Halbleiter Chipindustrie erwartet kräftigen Aufschwung – Lieferengpässe in Europa dürften anhalten

Europas Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion wird in den nächsten Jahren weiter zurückgehen.
München Die Chipindustrie erwartet in den kommenden Jahren ein kräftiges Wachstum: Der Branchenverband ZVEI rechnet bis 2025 mit einem durchschnittlichen jährlichen Umsatzplus von 6,5 Prozent weltweit. Das sei knapp ein Prozentpunkt mehr als der Schnitt der vergangenen fünf Jahre, teilte der ZVEI an diesem Dienstag mit.
Europa hat von dem kräftigen Aufschwung allerdings wenig. Der Anteil der EU an der Welthalbleiterproduktion werde bis Mitte des Jahrzehnts von neun auf acht Prozent sinken, schätzt der ZVEI. 2015 stammte noch jeder zehnte Chip weltweit aus europäischen Fabriken.
Für die Kunden in Europa sind das schlechte Nachrichten. Sie leiden seit Monaten unter Lieferengpässen der großen Auftragsfertiger in Fernost. Viele Autofabriken standen daher in jüngster Zeit wochenlang still. Die Abnehmer müssen sich auch künftig auf Verzögerungen einstellen. Angebot und Nachfrage würden nicht vor 2023 wieder im Einklang stehen, warnt Pat Gelsinger, der Chef vom Weltmarktführer Intel.
Vergangenes Jahr erzielte die Chipbranche einen Umsatz von 440 Milliarden Dollar. Das waren knapp sieben Prozent mehr als 2019. „Es ist so, dass sich viele einen neuen PC oder neue Kommunikationssysteme gekauft haben. Das hat den Halbleitermarkt gut angetrieben“, erklärte ZVEI-Experte Jochen Schäfer. Künftige Wachstumstreiber sind die Elektroautos, der neue Mobilfunkstandard 5G sowie das Internet der Dinge, also die Vernetzung des Alltags.
Europas Niedergang in der Chipbranche geht einher mit dem Aufstieg von China. Vor sechs Jahren stammten lediglich 14 Prozent aller Halbleiter aus der Volksrepublik. Vergangenes Jahr waren es dem ZVEI zufolge schon 22 Prozent, und 2025 sollen es 26 Prozent sein. Rund ein Fünftel der Chips stammt darüber hinaus aus dem benachbarten Taiwan. Weitere wichtige Produktionsstandorte sind Japan und Südkorea. Der Anteil der einzelnen Regionen lasse sich verlässlich vorhersagen, sagte Schäfer. Denn es brauche mehrere Jahre, um Fabriken zu errichten.
Europas Aufholjagd dürfte nicht so bald starten
Ziel der EU ist es, unabhängiger von Lieferanten aus Asien zu werden. EU-Kommissar Thierry Breton will deshalb bis 2030 die Produktion der nächsten Generation von Spitzenchips nach Europa holen. Zudem möchte Breton den Anteil Europas an der weltweiten Produktion auf 20 Prozent mehr als verdoppeln. Angesichts der langen Bauzeiten wird die Aufholjagd aber frühestens Mitte des Jahrzehnts starten.
Dass in Europa immer weniger Chips gefertigt werden, liegt auch an den europäischen Chipherstellern. Denn die haben zuletzt immer mehr Produktion verlagert, vor allem nach Asien. 2015 haben die europäischen Konzerne noch zwei Drittel ihrer Bauelemente in der Heimatregion hergestellt. Voriges Jahr waren es lediglich 55 Prozent.
Immerhin: Anfang Juni hat Bosch eine neue Fabrik in Dresden eingeweiht. Infineon startet die Produktion seines neuen Werks im österreichischen Villach im Sommer. Intel baut in großem Stil in Irland. Nur reicht das eben lange nicht, um mit den Projekten in Fernost auch nur annähernd mitzuhalten.
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