Halbleiter Zuversichtliche Chipindustrie: Das Beste kommt noch

Mehr Umsatz, mehr Ertrag: Der Boom der Halbleiterindustrie wird sich das gesamte nächste Jahr fortsetzen.
München Die Bagger rollen an: Nächstes Jahr will Texas Instruments mit dem Bau von zwei neuen Fabriken in seiner Heimat beginnen. Zwei weitere Werke könnten im Norden von Texas später noch dazukommen, teilte der siebtgrößte Chiphersteller der Welt mit. Bis zu 30 Milliarden Dollar werde der US-Konzern in der Kleinstadt Sherman investieren, sagte Vorstandschef Rick Templeton.
So wie Texas Instruments rüsten sich Halbleiterkonzerne weltweit für ein stark wachsendes Geschäft. Nichts deutet darauf hin, dass ein Absturz droht, der in der Branche in den vergangenen Jahren üblicherweise auf jeden Aufschwung folgte.
Für den Rest des Jahres brauchen sich Investoren und Mitarbeiter keine Sorgen zu machen. Das zeigt ein Blick auf die jüngsten Veröffentlichungen: Fast alle großen Chiphersteller prognostizierten ein robustes Umsatzplus für das vierte Quartal. Und auch für das Jahr 2022 sieht es gut aus. Daher könnte es mit den Chipaktien weiter aufwärtsgehen – ungeachtet der bereits kräftigen Kurszuwächse im bisherigen Jahresverlauf.
Beispiel Qualcomm: Der weltgrößte Handychip-Anbieter rechnet für das am 27. September begonnene neue Geschäftsjahr mit einem Umsatzplus von 16 Prozent. Das ist nicht selbstverständlich, denn bereits im vergangenen Geschäftsjahr sind die Erlöse um 55 Prozent geklettert, auf 33,6 Milliarden Dollar. Mehr noch: Der US-Konzern ist im letzten Geschäftsjahr deutlich profitabler geworden. Der Gewinn hat sich auf knapp zehn Milliarden Dollar mehr als verdoppelt.
Eine Flaute fürchtet der Konzern auf absehbare Zeit nicht. Der Umsatz könne bis 2024 auf 46 Milliarden Dollar steigen, erläuterte Finanzvorstand Akash Palkhiwala vergangene Woche. Analysten hatten zuvor mit Erlösen von lediglich 43,8 Milliarden Dollar gerechnet. Um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen, müsste Qualcomm in den Folgejahren im Schnitt um gut acht Prozent zulegen.
Wie viele andere Chiphersteller auch kann Qualcomm seit Monaten gar nicht so viele Halbleiter liefern, wie die Kunden bestellen. Die Branche boomt wie lange nicht mehr. Das lässt die Preise für die Bauelemente steigen – und damit Gewinne und Aktienkurse.
So erklommen die Papiere von Qualcomm vergangene Woche ein neues Rekordhoch von knapp 189 Dollar. Das entspricht einem Plus von rund einem Fünftel seit Jahresbeginn. Damit wird es den Analysten zufolge aber nicht bleiben. Die Banker erwarten innerhalb der nächsten zwölf Monate einen weiteren Anstieg auf 204 Dollar.
So wie Qualcomm, so sind auch die führenden europäischen Chiphersteller Infineon und NXP zuversichtlich. Sowohl kurzfristig als auch für die nächsten Jahre. Der Dax-Konzern Infineon stellt für das am 1. Oktober begonnene Geschäftsjahr ein Umsatzplus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr und eine höhere operative Marge in Aussicht.
Über einen Branchenzyklus hinweg wollen die Münchner die Einnahmen im Schnitt um gut neun Prozent jährlich steigern. Für das laufende Quartal erwartet Infineon um 18 Prozent gestiegene Erlöse. „Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem“, sagte jüngst Vorstandschef Reinhard Ploss.
