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Halbleiterindustrie Infineon-Vorstand Gassel warnt: Chipmangel „könnte bis Ende 2022 anhalten“

Der Vertriebschef des Chipherstellers sieht kein Ende der Lieferengpässe. Starke Preiserhöhungen lehnt der Topmanager dennoch ab – aus einem einfachen Grund.
29.12.2021 - 13:53 Uhr Kommentieren
Dem größten deutschen Chiphersteller fehlen die Lieferungen von Auftragsfertigern in Fernost. Quelle: Bloomberg/Getty Images
Chipproduktion von Infineon

Dem größten deutschen Chiphersteller fehlen die Lieferungen von Auftragsfertigern in Fernost.

(Foto: Bloomberg/Getty Images)

München Keine Chips weit und breit: Die Kunden der Halbleiterindustrie brauchen seit Monaten viel Geduld. So schnell wird sich daran wohl auch nichts ändern. „Die Lieferengpässe werden deutlich in 2022 hineinreichen und könnten sogar bis Ende des Jahres anhalten“, sagte Vertriebsvorstand Helmut Gassel von Infineon dem Handelsblatt.

Die Nachfrage sei dabei ungebrochen hoch, führte der Manager aus: „Bisher sehen wir keine Stornierungen von Aufträgen.“ Damit sei auf absehbare Zeit auch nicht zu rechnen.

Denn die Lager der Kunden seien leer, die Nachfrage nach Laptops, Smartphones und Servern bleibe auch im dritten Pandemiejahr hoch: „Der Digitalisierungsschub ist nachhaltig. Daher wird das starke Wachstum noch eine ganze Weile andauern“, sagt Gassel.

Mit seinen eigenen Fabriken schafft es der Chiphersteller zwar, die Abnehmer einigermaßen verlässlich zu bedienen. Aber wie der Konkurrenz von Apple bis Qualcomm fehlt auch Infineon die Ware der sogenannten „Foundries“ aus Fernost.

„Der größte Engpass herrscht bei den Auftragsfertigern. Dort wurde nicht genug in reifere Knoten investiert“, erläuterte Gassel. Das heißt: Foundries wie TSMC in Taiwan und Samsung in Südkorea haben zwar neue, mehrere Milliarden Dollar teure Fabriken für die alleraufwendigsten Chips errichtet. Sie haben aber nicht damit gerechnet, dass die Kunden auch so viele Halbleiter älterer Generationen nachfragen.

Infineon braucht Geduld – die Kunden auch

Denn Chipkonzerne wie Infineon sehen keinen Grund mehr, die Bauelemente weiter zu schrumpfen, wie das in der Branche seit Jahrzehnten üblich war. Ein zyklischer Engpass werde deshalb jetzt überlagert von strukturellen Veränderungen, so Gassel.

Bislang haben die Foundries stets neue Fabriken zur Fertigung neuester Chiptechnologie für die Unterhaltungselektronik gebaut und die älteren mit Chips für die Autobranche oder die Industrie ausgelastet. Dieses Modell funktioniert aber so nicht mehr.

„Wir suchen gemeinsam mit den Kunden nach technischen Alternativen, wo sich das anbietet.“ Quelle: dpa
Helmut Gassel

„Wir suchen gemeinsam mit den Kunden nach technischen Alternativen, wo sich das anbietet.“

(Foto: dpa)

Inzwischen investieren die Auftragsfertiger zwar auch gezielt in diese in die Jahre gekommenen Chipgenerationen. Das braucht aber seine Zeit. „Es dauert mindestens anderthalb Jahre, zusätzliche Kapazitäten zu schaffen“, sagt Gassel.

Die Beratungsgesellschaft Roland Berger rechnet unterdessen sogar mit Lieferengpässen bis 2023 und darüber hinaus. „Die angekündigten zusätzlichen Kapazitäten reichen nicht aus, um den Bedarf zu decken“, sagt Partner Michael Alexander. So wachse die Chipnachfrage von 2020 bis 2022 um 17 Prozent pro Jahr. Die Produktionskapazität lege im selben Zeitraum hingegen lediglich um jährlich sechs Prozent zu.

Viele Kunden sind daher regelrecht verzweifelt. Weltweit stehen seit Monaten immer wieder die Autofabriken still. Selbst Großkunden wie Sony bekommen nicht genügend Chipnachschub. Der japanische Elektronikkonzern warnte unlängst, seine Spielkonsole Playstation 5 werde auf absehbare Zeit knapp bleiben. Auch einige beliebte Kameramodelle kann Sony nicht mehr bauen, weil Komponenten fehlen.

