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Halbleitermangel Europas Chiphersteller investieren kräftig – doch die Lieferengpässe bleiben

Der Chef von STMicroelectronics will deutlich mehr für Maschinen und Werke ausgeben. Trotzdem ist der Infineon-Konkurrent schon bis Sommer 2023 ausverkauft.
01.11.2021 - 19:00 Uhr Kommentieren
Der Chiphersteller teilt die knappen Bauelemente den Kunden zu, die sie am dringendsten benötigen. Quelle: Bloomberg
Chips von STMicroelectronics

Der Chiphersteller teilt die knappen Bauelemente den Kunden zu, die sie am dringendsten benötigen.

(Foto: Bloomberg)

München Die Auftragsbücher von STMicroelectronics sind randvoll. „Wir sind für 2022 und das erste Halbjahr 2023 ausverkauft“, sagte der Chef des französisch-italienischen Chipherstellers, Jean Marc Chery, dem Handelsblatt. Angesichts der gewaltigen Nachfrage werde der Konzern nächstes Jahr mehr investieren, kündigte der Franzose an.

Wie viel Geld der Halbleiterhersteller genau in die Hand nehmen werde, ist nach Cherys Worten allerdings noch nicht entschieden. Klar ist aber: Es geht um riesige Summen. Dieses Jahr steckt STMicroelectronics 2,1 Milliarden Dollar (1,8 Milliarden Euro) in neue Werke und Maschinen. Das entspricht rund 17 Prozent vom erwarteten Umsatz.

Die schlechte Nachricht für die leidgeplagten Kunden: Chery kann die Kapazitäten gar nicht so schnell ausbauen, wie es angesichts des derzeitigen Halbleiter-Mangels nötig wäre. Denn die großen Chip-Maschinenhersteller wie ASML oder Applied Materials seien ihrerseits bereits fürs nächste Jahr ausgebucht, warnte der Manager.

So wie STMicroelectronics hat sich auch der Münchener Rivale Infineon entschlossen, seine Produktion in den nächsten Monaten deutlich auszuweiten. Vorstandschef Reinhard Ploss will im gerade begonnenen neuen Geschäftsjahr 2,4 Milliarden Euro für Maschinen und Fabriken ausgeben; das sind 800 Millionen mehr als in dem am 30. September beendeten Geschäftsjahr. Es entspricht rund einem Fünftel des erwarteten Umsatzes und liegt deutlich über der Zielgröße von 13 Prozent.

Doch auch bei dem Münchener Dax-Konzern geht das Management davon aus, dass die Engpässe noch länger anhalten werden. Ploss warnte jüngst, zusätzliche Kapazitäten in großem Stil seien erst 2023 zu erwarten.

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Daimler, VW und Co.: Katastrophe für Abnehmer

Für die Abnehmer ist das eine Katastrophe, denn der Chipmangel bremst die europäische Industrie und insbesondere die Fahrzeughersteller seit Monaten aus. Daimler musste im dritten Quartal deswegen mehrfach die Produktion anhalten und lieferte fast ein Drittel weniger Autos der Stammmarke Mercedes-Benz an die Kunden aus als ein Jahr zuvor.

Im VW-Konzern schrumpften die Auslieferungen weltweit um ein Viertel. Mehrfach standen die Bänder still, weil die elektronischen Bauelemente fehlten. In Deutschland mussten viele Beschäftigte in die Kurzarbeit, auch das Stammwerk Wolfsburg ist wegen der Halbleiterkrise schlecht ausgelastet. Und die Opel-Mutter Stellantis konnte nach eigenen Angaben im vergangenen Quartal rund 600.000 geplante Autos nicht bauen. Das hat Folgen vor allem für den Standort Eisenach, wo die Beschäftigten bis zum Jahresende in Kurzarbeit sind.

Den Chipfirmen werden die Bauelemente derzeit aus den Händen gerissen, von der Autobranche wie von den Computerherstellern oder den Netzwerkausrüstern des neuen Mobilfunkstandards 5G. Der Branchenverband WSTS sagt für das laufende Jahr ein weltweites Umsatzplus von rund einem Viertel voraus. Nächstes Jahr soll es noch einmal um zehn Prozent aufwärtsgehen. Üblich waren vor Corona Wachstumsraten von rund fünf Prozent. Der durch die Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub sorgt nun aber für ein unerwartet starkes Geschäft.

Die Chip-Engpässe werden noch verschärft

Selbst die europäischen Chipfirmen der zweiten Reihe kommen mit der Lieferung längst nicht mehr nach. So schoss der Umsatz des Auftragsfertigers X-Fab im dritten Quartal um 76 Prozent in die Höhe auf 169 Millionen Dollar. „X-Fabs Fabriken laufen unter hoher Auslastung, sodass die Zuteilung von Kapazität an die Kunden auch im dritten Quartal fortgesetzt werden musste“, teilte das belgische Unternehmen mit. X-Fab betreibt unter anderem in Erfurt und Dresden Fabriken und beschäftigt 4.000 Mitarbeiter.

