Ex-Mannesmann-Chef im Interview Klaus Esser: „Wir brauchen jemanden, der das Unternehmertalent mitbringt“

„Compugroup ist voll von technisch versierten Leuten.“
Düsseldorf Der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser ist mit 72 Jahren noch immer bestens vernetzt in Deutschland. Am Donnerstag gelang ihm ein Coup: Er konnte den Telekom-Deutschlandchef Dirk Wössner als CEO für die auf Arztpraxen und Apotheken spezialisierte Softwarefirma Compugroup gewinnen.
Im Interview beschreibt er, wie es ihm gelang, den Telekom-Topmanager anzuwerben, und warum die Firmengröße aus seiner Sicht nicht das wichtigste Kriterium für eine anspruchsvolle Management-Aufgabe ist. „Bei Mannesmann lag der Reiz für mich nicht in der Größe des Unternehmens, sondern im unternehmerischen Freiraum, den ich nutzen konnte“, sagte Esser. Diesen Freiraum biete die Compugroup.
Dazu erklärt er außerdem, warum sich die Deutsche Telekom auf lukrative Wachstumsbereiche konzentrieren sollte und große Fusionen dafür nicht das richtige Mittel sein könnten.
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Herr Esser, Sie haben den Telekom-Deutschlandchef vom Wechsel überzeugt. Wie ist Ihnen das gelungen?
Wir haben eine sehr attraktive Position und Aufgabe zu vergeben. Gründer Frank Gotthardt hat die Compugroup über drei Jahrzehnte sehr erfolgreich aufgebaut. Jetzt werden wir erstmals einen angestellten Manager beschäftigen. Und die größten Wachstumschancen liegen noch vor uns. Das ist eine großartige unternehmerische Herausforderung. Davon konnten wir Dirk Wössner überzeugen.
Sie kennen den Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Telekom, Ulrich Lehner, gut. Ist er Ihnen nicht böse, dass Sie ihm einen Topmanager weggeschnappt haben?
Lehner ist ein Vollprofi. Niemand ist erfahrener als er. Und es gehört zu jeder tüchtigen Unternehmerpersönlichkeit, dass sie sich im Alter von Anfang 50 Jahren Gedanken über ihre Zukunft macht. Das hat Herr Wössner getan. Und wir können ihm eine spannende Perspektive für die nächsten zehn bis 15 Jahre bieten.
Bei der Telekom hatte Wössner auf die Nachfolge als Konzernchef gehofft. Ist da der CEO-Posten bei der Compugroup nicht in einer deutlich niedrigeren Liga? Sie waren ja selbst Chef von Mannesmann.
Bei Mannesmann lag der Reiz für mich nicht in der Größe des Unternehmens, sondern im unternehmerischen Freiraum, den ich nutzen konnte. In meiner Zeit wurde Mannesmann groß umgebaut. Bei der Compugroup können wir eine riesige unternehmerische Chance bieten. Das hat Dirk Wössner angesprochen.
„Wir stellen keine Forderungen“
Aber passt Dirk Wössner überhaupt zur Compugroup? Er kommt aus einer völlig anderen Branche.
Das Unternehmen Compugroup ist voll von technisch versierten Leuten. Das Fachwissen besitzen wir schon. Aber wir brauchen jemanden, der das Unternehmertalent mitbringt, die Führungskraft, den Ehrgeiz. Und das hat Dirk Wössner.
Wössners Vertrag bei der Telekom läuft noch bis zum Jahresende. Wollen Sie ihn nach Möglichkeit schon früher holen?
Wir freuen uns über jeden Tag, den Dirk Wössner früher kommt. Aber wir stellen keine Forderungen. Das ist eine souveräne Entscheidung der Telekom.
Was macht Sie sicher, dass Wössner nicht bei einem guten Angebot zurück zur Telekom wechselt?
Ich glaube, dass wir uns einen guten Eindruck von der Struktur seines Unternehmergeistes machen konnten. Und der Reiz seiner Aufgabe bei uns liegt in dauerndem starkem Wachstum. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er befriedigt wäre, wenn er nach begrenzter Zeit bei uns hinschmeißt. Wir suchen einen Manager, der das Geschäft für zehn Jahre und länger entwickelt.
Sie sind gut in der Telekommunikations-Branche vernetzt. Wössner galt als Kandidat für die Nachfolge von Telekom-CEO Timotheus Höttges. Wen sehen Sie nun als Nachfolger?
In der Generation kenne ich mich nicht gut genug aus. Ich bin sicher, dass andere – die nah dran sind – den richtigen Kandidaten finden werden.
Es gab Konflikte zwischen Höttges und Wössner. War es ein Fehler für die Telekom, Wössner ziehen zu lassen?
Ich glaube, dass es immer richtig ist, Menschen, die ernsthaft gehen wollen, auch ziehen zu lassen. Wenn jemand eine überlegte Entscheidung für seinen Karriereweg getroffen hat, sollte sich ihm auch niemand in den Weg stellen.
„Es kommt nicht auf die Größe an“
Für die Telekom steht die große Fusion in den USA kurz bevor. Sollte Sie sich nun stärker auf die USA oder auf Europa konzentrieren?
Ich möchte keine Ratschläge an die Telekom geben. Die Situation sehe ich von außen so: Ein Fokus auf Deutschland ist für die Telekom ein Muss. Es ist der Geburtsort der Telekom. Aber in den USA hat sie sich über Jahre eine gute Position erkämpft. Die sollte sie nutzen. Ein Fokus auf die USA schließt mehr Engagement in Europa nicht aus.
Sollte die Telekom große Fusionen in Europa anstreben?
Es kommt nicht auf die Größe an. Es geht darum, neue Wachstumsbereiche zu erschließen. Die liegen in neuen Dienstangeboten: Dazu zählen Streaming und alle Verknüpfung von Datenkommunikation mit Inhalten.
Die Compugroup hat Schritt für Schritt immer neue Dienste besetzt. Wie sind Sie genau vorgegangen?
Bei der Compugroup geht es seit 30 Jahren um immer neue, immer weitere Funktionen, Inhalte, Dienste in der Software. Von der Abrechnung zur elektronischen Patientenakte, zu mehr Unterstützung der Ärztinnen und Ärzte bei Diagnose, Verschreibung, Therapie. Jetzt zuletzt zur Verbindung aller im Gesundheitswesen mit einem sicheren Telematik-Netz. Aber das meiste kommt erst noch. Wir haben alle Hände voll zu tun.
Wettbewerber werfen Ihnen vor, Ihre Marktmacht auszunutzen. Stimmt das?
Wir bieten auch unseren Wettbewerbern an, unsere Dienste, etwa in der Telematik, einzusetzen. Da operieren wir ähnlich wie Apple. Unsere Plattform ist offen.
Aber auch Apple wird eine hohe Marktmacht vorgeworfen. Erwarten Sie, dass Sie künftig stärker in den Fokus von Regulierern geraten?
Nein, dafür sind wir nicht groß genug. Bei Kliniksoftware sind wir nicht die Nummer eins. Der Druck kommt für uns nicht von Regulierern, sondern von einem starken Wettbewerb. Wir wollen noch schneller und innovativer werden. Nur so können wir vorne bleiben.
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