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Fitness-Branche im Lockdown Fitness-Spezialist Egym erhält trotz Coronakrise frisches Geld von Investoren

Der Fitnessgeräte-Spezialist Egym hat seine Produktpalette rasch angepasst und Geldgeber überzeugt. Gründer Roesch-Schlanderer musste dennoch harte Einschnitte vornehmen.
01.02.2021 - 13:46 Uhr Kommentieren
Das Start-up kam mit einer raschen Reduzierung der Kosten und einer Umstellung der Produktpalette auf die Anforderungen in Corona-Zeiten vergleichsweise stabil durch die Krise.
Fitnessgerät von Egym

Das Start-up kam mit einer raschen Reduzierung der Kosten und einer Umstellung der Produktpalette auf die Anforderungen in Corona-Zeiten vergleichsweise stabil durch die Krise.

München Die Coronakrise traf das erfolgsverwöhnte Start-up Egym aus dem Nichts. Jahrelang war die Firma mit ihren digital vernetzten Fitnessgeräten rasant gewachsen und hatte bei Investoren mehr als 100 Millionen Euro eingesammelt. Ein Börsengang war in Sicht.

Dann kam die Corona-Pandemie, und die Fitnessstudios mussten monatelang schließen. Egym musste brutal auf die Bremse treten. „In der Woche vor den Kündigungen hatte ich schlaflose Nächte“, sagt der 38-jährige Gründer Philipp Roesch-Schlanderer. 100 der 450 Beschäftigten mussten gehen.

Dass der CEO so schnell reagierte, war schmerzhaft, aber hilfreich. Egym entwickelte ein gesundheitsorientiertes „Immunity Boost Programm“, mit dem die Fitnessstudios stärker auf die Stärkung des Immunsystems setzen konnten statt nur auf die Ästhetik. Zudem ließen sich über die Egym-Programme auch die Buchung der Studios nach Hygieneregeln planen und die Abstände kontrollieren.

Das Start-up kam so – mit einer raschen Reduzierung der Kosten und einer Umstellung der Produktpalette auf die Anforderungen in Corona-Zeiten – vergleichsweise stabil durch die Krise. Die Umsätze lagen am Ende des Jahres zwar nicht wie ursprünglich geplant im dreistelligen Bereich, aber immerhin auf dem Vorjahresniveau von 82 Millionen Euro.

Wichtiger noch: Die Geldgeber blieben treu und haben nach Informationen des Handelsblatts in einer neuen Finanzierungsrunde weitere 28 Millionen Euro in das Unternehmen investiert. „Wir fahren 2020 und 2021 im Safety-Car-Modus und schauen, dass wir keine Unfälle bauen“, sagt Roesch-Schlanderer. „Doch langfristig können wir und die gesamte Branche von der Situation profitieren.“ Ab 2022 erwarte die Branche wieder starkes Wachstum. Denn Gesundheit bleibt auch in Pandemiezeiten ein wichtiges Thema.

Fitnessstudios machen seit fünf Monaten keinen Umsatz

Kurzfristig aber leiden die Fitnessstudios so stark wie kaum eine andere Branche unter den Lockdowns. „Die Lage ist mittlerweile als äußerst prekär zu bewerten“, schrieb Birgit Schwarze, Präsidentin des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV), vor wenigen Tagen in einem Brandbrief.

Die Betriebe seien mittlerweile mehr als fünf Monate ohne echten Umsatz. Besonders bitter: Im Januar und Februar werden normalerweise die meisten Neuverträge abgeschlossen. Im neuen Lockdown fällt das Geschäft, das die übliche Fluktuation ausgleicht, aus.

Vor allem aber warten viele Studios noch immer auf die versprochenen Hilfszahlungen. „Das sind fast alles Familienbetriebe, die man vor den Bus schubst“, sagt Roesch-Schlanderer. Der Umgang mit der Branche sei grausam. Es sei ohnehin nicht richtig, ausgerechnet die Einrichtungen dichtzumachen, die den Menschen helfen, ihr Immunsystem im Kampf gegen das Virus zu stärken. „Viele Senioren machen derzeit kaum noch Sport.“

Da Egym keine Geräte an Privatpersonen verkauft, ist das Unternehmen ebenfalls von den Fitnessstudios abhängig. Die Firma hat onlinefähige, vollautomatische Kraftgeräte im Programm. Loggt sich ein Kunde ein, stellen sich die Maschinen automatisch auf ihn ein. Mithilfe einer App können Kunde und Trainer Trainingspläne erstellen und Fortschritte dokumentieren. Die Daten können in die Cloud hochgeladen und dort analysiert werden.

Den Studios bietet Egym zudem gebrandete Mobil-Apps. Die Fitnesscenter können ihren Kunden also für das Training unter eigenem Namen Programme zur Verfügung stellen, in die deren Egym-Accounts eingebettet sind. Zudem bietet Egym spezielle Angebote für Firmenfitness an.