Auch der künftige Bosch-Chef Stefan Hartung rechnet damit, dass der Halbleitermangel 2022 andauert. „Man muss es klar sagen: Die Chipkrise ist nicht vorbei“, sagte Hartung dem Magazin „Focus“ am Montag. Die deutsche Industrie sei massiv darauf angewiesen, dass die Lieferengpässe behoben werden. „Jeder Chip, der fehlt, kann bedeuten, dass eine Lenkung und in der Folge ein ganzes Auto nicht gebaut werden kann. Das wird uns das ganze Jahr 2022 noch viel Kraft kosten.“

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Infineon bemüht sich derweil, die Abnehmer bestmöglich zu bedienen. „Wir suchen gemeinsam mit den Kunden nach technischen Alternativen, wo sich das anbietet“, so Gassel. Zudem investiere der Konzern im laufenden Geschäftsjahr 2,4 Milliarden Euro in die eigenen Werke, rund die Hälfte mehr als vergangenes Jahr.

Zudem sei das Unternehmen bereit, den Auftragsfertigern bestimmte Umsätze zu garantieren – wenn diese ihre Werke im Gegenzug ausbauen. Gassel: „Es fällt uns nicht schwer, uns auf höhere Abnahmemengen bei den Foundries festzulegen. Denn die Bedarfe der Autoindustrie lassen sich gut absehen.“

TSMC befinde sich wegen eines neuen Werks in Deutschland bereits in Gesprächen mit der Bundesregierung, berichtete jüngst die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Lora Ho, die bei dem Konzern für die Verkäufe in Europa und Asien zuständig ist. Es sei aber noch nicht über mögliche Standorte oder staatliche Förderung gesprochen worden.

Ziel ist Umsatzplus von 15 Prozent

Das Geschäft von Infineon läuft seit Monaten glänzend. Für das am 1. Oktober begonnene Geschäftsjahr verspricht Vorstandschef Reinhard Ploss ein Umsatzplus von 15 Prozent. Die operative Marge soll auf 21 Prozent klettern, drei Prozentpunkte mehr als im bereits außergewöhnlich erfolgreichen vorigen Geschäftsjahr. Über einen Branchenzyklus hinweg wollen die Münchner den Umsatz im Schnitt um gut neun Prozent jährlich steigern.

Man muss es klar sagen: Die Chipkrise ist nicht vorbei. Stefan Hartung, künftiger Bosch-Chef

Analysten glauben an die Strategie des Konzerns. Aufgrund der Fokussierung auf die Wachstumsfelder Mobilität, Sicherheit, Energieeffizienz, Internet der Dinge und Datenmanagement seien die mittelfristigen Perspektiven vielversprechend, urteilt Dirk Schlamp von der DZ Bank. Angesichts der enormen Chipnachfrage sei für 2022 ohnehin mit einem weiteren Wachstumsjahr zu rechnen.

Die aktuelle Chipknappheit sei eine gute Bühne für jene Konzerne, deren Halbleiter für die Digitalisierung verwendet würden, meint Goldman-Sachs-Analyst Alexander Duval. Dazu gehöre auch Infineon.

Infineon-Aktie überflügelt 2021 den Dax

Entsprechend zuversichtlich sind die Investoren. In den vergangenen vier Wochen ist der Kurs zwar um knapp zehn Prozent gesunken. Dennoch haben die Papiere seit Anfang 2021 gut ein Viertel an Wert gewonnen.

Zum Vergleich: Der Dax kommt im selben Zeitraum auf ein Plus von lediglich 13 Prozent. Die meisten Analysten gehen davon aus, dass die Papiere binnen Jahresfrist noch einmal rund ein Fünftel steigen werden.

Gassel beteuerte, die für den Hersteller im Grunde sehr komfortable Situation nicht auszunutzen. Die knappen Kapazitäten meistbietend zu vergeben sei keine Option. „Mit vielen Kunden haben wir langfristige Vereinbarungen“, sagte Gassel. „Da können und wollen wir die Preise nicht einfach erhöhen. Schließlich geht es darum, auch morgen und übermorgen noch gut zusammenzuarbeiten.“

Denn wenn all die neuen Fabriken eines Tages gebaut sind, könnten auf die Engpässe Überkapazitäten folgen. Dann dürfte es sich auszahlen, die Kunden fair behandelt zu haben.

Mehr: „Wir brauchen mehr Verbindlichkeit“: Elektronikverband nimmt Chipkunden in die Pflicht.

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