Die Rally von Infineon ist noch nicht zu Ende
Seit Jahresbeginn ist der Kurs um knapp 40 Prozent auf derzeit gut 43 Euro geklettert. Es ist das höchste Niveau seit zwei Jahrzehnten. Die US-Bank Goldman Sachs erwartet einen Kursanstieg auf 51 Euro binnen Jahresfrist. Angesichts des weltweiten Dekarbonisierungs-Trends und solider Profitabilitätsverbesserung sei das Verhältnis zwischen Chancen und Risiken günstig, so Analyst Alexander Duval. Infineon profitiert auch vom Boom der Elektroautos. Größter Umsatzbringer sind Leistungshalbleiter, wie sie für die Stromversorgung der Fahrzeuge benötigt werden.
NXP-Chef Kurt Sievers versprach den Anteilseignern Mitte des Monats ein jährliches Umsatzplus zwischen acht und zwölf Prozent bis 2024. In den vergangenen drei Jahren hatte die ehemalige Philips-Sparte im Schnitt lediglich fünf Prozent zugelegt.
Gehen die Pläne des Infineon-Rivalen auf, so wächst die Firma aus Eindhoven von derzeit elf Milliarden Dollar Umsatz (9,6 Milliarden Euro) auf 15 Milliarden in drei Jahren. „Wir wollen unser profitables Wachstum beschleunigen“, sagte Sievers.
Auf dem Parkett hat NXP schon längst beschleunigt: Die in New York notierten Papiere bewegen sich auf Rekordniveau – und besitzen Analysten zufolge trotzdem noch Aufwärtspotenzial.
Der Chip-Branchenverband WSTS sagt für das laufende Jahr ein weltweites Umsatzplus von rund einem Viertel voraus. Kommendes Jahr soll es den Experten zufolge um weitere zehn Prozent aufwärtsgehen.

Der amerikanische Chipproduzent wächst stürmisch und wird den Umsatz dieses Jahr wohl um fast zwei Drittel steigern.
Besonders positiv gestimmt sind die US-Konzerne AMD und Nvidia, die sich schon seit Jahresbeginn am dynamischsten in der Industrie entwickeln. So hat die Chefin des Intel-Konkurrenten AMD, Lisa Su, fürs vierte Quartal ein Umsatzplus von 39 Prozent angekündigt. Tritt die Prognose ein, werden die Erlöse des Prozessor-Spezialisten im laufenden Jahr um fast zwei Drittel steigen.
Nvidia-Boss Jensen Huang erwartet im laufenden vierten Quartal des Geschäftsjahrs um 48 Prozent höhere Erlöse. Das gesamte Geschäftsjahr dürfte er damit im Januar mit einem Plus von rund 60 Prozent abschließen.
Wann droht der Absturz der Chipindustrie?
Reihenweise haben die Analysten das Kursziel für den kalifornischen Halbleiterhersteller in den vergangenen Tagen angehoben. Die zuletzt veröffentlichten Quartalszahlen haben die Banker überzeugt. Mit rund 342 Dollar notieren die Papiere zeitweise sogar deutlich über den 331,5 Dollar, die sie an der Wall Street im Schnitt erwarten für die kommenden zwölf Monate. Seit Jahresbeginn ist der Kurs bereits um mehr als das Zweieinhalbfache gestiegen. Inzwischen ist Nvidia an der Börse rund 800 Milliarden Dollar wert. Zum Vergleich: Weltmarktführer Intel kommt nur auf gut 200 Milliarden.
Wann der gewaltige Aufschwung der Halbleiterbranche endet, vermag derzeit niemand zu sagen. „Wir befinden uns momentan in einem Superzyklus. Irgendwann aber wird der Abschwung wieder kommen“, warnt Peter Fintl, Chipexperte der Beratungsgesellschaft Capgemini. Denn riesige Investitionen könnten in ein paar Jahren zu Überkapazitäten führen. Es baut ja nicht nur Texas Instruments. Ebenfalls in Texas will Samsung 17 Milliarden Dollar in ein neues Werk stecken, wie diese Woche bekannt wurde.
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