Peloton profitiert von der Pandemie

In den vergangenen Jahren kannte die Branche nur Wachstum. Noch 2019 stieg in Deutschland die Zahl der Mitglieder in den Studios um fünf Prozent auf 11,7 Millionen. Der Umsatz der Branche legte laut Branchenverband DSSV und dem Berater Deloitte um gut drei Prozent auf den Rekordwert von 5,5 Milliarden Euro zu, die Zahl der Studios stieg um 3,5 Prozent auf knapp 10.000 Einrichtungen. In vielen wichtigen Weltregionen sah es ähnlich aus.

2020 wurde die Entwicklung dann jäh gebremst. Statt eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio abzuschließen, trainieren derzeit viele Menschen daheim. Davon profitieren andere Heimtrainerhersteller wie Peloton. „Niemand würde sich eine globale Pandemie wünschen, aber es war Rückenwind für unser Geschäft“, sagte Präsident William Lynch.

Die spannende Frage ist, ob die Menschen in der Welt nach Corona in die Fitnesscenter zurückkehren oder ob sie sich an Heimtraining oder die Runde mit dem neu gekauften Fahrrad für draußen gewöhnt haben. Roesch-Schlanderer ist überzeugt, dass die Studios eine große Zukunft vor sich haben.

Der Egym-Gründer musste in der Corona-Pandemie die größte Krise des erfolgsverwöhnten Start-ups meistern. Quelle: Egym
Philipp Roesch-Schlanderer

Der Egym-Gründer musste in der Corona-Pandemie die größte Krise des erfolgsverwöhnten Start-ups meistern.

(Foto: Egym)

Daheim könne man vor allem die Ausdauer trainieren, nicht aber alle Muskelgruppen. Die Studios müssten aber mit den vernetzten Hightech-Trainern zum Beispiel von Wahoo und Peloton konkurrieren. „Daran haben sich die Menschen gewöhnt, und das wollen sie jetzt auch im Studio.“ Davon könne auch Egym profitieren.

Das sehen die Investoren offensichtlich ähnlich. „Wenn es hart auf hart kommt, zeigt sich, wer die Geldgeber an Bord hat, die ihn auch in schwierigeren Zeiten unterstützen“, sagt Roesch-Schlanderer.

Bei der letzten Finanzierungsrunde vor zwei Jahren hatte Egym weitere 20 Millionen Euro eingesammelt. Lead-Investor der neuen Finanzierungsrunde war NGP Capital, aber auch die Altaktionäre Highland Europe, HPE Growth Capital und Bayern Kapital haben sich beteiligt. Sie alle waren nun auch bei der neuen Runde dabei. Die Bewertung des Unternehmens lag laut Branchenkreisen trotz Krise in etwa auf dem Niveau der letzten Runde bei einem deutlich dreistelligen Millionen-Euro-Betrag.

Sehr schnell auf die Krise reagieren

Ziel war ein Börsengang. Dazu holte Egym auch einen erfahrenen Topmanager an Bord. George Buckley, früher unter anderem Chef von Brunswick und dem Mischkonzern 3M, wurde Chairman of the Board, also Verwaltungsratspräsident. Buckley sei eine große Hilfe, sagt Roesch-Schlanderer. Er rede nicht nur über die Krise, sondern helfe dabei, Visionen zu entwickeln, wie es danach weitergehen könnte.

Der Börsengang wird laut Branchenkreisen ein Thema bleiben – allerdings wohl erst in der erwarteten Wachstumsphase der Branche realisiert, wenn die Pandemie ausgestanden ist.

Die Start-up-Welt war sehr unterschiedlich von Corona betroffen. Viele junge Unternehmen profitierten vom Digitalisierungsschub, den es in Zeiten von Abstand und Homeoffice in vielen Branchen gab. Andere wie Egym hatten das Problem, dass ihre Kunden stark von der Pandemie betroffen waren und Investitionen zurückstellten.

„Egym hat beim Aufkommen der Krise sehr schnell reagiert und Kostenstrukturen angepasst“, sagte Carsten Rudolph, Geschäftsführer des Investorennetzwerks BayStartup. Reifere Start-ups wie das Münchener Unternehmen könnten die Zeit nutzen, die Produkte an die neuen Zeiten anzupassen.

Start-up-Gründer Roesch-Schlanderer hat aus der Krise viel gelernt. Lange ist die Personalrekrutierung das größte Problem gewesen. In der Not habe man bemerkt, dass sich viele Prozesse auch effizienter gestalten lassen.

Es sei richtig gewesen, sehr schnell zu reagieren, sagt er. Allerdings würde er heute den Betroffenen noch genauer erklären, warum Kündigungen unumgänglich waren. Der Gründer hatte sich sehr früh die Situation der Fitnessstudios in China angesehen und war überzeugt, dass es nicht nur darum gehe, nur ein paar Wochen mit Kurzarbeit zu überbrücken.

Die Entwicklung in China macht Roesch-Schlanderer aber auch Mut für die Zukunft. Denn dort kehrten die Menschen schnell wieder in die Studios zurück, als die Pandemie zurückgedrängt war.

Mehr: Wie deutsche Unternehmen die Fitness ihrer Mitarbeiter verbessern

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