Die Engpässe wurden zuletzt noch verschärft durch den Lockdown in Malaysia. So musste STMicroelectronics seine Fabrik für die Verpackung der Halbleiter in dem südostasiatischen Land zeitweise komplett schließen. Dadurch seien ST 170 Millionen Dollar Umsatz entgangen, berichtet Chery. Das habe vor allem die Autosparte getroffen – und damit natürlich auch deren Kunden, also die Fahrzeughersteller.

Infineon hatte schon im Sommer von massiven Ausfällen angesichts von wochenlangen Fabrikschließungen in Malaysia berichtet. In dem Land lassen viele große Chiphersteller ihre Halbleiter weiterverarbeiten, weil dies arbeitsintensiv ist.

Es stockt aber nicht nur in Fernost. In jüngster Zeit hatten die Hersteller auch in Sachsen Probleme. „Im September war X-Fab von einem Stromausfall an seinem Standort in Dresden betroffen. Die daraus resultierenden Lieferverzögerungen werden sich auf den Umsatz des vierten Quartals auswirken“, so das Unternehmen. Auch das Infineon-Werk an der Elbe war für kurze Zeit vom Strom abgeschnitten. Die Auswirkungen blieben bislang unklar. Der Dax-Konzern legt seine Quartalszahlen erst Mitte November vor.

Chipkonzerne wie STMicroelectronics und Infineon haben einen Teil ihrer Produktion an Auftragsfertiger wie TSMC, Samsung, Globalfoundries und eben X-Fab ausgelagert. Bei STMicroelectronics macht das ein Viertel der gesamten Kapazität aus. Diese sogenannten Foundries können ebenfalls lange nicht so viel produzieren, wie nötig wäre. Im zweiten Halbjahr seien die Mengen sogar zurückgegangen, erläuterte Chery: „Das ist nicht gerade angenehm.“

STMicroelectronics teilt die Chips nach Bedürfnis zu

Denn es sei hochkomplex, die knappen Bauteile unter seinen Kunden zu verteilen. Dabei werde stets berücksichtigt, welche Auswirkungen es habe, nicht zu liefern.

Besserung ist bei den Auftragsfertigern nicht in Sicht. „2022 wird ein schwieriges Jahr, in dem wir unseren Kunden nicht alles liefern können, was sie wollen“, sagte Tom Caulfield, der Chef von Globalfoundries (GF) vergangene Woche. Das amerikanische Unternehmen betreibt ein großes Werk in Dresden und fertigt dort auch für die Autoindustrie. Der Konzern werde aber in den nächsten Jahren weitere Kapazitäten aufbauen. Unter anderem, um neue Werke zu finanzieren, ist GF vergangene Woche an die Börse gegangen. Die Kalifornier bauen gerade zwei neue Fabriken in Amerika und Singapur.

Der amerikanische Elektroautohersteller ist einer der bekanntesten Kunden von STMicroelectronics. Quelle: Bloomberg
Tesla-Ladestation in Berlin

Der amerikanische Elektroautohersteller ist einer der bekanntesten Kunden von STMicroelectronics.

(Foto: Bloomberg)

STMicroelectronics erweitert derzeit massiv seine Standorte im italienischen Agrate, in Catania auf Sizilien sowie im französischen Crolles. „Zwischen 2020 und 2025 verdoppeln wir die Produktion“, sagt Chery. Besonders wichtig sei dabei die Fertigung von Siliziumkarbid-Chips. Diese Halbleiter sind sehr energieeffizient, einer der wichtigsten Kunden ist Tesla mit seinen Elektroautos und Ladestationen.

Einen Vorteil haben die knappen Kapazitäten für die Chiphersteller. Sie können die Preise erhöhen. Der Umsatz von ST ist im dritten Quartal um 20 Prozent auf 3,2 Milliarden Dollar geklettert. Unterm Strich blieb mit 474 Millionen Dollar aber fast doppelt so viel übrig wie im Vergleichszeitraum 2020. Insgesamt erwartet Chery dieses Jahr ein Erlösplus von rund 23 Prozent.

Überkapazitäten angesichts der hohen Investitionen fürchtet derzeit niemand in der Chipindustrie. Es gebe „keine Anzeichen, dass der Markt dreht“, sagte jüngst Helmut Gassel, Vertriebsvorstand von Infineon.
Mehr: KI-Chips: Start-ups und Technologieriesen kämpfen um neuen Milliardenmarkt.

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