Galaxy Z Flip Wie Samsung Apple mit dem neuen Falt-Phone enteilen will
Nach Vorgänger-Debakel: Das ist Samsungs neues Falt-Handy
San Francisco Wenn sie das Galaxy Z Flip beschreibt, ist Rebecca Hirst kein Vergleich zu groß: Ein „einzigartiges Stück Technologie“ sei Samsungs neues, faltbares Smartphone, erklärt die Samsung-Marketing-Managerin auf der Bühne des „Unpacked“-Events am Dienstag, bei dem der weltgrößte Smartphone-Hersteller seine neuesten Geräte vorstellt. „Sie biegen nicht nur Glas, Sie biegen die Gesetze der Physik“.
Obwohl auf der Veranstaltung auch Samsungs neue S20-Geräte, die direkten iPhone-Konkurrenten, vorgestellt werden, gehören der Auftakt und das Rampenlicht der kleinen Schwester – oder eher: der Schwester, die sich klein machen kann. Es ist Samsungs zweites Experiment mit einem Gerät, das sich knicken lässt. Anders als das vor einem Jahr vorgestellte Fold lässt es sich aber nicht auf Tablet-Größe ausbreiten, sondern auf Taschenspiegel-Größe zusammenfalten.
Und anders als das Fold soll es einen Triumph für den südkoreanischen Technologie-Konzern bringen statt eine Pleite: Das vor einem Jahr vorgestellte Fold brauchte noch eine schützende Folie auf dem Display, die nichtsahnende Tech-Journalisten beim Test abzogen und das brandneue Telefon damit praktisch zerstörten. Obwohl Samsung eine Version nachschob, die ohne Folie auskam, war der Technologie-Konzern auf die Knochen blamiert.
Das Z Flip muss nun nicht nur als einzelnes Produkt bestehen – es muss zeigen, ob faltbare Smartphones eine ganz neue Produktkategorie wie das Tablet oder die Smartwatch sein können. Gelingt das Samsung, hätte der Konzern in dem Markt einen Vorsprung auf den ewigen Konkurrenten Apple, der faltbare Geräte bislang nur erforscht. Floppt das Gerät dagegen, bleiben die Falt-Smartphones wohl in der Nische – und Samsung hat im harten Wettbewerb im Smartphone-Markt Geld und Reputation vergeudet.
Der Konzern scheint jedenfalls große Erwartungen an sein neues Gerät zu haben: Laut der Zeitung „The Korea Herald“ erwartet Samsung in diesem Jahr 2,5 Millionen verkaufte Geräte, was sehr ambitioniert ist für ein Gerät, das in Europa 1480 Euro und in den USA 1380 Dollar kosten soll. Das Fold, einige hundert Dollar teurer, soll laut dem Bericht im vergangenen Jahr nur rund 500.000 mal verkauft worden sein – weit unter Samsungs Ziel von einer Million.
Beim Flip will Samsung aus den Fehlern des Fold gelernt haben. Statt eines Plastikdisplays verwendet Samsung nun extrem dünnes, biegbares Glas, entwickelt mit dem Mainzer Glashersteller Schott. Damit das Scharnier nicht verschmutzt, hat Samsung unterhalb des Knicks Fasern angebracht, die Staub und Sand auffangen sollen.
„Es ist keine Spielerei mehr. Ich bin beeindruckt, wie weit Samsung gekommen ist“, sagt der Analyst Patrick Moorhead dem Handelsblatt direkt nach dem Event. Der Chef des Technologie-Analysehauses Moor Insights glaubt, dass Samsung mit dem Gerät auf eine andere Käuferschicht zielt als mit dem Fold: „Sie wollen junge, in sozialen Medien sehr aktive Menschen ansprechen, darauf zielt das ganze Marketing und Design ab.“ Das Fold sei dagegen eher für ältere Nutzer gedacht, die damit arbeiten oder sich unterhalten wollen.
