Halbleiter Kampf gegen Chipmangel: Neue Fabrik von Bosch geht an den Start
Stuttgart/München Gute Nachrichten für die Autohersteller: Die neue Chipfabrik von Bosch macht große Fortschritte. In dem Werk in Dresden haben jetzt erstmals Silizium-Wafer vollautomatisiert die Fertigung durchlaufen. Der schwäbische Stiftungskonzern sieht darin einen „entscheidenden Schritt auf dem Weg zum geplanten Produktionsstart Ende 2021.“
Die Autoproduzenten müssen sich damit zwar noch ein paar Monate gedulden. Aber sie können darauf hoffen, dass sie zum Jahresende wieder zuverlässiger beliefert werden. Denn rund um den Globus stehen derzeit Autofabriken still, weil die Halbleiterhersteller mit Lieferengpässen kämpfen.
Erst vergangene Woche hatte General Motors (GM) mitgeteilt, dass der Konzern die Produktion in einem weiteren Werk in Amerika zeitweise stoppen müsse, weil nicht genügend Chips zur Verfügung stünden. GM hatte im Februar erklärt, die Chipkrise könne den Gewinn um bis zu zwei Milliarden Dollar schmälern. Finanzvorstand Paul Jacobsen ging zu dem Zeitpunkt davon aus, dass die Chiplieferungen in der zweiten Jahreshälfte auf normales Niveau zurückkehren.
Auch die deutschen Automarken leiden darunter, dass die Auftragsbücher von Chipherstellern wie Infineon, NXP oder Bosch überquellen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will in den nächsten Jahren daher mit Milliardenhilfen vom Staat eine Chipfabrik in Deutschland bauen lassen, damit so etwas in Zukunft nicht wieder passiert.
Die Chiphersteller selbst sind unterdessen längst dabei, ihre Fertigungen zu erweitern. Bosch investiert rund eine Milliarde Euro in Dresden. Infineon als führender Autochip-Produzent weltweit steckt 1,6 Milliarden Euro in ein Werk in Villach. Die Münchener haben den Produktionsstart um ein Quartal auf den Sommer vorgezogen, um der Nachfrage Herr zu werden.
„Die Fabrik geht zu einem sehr günstigen Zeitpunkt an den Start“, sagte Infineon-Chef Reinhard Ploss Ende Februar auf der Hauptversammlung. „Damit kann Infineon den steigenden Bedarf der Kunden bedienen.“
Bosch geht einen anderen Weg als alle anderen Zulieferer
Bosch stellt selbst Chips in großem Stil her – anders als viele andere Autozulieferer. Das Unternehmen lässt sich das Milliarden kosten. Bosch will durch die enge Verzahnung von Chip-Design und Chip-Fertigung maßgeschneiderte und damit leistungsfähigere Halbleiter herstellen. Die Stuttgarter müssen zwar auch Halbleiter zukaufen, möchten sich aber mit den eigenen Chips von der Lieferkette unabhängiger machen.
Das ist in diesen Tagen besonders relevant. Dass Hersteller wie Infineon und NXP nicht ausreichend liefern können, liegt am Auftragsfertiger TSMC. Von den Taiwanern beziehen Dutzende Chiphersteller ihre Ware, von Apple bis Qualcomm – und eben die europäischen Autochip-Spezialisten. Infineon und NXP betreiben zwar auch zahlreiche eigene Werke. Bei bestimmten Technologien verlassen sie sich aber auf TSMC. Die Asiaten kommen seit Monaten nicht mehr hinterher mit der Produktion.
Bosch setzt bei bestimmten Halbleitern lieber auf die eigene Fertigung. Seit mehr als einem Jahrzehnt kommen die Chips aus einem mehrmals erweiterten Werk in Reutlingen, der Heimatstadt von Bosch-Chef Volkmar Denner.

Der Autozulieferer steckt eine Milliarde Euro in ein neues Werk in Dresden. Die Produktion läuft gerade an.
An der zweiten Chipfabrik baut Bosch seit 2018 in Sachsen. „Aus Dresden kommen schon bald Chips für die Mobilität der Zukunft“, trommelt der für die Werke zuständige Bosch-Geschäftsführer Harald Kröger. „Unsere neue Halbleiterfabrik setzt Maßstäbe bei Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung.“ Der Staat unterstützt das Projekt mit maximal 200 Millionen Euro.
In den vergangenen Wochen hat Bosch in Dresden bewiesen, dass die hochsensible Fertigung funktioniert. In den nächsten Monaten geht es nun darum, auf Massenfertigung umzustellen. Das ist ein komplexes Unterfangen. In der Chipfabrik werden Wafer bearbeitet. Das sind Siliziumscheiben mit 300 Millimeter Durchmesser, die in einem wochenlangen Prozess belichtet werden und aus denen anschließend die Chips ausgeschnitten werden.
Dabei werden auf die Wafer winzige Strukturen mit der Tiefe und Breite von Bruchteilen eines Mikrometers aufgebracht. Auf den 300-Millimeter-Wafern in Dresden entstehen deutlich mehr Chips als auf der etablierten Fertigung mit den kleineren 150- und 200-Millimeter-Wafern in Reutlingen. Das soll die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, ist aber auch wesentlich aufwendiger.
Bosch sieht sich auf dem Weltmarkt der Chips für die Autoindustrie mittlerweile auf dem fünften Platz. Eigentlich zu wenig für den grundsätzlichen Anspruch, überall zu den besten drei, wenn nicht zwei zu gehören. Mit der neuen Fabrik in Dresden will Bosch jedenfalls weiter nach vorn rücken.
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Ich frage mich angesichts des Chipmangels, weshalb sich Unternehmen Stäbe von Vertriebs-und Absatzplanungen leisten, die gar nichts mitbekommen?