Finanzierungsrunde KI-Start-up Aleph Alpha sammelt 23 Millionen Euro Risikokapital ein

Nach Vorbild der US-Firma OpenAI baut der Unternehmer in Heidelberg ein Start-up auf.
Hamburg Der 40-jährige frühere Apple-Manager Jonas Andrulis hat für sein KI-Start-up Aleph Alpha hochkarätige Unterstützer gefunden. Drei Investoren geben zusammen 23 Millionen Euro Risikokapital – vergleichsweise viel für eine erste Wachstumsrunde.
Zu den Geldgebern gehören der Investor Klaus Hommels mit seinem Fonds Lakestar, der Berliner Frühphasen-Investor Earlybird und der Münchener Tech-Finanzierer UVC. Schon vor gut einem halben Jahr hatte Andrulis 5,3 Millionen Euro Anschubfinanzierung erhalten.
Sowohl die Technik als auch das Personal für seine Vorhaben sind kostspielig. Die Hälfte des Geldes solle in Hardware fließen, kündigt Andrulis im Gespräch mit dem Handelsblatt an. Aleph Alpha legt seinen ersten Schwerpunkt auf die automatisierte Erstellung von Texten.
Es ist ein Schritt auf dem Weg zu einer KI, die sich breit einsetzen lässt: „Diese Art der Technologie ist der Motor der nächsten industriellen Revolution“, sagt Andrulis. Er wolle dabei europäische Werte einbringen und sich so von Anbietern in den USA und China absetzen, die als Vorreiter gelten.
Zuletzt wurde etwa diskutiert, dass KI häufig rassistische Muster reproduziert – schließlich produziert die KI Texte auf Basis von zuvor eingespeisten großen Datenmengen mit all ihren Schwachstellen. Zudem könnte Bilderkennung eingesetzt werden, um Menschen exzessiv zu überwachen. In China etwa wird Gesichtserkennung von den Behörden eingesetzt. Andrulis will an solchen Stellen gegensteuern.
Bei seinem langfristigen Ziel ist er deshalb um große Worte nicht verlegen: „Wir sind als einzige europäische Firma dazu bereit, die Basistechnologie für transformative Künstliche Intelligenz zu liefern“, sagt der Gründer von Aleph Alpha. Nicht weniger als die „europäische Souveränität“ für die Schlüsseltechnologie will er vom Standort Heidelberg aus sichern.
Aleph Alpha arbeitet an KI-Sprachmodellen für Gaia X
Aktuell arbeitet Aleph Alpha an der geplanten europäischen Cloud-Lösung Gaia X mit. Zusammen mit Partnern wie Fraunhofer und dem Forschungszentrum Jülich entwickeln die Heidelberger einen Gaia-X-Knoten für große KI-Sprachmodelle und Sprachapplikations-Services. Zudem will der Gründer dafür sorgen, dass auch weniger genutzte europäische Sprachen in der KI berücksichtigt werden.
In dem Projekt wollen mehrere Partner ein offenes Sprachmodell, Open-PPT-X, erarbeiten. Es soll in Konkurrenz treten zum US-Anbieter OpenAI, dem mit seinem GPT-3 ein Durchbruch in dem Gebiet gelungen ist – allerdings bislang nur auf Englisch und nicht mehr mit offenem Quellcode (Open Source).
Für den neuen Investor Hommels ist die technologische Souveränität Europas schon lange ein wichtiges Thema. Er wird in den neuen Beirat von Aleph Alpha einziehen. „Wir glauben, dass Aleph Alpha mit dem herausragenden Team und Ehrgeiz bestens positioniert ist, generalisierende KI-Modelle zu liefern, die den US-amerikanischen und chinesischen Pendants in nichts nachstehen“, zeigt sich Hommels zuversichtlich.
Dafür will Aleph Alpha Teil der globalen KI-Community sein und setzt auf Open Source. Das Start-up habe etwa englischsprachige Textdaten für das chinesische Sprach-KI-Projekt Wu Dao beigesteuert.
Das Ziel der generalisierten KI – also einer Technologie, die nicht auf bestimmte Einsatzgebiete festgelegt ist – will Andrulis dabei immer im Auge behalten. „In zehn Jahren könnte es so weit sein. Die Technologie könnte die Hälfte der Arbeit erledigen, die heute an PC-Arbeitsplätzen erledigt wird“, prognostiziert er.
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Andrulis plant schon die nächste Finanzierungsrunde
Mit dem frischen Geld will der Gründer nun die Entwicklung beschleunigen. Das Team von derzeit 26 Mitarbeitern soll auf das Doppelte anwachsen – samt einem zusätzlichen Büro in der Start-up-Metropole Berlin.
Die Finanzierung ist für Andrulis nur ein Zwischenschritt. In den kommenden Monaten will er das Risikokapital auf rund 100 Millionen Euro aufstocken. So viel sei nötig, um international mithalten zu können, meint der Gründer. „Mit der neuen Finanzierungsrunde ist es realistischer denn je, dass wir diese Summe zusammenbekommen“, sagt er.
Auf dem Weg dahin will er Projekte mit Start-ups, Beratern und Dax-Konzernen aufsetzen. Für das laufende Jahr sollen diese bezahlten Pilotprojekte bereits eine Million Euro Umsatz einspielen. Konkrete Projekte nennt Andrulis aber nicht, nur so viel: Bei einigen Projekten gehe es darum, internes Wissen per Datenanalyse verfügbar und nutzbar zu machen.
Mit seinen Vorhaben überzeugt Aleph Alpha auch Wissenschaftler. So ist aus der Zusammenarbeit mit dem Darmstädter KI-Professor Kristian Kersting sogar eine kleine Beteiligung erwachsen.
Aleph Alpha treibe konkrete Anwendungen voran, sagte Kersting auf Anfrage: „Das ist extrem wichtig, damit wir in Deutschland und Europa unsere Souveränität in KI aufbauen können.“
„Diese und ähnliche Modelle werden uns helfen, die nachhaltige und ressourcenschonende Gestaltung von Prozessen in Industrie und Wirtschaft ebenso wie den Kampf gegen den Krebs und die Klimakatastrophe oder die Suche nach den Antworten auf die letzten Menschheitsfragen anzugehen.“ Vielleicht, so hofft Kersting, sogar auf die uralte Frage: „Woher kommen wir, und wohin werden wir gehen?“
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