dass wir es oft mit Monopolen zu tun haben. Entweder ich stimme einem monopolitischen Angebot wie Facebook zu, oder ich kann den Service nicht nutzen und mein Netzwerk nicht erreichen. Punkt.

Warum ist es gefährlich, wenn einige Unternehmen große Datenmengen speichern?
Die Daten liegen da ja nicht nur so einfach rum. Alles, was Nutzer zum Beispiel auf Facebook anklicken, schreiben, hochladen, wertet das Unternehmen aus. Firmen, die mit dem sozialen Netzwerk zusammenarbeiten, kaufen diese Daten, um Informationen über ihre Zielgruppen zu bekommen – auch wenn Facebook das vehement bestreitet. Darunter sind Daten, die nicht nur den Wohnort und den Familienstand beinhalten, sondern auch den Gesundheitszustand und die Information, ob die Person lieber mit jüngeren Mädchen oder älteren Frauen schläft.

Was machen die Unternehmen mit den gekauften Daten?
Im harmlosesten Fall kreieren die Unternehmen nur personalisierte Werbung. Aber stellen Sie sich vor, die Daten gelangen an Ihre Krankenversicherung. Daten, die Rückschlüsse darüber erlauben, ob Sie depressiv sind, weil Sie jeden Sonntagabend vier Stunden mit ihrer Mutter chatten. Durch Datenanalyse entstehen relevante Informationen, die mit Ihrem Namen hinterlegt sind – und von denen sie keine Ahnung haben.

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