Finanzierung für Start-ups Ehemalige Tengelmann-Investoren gründen neuen Wagniskapitalgeber

Cusp Capital will in Start-ups investieren, die Nachhaltigkeit und Digitalisierung kombinieren.
Düsseldorf Viele Start-ups richten sich mit ihren Dienstleistungen an Menschen mit höheren Einkommen. Eine neue Wagniskapitalfirma will in Start-ups investieren, die sich an alle anderen richten: „Breitere Bevölkerungsschichten mit einem geringeren Einkommen finden in der Onlinewelt in vielen Bereichen aus unserer Sicht noch keine passenden Produkte und Dienstleistungen“, sagt Christian Winter, der mit der Wagniskapitaltochter des Familienunternehmens Tengelmann einst etwa früh in den Lieferdienst Delivery Hero investiert hat.
Nun startet Winter zusammen mit den ehemaligen Tengelmann-Ventures(TEV)-Investoren Jan Sessenhausen, Helmut Klawitter und Wilken Engelbracht seine eigene Firma Cusp Capital. Das Unternehmen handele unabhängig von Tengelmann, aber mit finanzieller Unterstützung des Unternehmens.
Am Dienstag haben die Gründer erste Details zu ihrem Fonds und den Investmenthypothesen bekanntgegeben. Demnach stehen in den kommenden Jahren 300 Millionen Euro für junge Technologieunternehmen aus Europa zur Verfügung. Bei einer ersten Beteiligung will Cusp jeweils einstellige mittlere Millionenbeträge investieren.
In einem umkämpften Markt um die Beteiligung an Start-ups wollen die Investoren gesellschaftliche und technische Entwicklungen analysieren und entlang spezifischer Hypothesen investieren. So wähnen sie etwa große Chancen mit Dienstleistungen im niedrigeren Preissegment: „Das Internet, wie wir es heute kennen, ist von Eliten für Eliten gemacht“, sagt Wintergingen. Viele digitale Geschäftsmodelle gingen somit an weiten Teilen der Gesellschaft vorbei.
Sein Partner Sessenhausen blickt zum Beispiel kritisch auf die Sofort-Lieferdienste wie Gorillas und Flink, die derzeit viele Millionen investieren: „Lieferungen am selben Tag sind ein angenehmer Service, aber superteuer, und die Frage ist: Braucht das wirklich jeder?“ Solche Geschäftsmodelle fokussierten sich auf eine sehr spezielle Zielgruppe, nicht auf die breite Masse, sagt der studierte Informatiker.
Auf der Suche nach aussichtsreichen Gründungen in diesem Bereich wollen die Investoren gezielt abseits der Start-up-Hotspots wie Berlin, München oder London Ausschau halten. „Offline-Unternehmen, die in diesem Segment erfolgreich sind, kommen auffällig häufig aus dem ländlichen Raum“, sagt Sessenhausen. Nach der Beobachtung der Investoren liegt das auch an einem anderen Kostenbewusstsein innerhalb dieser Unternehmen, die „über geringe Strukturkosten und eine effiziente Organisation“ verfügten. Die Standorte von Cusp Capital werden sich in Essen und Berlin befinden.
Cusp Capital: Unabhängiger von Tengelmann
Einen weiteren Trend sehen die Cusp-Gründer in der Kombination aus Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe, die sich nachhaltig orientieren wollten, müssten ihre Fortschritte mit digitalen Lösungen auch messbar machen können. Treiber des Nachhaltigkeitstrends seien inzwischen Verbraucher, Mitarbeiter, die Gesetzgebung und der Kapitalmarkt, der Unternehmen zunehmend auch nach ihrer Ökobilanz bewerte, sagt Sessenhausen.
Das Geld will Cusp vor allem Start-ups in der frühen Wachstumsphase (Series A) bereitstellen, in Ausnahmen auch früher. Im laufenden Jahr wird Cusp voraussichtlich die ersten fünf oder sechs Investments tätigen. Insgesamt soll das Geld für Beteiligungen an 25 bis 30 Firmen ausreichen. 60 Prozent des 300-Millionen-Fonds werden nach Aussagen der Investoren für Folgeinvestments reserviert.

Nach etwa zehn Jahren bei Tengelmann Ventures hat er mit Kollegen eine eigene Wagniskapitalfirma gegründet.
Das Venture-Capital-Geschäft von Tengelmann im deutschsprachigen Raum wird derweil seit Oktober 2020 von der Holding Tengelmann Twenty-One betreut. Hauptverantwortlich für das bestehende Portfolio und neue Beteiligungen ist dort Strategiechef Andreas Guldin. Direkte Beteiligungen an Start-ups blieben auch weiterhin ein strategisch wichtiger Geschäftsbereich, heißt es bei Tengelmann. In die beiden TEV-Fonds waren insgesamt rund 400 Millionen Euro geflossen.
Daneben investiert Tengelmann nun aber auch einen zweistelligen Millionenbetrag in den Fonds von Cusp. Über die eigene Neuaufstellung sagt Christian Winter: „Wir haben nach zehn Jahren Resümee gezogen und entschieden, dass die Perspektive für die nächsten zehn Jahre eine neue, unabhängigere Ausrichtung mit einer breiteren Investorenbasis beinhaltet.“ Ein Vorteil der neuen Struktur sei auch die Öffnung für ein größeres Netzwerk.
Mehr: Schub für Tech-Start-ups – Exklusiver Report zeigt die Trends bei den Gründungen in Deutschland.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.