Apps müssen angepasst werden
Auch die Forrester-Analystin Julie Ask spricht das Flip an: „Es ist schon etwas her, dass ich bei einer Produktdemonstration dachte: ‚Verdammt, das ist cool‘“, schreibt sie in einer Analyse nach der Veranstaltung. „Zum ersten Mal seit Langem versucht ein Smartphone nicht mit seiner Kamera zu überzeugen, sondern mit der Falt-Funktion, seiner Größe und der Qualität seines Displays.“
Bislang gibt es noch wenige Apps, die auf das in zwei Hälften geteilte Display abgestimmt sind. Eine davon ist YouTube, das im gefalteten Zustand in der oberen Hälfte das Video abspielt und in der unteren die Kommentare zeigt. In der Google-Maps-App dagegen wird die Karte willkürlich in der Mitte geteilt. Android-Entwickler müssen ihre Apps nun an das neue Format anpassen.

Das Flip wird wie ein Accessoire vermarktet.
Doch überzeugen soll das Flip ohnehin durch sein Format statt durch neue Funktionen. „Es kann zwar mit geteilten Displays arbeiten – aber das können andere Telefone auch schon“, sagt Forrester-Expertin Ask. Das Flip aber passt gefaltet locker in eine Hosen- oder Handtasche. Gerade wer Kleider oder enge Hosen trägt, könnte mit dem mehr als 16 Zentimeter langen S20+ Probleme bekommen.
Das Flip wird dementsprechend auch wie ein Accessoire vermarktet: Es ist in schimmerndem Lila, Schwarz oder in manchen Ländern auch in Gold erhältlich, eine limitierte Version des amerikanischen Modedesigners Thom Browne gibt es auch – sie wird am Mittwoch auf der New Yorker Fashion Week präsentiert.
Obwohl andere Hersteller wie Huawei oder Motorola auch schon faltbare Telefone auf den Markt gebracht haben, ist der zweite Versuch des weltweiten Marktführers der entscheidende Test. Auch in Cupertino, 70 Kilometer südlich, dürfte der Flip-Launch genau beobachtet werden. „Ich bin überzeugt, dass Apple auch ein faltbares Gerät auf den Markt bringen wird - aber nicht bald“, sagt Moorhead. „Apple wird es tun, wenn es glaubt, dass es das Nutzererlebnis perfektioniert hat.“ Das sei aber noch einige Gerätegenerationen entfernt, glaubt der Technologie-Analyst.
Bislang sei das Z Flip gefaltet noch relativ breit, Apple werde ein dünneres Gerät auf den Markt bringen wollen, sagt Moorhead. „Um es aber dünner zu machen, braucht man neue, flachere Batterien. Damit das Gerät aber leistungsfähig bleibt, muss entweder die Batterie-Chemie radikale Fortschritte machen oder es muss weniger Energie verbrauchen.“ Dabei sei Samsung aber im Vorteil, weil es Displays und Batterien selbst entwickelt.
Dass der Markt auch für Apple interessant ist, glauben auch Analysten der Großbank UBS. Apple habe seit 2016 mehrere Patente in dem Bereich angemeldet, in einer Studie im vergangenen August rechneten die Schweizer 2021 mit einem faltbaren Produkt des US-Konzerns. Allerdings werde Apple wohl nicht mit dem iPhone vorangehen. Eher werde das schwächelnde iPad, dessen Umsatz zuletzt zurückging, als Experimentierfeld genutzt werden.
Auf den ersten Blick aber macht die kleine Schwester des Fold einen guten Eindruck: Lässt sich das Fold von Smartphone- auf Tablet-Format ausfalten, geht das Z Flip die umgekehrte Richtung: Das Smartphone lässt sich auf die Größe eines Taschenspiegels verkleinern, was gerade Frauen ohne Taschen an ihrer Kleidung entgegenkommen dürfte. Oder allen, die gerne enge Hosen tragen.
Ob Samsung die großspurigen Versprechen einhalten kann, wird sich in den nächsten Wochen zeigen – der zerbrochene Traum beim Galaxy Fold kam auch erst, nachdem die Produkttester Gelegenheit hatten, das neue Gerät auf Biegen und Brechen zu testen.
Mehr: Nach dem Flop kommt nun der Flip: Samsung will mit dem gläsernen Z Flip den Durchbruch für faltbare Smartphones schaffen – und seinen Fehlstart vergessen machen.
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