Horacio Gutiérrez Der Spotify-Anwalt kämpft mit harten Bandagen gegen Apple und Co.

Der Chefanwalt von Spotify genießt hohes Ansehen in der Branche.
Stockholm Einen „rücksichtslosen Tyrann“ hat er den iPhone-Hersteller Apple genannt. Er, das ist Horacio Gutiérrez, ein aus Venezuela stammender Anwalt, der heute als Jurist des schwedischen Streaming-Riesen Spotify den Kampf gegen den Konzern aus Cupertino führt. Rücksichtslos und Tyrann – das sind Worte, die ein renommierter Anwalt normalerweise nicht in seinem aktiven Sprachschatz hat.
Dass er die wenig höflichen Attribute dennoch benutzt, hat einen Grund: Es geht um die Monopolstellung, die Apple nach Ansicht von Spotify, dem Fortnite-Spielehersteller Epic Games und einigen anderen Unternehmen, darunter Verlage und Hörbuch-Anbieter, schamlos ausnutzt. 15 bis 30 Prozent des Preises von Apps und Abonnements verlangt der US-Techkonzern Apple von allen Entwicklern, die ihre Programme im App Store anbieten.
Damit nicht genug: Apple verbietet es Unternehmen zudem, die Kunden darauf hinzuweisen, dass sie ihre Abonnements auch direkt beim Anbieter, also außerhalb des App Stores, abschließen können.
Vor zweieinhalb Jahren wandte sich Gutiérrez an die Europäische Union und beschwerte sich über die Apple-Praxis, die für den Harvard-Juristen einen klaren Wettbewerbsverstoß darstellt. „Der Konzern hat diese Umgebung geschaffen, in der konkurrierende Apps mit Apples eigenem Streamingdienst und anderen konkurrierenden Produkten mit nicht wirklich gleichen Wettbewerbsbedingungen zu kämpfen haben“, erklärte Gutiérrez in einem Podcast.
Seine Beschwerde hatte Erfolg. Die EU-Kommission hat sich nach Prüfung den Vorwürfen des Spotify-Juristen angeschlossen. Im Juni vergangenen Jahres hat die Kommission eine Untersuchung gegen Apple eingeleitet. Noch ist keine Entscheidung darüber gefallen, ob Apple seine Marktmacht missbraucht hat und mit juristischen Konsequenzen zu rechnen hat. Aus Brüssel kommen jedoch Signale, dass Apple und Co. die Regeln ändern müssen.
Das würde ebenfalls passieren, wenn sich Margrethe Vestager, die Vizepräsidentin der EU-Kommission durchsetzt. Sie hat Ende vergangenen Jahres ein Digital-Gesetz vorgeschlagen, das Amazon, Apple, Google und Co. in engere Schranken weist, sodass die US-Konzerne ihre Marktdominanz nicht mehr ausnutzen können.
Apple weist Vorwürfe von Spotify zurück
Gutiérrez kämpft an mehreren Fronten. Nicht nur in Europa, sondern auch in den USA ist er aktiv. Vor knapp zwei Monaten leiteten Generalstaatsanwälte in mehreren US-Bundesstaaten Verfahren gegen Google ein, da der Konzern in seinem Google Play Store ähnlich wie Apple agiert. Der Spotify-Chefjurist gibt sich optimistisch, dass Regierungen mittelfristig das wettbewerbsverzerrende Gebaren der IT-Riesen zügeln werden. „Ich spüre, dass sie tatsächlich etwas tun wollen, was auch effektiv ist“, erklärte er in einem Interview.
Apple weist die Vorwürfe von Spotify zurück. Der schwedische Streamingdienst sei nur durch den Apple Store so groß geworden, entgegnet der Konzern aus Kalifornien. „Sie wollen alle Vorteile des App Stores, aber denken, sie müssten dafür nichts bezahlen“, erklärte ein Unternehmenssprecher.
Es ist für Gutiérrez nicht die erste juristische Auseinandersetzung, bei der es um Wettbewerbsregeln geht. Der Rechtsanwalt, der zunächst in Venezuela Jura studierte, dann seine akademische Ausbildung an der Harvard Law School und in Miami fortsetzte, arbeitete 17 Jahre lang bei Microsoft. In dieser Zeit musste er viele Angriffe auf den Softwareriesen abwehren, Microsoft geriet immer wieder in die Schlagzeilen, weil der Konzern in seinem Betriebssystem Windows den eigenen Browser bevorzugte und Konkurrenzprodukte benachteiligte.
In dieser Zeit machte sich Gutiérrez einen Namen als fairer, aber äußerst harter Anwalt. Seit 2016 ist er der Chefjurist von Spotify. Von seinem Büro in Miami aus verhandelt er mit den Großen der Musikbranche, mit Warner, Universal, Sony und anderen über Rechte- und Lizenzfragen für Musik, Podcasts und Videos. Außerdem ist er bei Spotify für Regulierungsfragen verantwortlich, Regierungen sind sein Gegenüber.
Das Onlinemagazin „Billboard“, das seit Jahrzehnten das Sprachrohr der internationalen Musikbranche ist und regelmäßig die Charts veröffentlicht, präsentiert seit Langem auch „Billboard’s Power 100-Liste“. In ihr werden einmal jährlich die einflussreichsten Menschen der Musikindustrie aufgeführt. Horacio Gutiérrez hat einen Stammplatz. Und damit nicht genug: „Billboard“ bezeichnet ihn als einen der Topjuristen in der Musikindustrie. Keine guten Aussichten für Apple und Co.
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