Industrie 4.0 Smartwatch für die Mitarbeiter: Wie ein Start-up Produktionsprozesse optimieren will

Das Münchener Start-up hat eine Plattform entwickelt, um Menschen enger in die Produktionsprozesse einzubinden.
München Viel wird in der Industrie derzeit über das „Internet der Dinge“ diskutiert. Die Vernetzung von Maschinen, Kommunikation und der Auswertung von Daten in einer Cloud sollen die Produktivität weiter steigern. Doch bei der Integration der Mitarbeiter sieht das Münchener Start-up Workerbase Nachholbedarf. „Der menschliche Mitarbeiter muss in die Prozesse besser eingebunden werden“, sagt Mitgründer Thorsten Krüger.
Workerbase hat eine Plattform zur Steuerung der Produktion in Echtzeit entwickelt, die Maschinen und Menschen integriert. Die Beschäftigten werden mit eigens entwickelten Smartwatches, also intelligenten Uhren für das Handgelenk, ausgerüstet. Die Software läuft aber auch auf Smartphones und Tablets.
Mit dem System kann ein Mitarbeiter beispielsweise an der Werkbank einen Techniker informieren, wenn für die Montage eines Werkteils manuelle Unterstützung erforderlich ist. Das Workerbase-System soll dann aufgrund der hinterlegten Profile und Verfügbarkeiten den passenden Mitarbeiter herbeirufen.
Auch eine Maschine kann ein Signal an einen Beschäftigten senden, wenn sie zum Beispiel neu beladen werden muss. Bislang erfolge die Kommunikation häufig etwa über ein Nottelefon an der Produktionslinie, sagt Krüger. „Oder der Mitarbeiter muss loslaufen und den nächsten Techniker suchen.“
In erster Linie ist die Workerbase-Technologie also ein Kommunikationsmittel. Die gewonnenen Daten können zudem analysiert werden, um zum Beispiel die besten Laufwege zu ermitteln. Inzwischen hat die junge Firma nach eigenen Angaben fünf Großkunden, darunter auch der Autohersteller Porsche. Der Pulvermetallurgie-Spezialist GKN PM setzt die Technologie sogar schon weltweit ein.
Vernetztes Arbeiten gewinnt an Bedeutung
„Ich bin 100 Prozent sicher, dass sich das System durchsetzen wird“, sagt Workerbase-Mitgründer Krüger. „Die Art, wie die Unternehmen produzieren, muss sich ändern.“ Die Industrie sei gezwungen, ihre Fertigung immer flexibler aufzustellen. Dafür müssten die Prozesse optimiert werden.
Laut Workerbase könnte so die Produktivität einzelner Fabriken um 20 Prozent gesteigert werden. Die Programme können zum Beispiel an bestehende Fertigungsmanagementsysteme angebunden werden.
Die Gründer Norman Hartmann, Thorsten Krüger und Hamid Monadjem hatten sich 2014 bei der Arbeit bei Siemens kennen gelernt. Drei Jahre später machten sie sich mit Workerbase selbstständig. Leadinvestor bei der letzten Finanzierungsrunde war der Frühphasen-Venture-Capitalgeber Point Nine.
Es gibt einige Konkurrenten. So hat zum Beispiel auch das Unternehmen Parsable eine sogenannte Connected Worker Platform entwickelt. Eingesetzt wird diese neuerdings in einer neu eröffneten Musterfabrik des Getränkekonzerns Suntory in Japan.

Thorsten Krüger, Hamid Reza Monadjem und Norman Hartmann (von links) haben sich bei Siemens kennengelernt. 2017 machten sie sich mit dem Start-up Workerbase selbstständig.
„Kein Industriemanager, der mittels Digitalisierung die Sicherheit, Produktivität und Effizienz seiner Belegschaft verbessern will, kommt mehr am Thema vernetztes Arbeiten vorbei“, sagte Parsable-CEO Lawrence Whittle. Bei der Plattform bekommen die Arbeiter auf ihr mobiles Gerät Arbeitsanweisungen, den Führungskräften verspricht Parsable „Echtzeit-Dashboards zu Arbeitsdaten und Trends“.
Betriebsräte müssen eingebunden sein
In den Betrieben dürften manche die neuen digitalen Instrumente skeptisch sehen. Schließlich können mit der Auswertung der Daten nicht nur Laufwege verkürzt und Prozesse optimiert werden, sondern kann theoretisch auch die Arbeitstätigkeit überwacht werden.
Bei Firmen wie Siemens sei deshalb bei der Einführung der Betriebsrat immer eingebunden, betont Workerbase-Mitgründer Krüger. Das digitale Werkzeug solle dem Mitarbeiter helfen und ihn nicht überwachen.
Die Effizienz der Fabriken kann den Anbietern zufolge deutlich verbessert werden. Der Workerbase-Konkurrent Tulip spricht von einer zehnprozentigen Verbesserung der Produktivität. Zudem könnten Schulungs- und Wartungskosten deutlich reduziert werden.
Auch laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey kann das Produktivitätspotenzial deutlich gehoben werden, wenn die Arbeiter mit digitalen Werkzeugen besser eingebunden werden. In Zeiten der Corona-Pandemie sei dies noch wichtiger geworden: Zum einen müsse in der Fertigung Abstand gehalten werden, das mache virtuelle Kommunikation wichtiger.
Zudem verstärke die Pandemie den Trend zu einer dezentraleren Produktion. Hier sei eine die Regionen übergreifende Kommunikation noch wichtiger, um etwa von den Erfahrungen an anderen Standorten zu profitieren. Digitale Kollaboration könne die Produktivität teilweise um bis zu 30 Prozent steigern.
Markt mit Milliardenpotenzial
Workerbase stört es nicht, dass noch andere Anbieter am Markt sind. Die allermeisten Firmen hätten bislang noch überhaupt keine Lösung, sagt Krüger. Wenn der Markt erst einmal gemeinsam entwickelt werde, habe er Milliardenpotenzial.
Das Unternehmen verzeichnet derzeit eine rege Nachfrage. Laut Branchenschätzungen dürfte sich der Umsatz im vergangenen Jahr auf einen siebenstelligen Betrag verdoppelt haben.
Dass in Zukunft nur noch Maschinen in der Fertigung sind, glaubt Krüger nicht. „Auch in der Fabrik der Zukunft werden noch Menschen sein“, ist er überzeugt. Je besser diese in die Prozesse eingebunden seien, desto höher könne ihr Anteil liegen.
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