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Digitale Ethik „Beachten, welche Folgen KI für den Menschen hat” – Diese Frau möchte den Umgang mit KI regeln

Sarah Spiekermann stellt einen weltweiten Standard vor, mit dem Unternehmen Technologien menschenfreundlich bauen sollen. Die EU-Kommission prüft das Regelwerk bereits.
16.11.2021 - 17:00 Uhr Kommentieren
Die Wissenschaftlerin setzt mit ihrer Organisation neue Standards. Quelle: David Payr
Sarah Spiekermann

Die Wissenschaftlerin setzt mit ihrer Organisation neue Standards.

(Foto: David Payr)

Düsseldorf Nach sechs Jahren Arbeit, mit 34 Informatikern aus sechs Kontinenten war es für die KI-Forscherin Sarah Spiekermann endlich so weit. Am Dienstag stellte sie an der Wirtschaftsuniversität Wien das 83 Seiten dicke Handbuch vor, mithilfe dessen Unternehmen und Softwareentwickler ethisch vertretbare Technologien bauen können.

Zusammen mit dem weltweiten Ingenieurverband IEEE entwickelte Spiekermann Regeln für Softwareentwickler, Unternehmen und Start-ups. Sie sollen mithilfe dieses Standardwerks digitale Technologien möglichst so entwickeln können, dass sie keine negativen Einflüsse und Auswirkungen auf die Menschen haben, die sie anwenden.

Der IEEE 7000, so heißt das Regelwerk, sei „der erste global anwendbare Prozessstandard“, sagt Wirtschaftsinformatikerin Spiekermann, die die Erstellung des Standards leitete. „Eine wesentliche Säule ist, die Kontrolle über Datenverarbeitungspartner, insbesondere KI-Partner, zu haben“, erklärt sie. „Eine andere Säule ist: zu beachten, welche Folgen eine KI auf den Menschen hat, wenn er sie anwendet.“

In anderen Worten: Etwa wie bei den Warnhinweisen auf einer Zigarettenpackung, soll auch bei digitalen Produkten klar sein, welche Folgen sie bergen. Fälle, in denen Technologie, wie etwa Künstliche Intelligenz, unerwünschte Nebenwirkungen mit sich brachte, gab es bis heute zahlreiche. Bekannt ist etwa der Bewerbungs-Bot von Amazon vor einigen Jahren, der Frauen benachteiligt einstellen ließ, weil er hauptsächlich mit Daten über Männer gefüttert wurde.

Oder aber auch Erzählungen von Whistleblowern: Jüngst machte Ex-Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen öffentlich, Facebook hätte durch Studien lange gewusst, dass seine Dienste psychische Folgen für seine Nutzer haben können.

Auch die EU arbeitet daran, einen kontrollierten Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu finden. „Die Kommission prüft derzeit den neuen IEEE-Standard“, bestätigt ein Kommissionsbeamter der EU. „Wir begrüßen die Bemühungen von IEEE, die ethischen Überlegungen in das Design der Künstlichen Intelligenz zu integrieren.“ Der Standard stehe im Einklang mit einer vorgeschlagenen Verordnung über KI, gezielte Regeln für die Gestaltung, Entwicklung und Nutzung von KI-Anwendungen zu schaffen, heißt es.

Menschliches Wohlergehen soll im Vordergrund stehen

Spiekermann, geboren in Düsseldorf, leitete nicht nur die Arbeitsgruppe, sie entwickelte bereits zuvor das Grundgerüst für den neuen IEEE-Standard. Sie nennt es auf Englisch „Value based Engineering“, also wertebasierte Bautechnik, nachdem die IT-Entwicklung vor allem auf menschliches Wohlergehen abzielen soll.

Die 48-Jährige selbst war für Technologieunternehmen tätig, beispielsweise für Openwave Systems in den USA. Sie arbeitete bereits in unterschiedlichen Arbeitsgruppen an EU-Datenschutzbestimmungen mit oder für einen Report der OECD zum Thema Big Data.

Rund 14 Jahre lang forschte sie zum Thema „Privatsphäre gegenüber Maschinen“, seit 2014 zur Ethik in der IT-Systemgestaltung. An der Wirtschaftsuniversität Wien leitet sie seit 2009 das Institut für Wirtschaftsinformatik und Gesellschaft. „Im Moment wird immer noch gesagt, eine KI muss datenschutzfreundlich, transparent und verlässlich sein“, kritisiert Spiekermann. „Das sind aber Anforderungen, die man von einem funktionierenden System sowieso erwartet, also dass man als Käufer weiß, was es tut.“

In den IEEE-7000-Standard eingebracht habe sie nun, welche Folgen die Technologie für die Gesellschaft und für den einzelnen Menschen haben kann. „Etwa wie die Technik den Charakter oder die Tugenden eines Menschen verändern kann“, sagt Spiekermann.

Auch EU arbeitet an „digitalen Grundsätzen“

Auch Stefan Ullrich von der Fachgruppe Ethik von der Gesellschaft für Informatik hat sich den Standard bereits angesehen. „Ich kann mir schon vorstellen, dass Entwicklerteams mit diesem Standard viel diverser sein werden und dass auch die Frage wichtiger wird, auf welche Art und Weise wir Software bauen.“

Die EU arbeitet derzeit am sogenannten Digitalen Kompass, der genaue Digitalziele der EU umsetzen soll. Eins davon: Bis 2030 sollen drei von vier Unternehmen Cloud-Computing-Dienste, Big Data und Künstliche Intelligenz nutzen. Dafür sollen auch „digitale Grundsätze“ geschaffen werden, sagt ein Kommissionsbeamter. „Die Vorbereitungsarbeiten dauern noch an, und die Kommission wird den Erklärungsentwurf bis Ende 2021 veröffentlichen.“

Abgesehen davon, ob Spiekermanns Regelwerk seinen Weg in die Gesetzgebung finden wird, können Unternehmen den Standard beim Ingenieurverband erwerben. Die Wirtschaftsinformatikerin hat dazu auch weitere Pläne: „Wir fangen jetzt an, eine erste Generation von Coaches und Beratern auszubilden, die den Standard in die Unternehmen hineintragen können.“ Zudem, sagt Spiekermann, werde bereits auch schon über die Vergabe von Lizenzen nachgedacht.

Mehr: Ethik im Digitalzeitalter – Warum wir ein Biosiegel für Software brauchen

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