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Interview zum IPO Auto1-Chef Bertermann: „Leute haben Angst, zum Gebrauchtwagenhändler zu gehen“

Der CEO des Autohändlers spricht kurz nach dem Börsendebüt über schwierige Phasen, große Chancen – und äußert sich kritisch über IPOs durch Spacs.
04.02.2021 - 16:56 Uhr Kommentieren
Der CEO von Auto1 hat das Unternehmen 2012 mitgegründet und als alleiniger Geschäftsführer an die Börse geführt. Mitgründer Hakan Koc wechselte im Dezember in den Aufsichtsrat. Quelle: Dominik Butzmann für Handelsblatt
Christian Bertermann

Der CEO von Auto1 hat das Unternehmen 2012 mitgegründet und als alleiniger Geschäftsführer an die Börse geführt. Mitgründer Hakan Koc wechselte im Dezember in den Aufsichtsrat.

(Foto: Dominik Butzmann für Handelsblatt)

Düsseldorf Auto1-CEO Christian Bertermann zeigt sich hocherfreut über den gelungenen Börsenstart am Donnerstag. Die Erstnotiz von 55 Euro lag fast 45 Prozent oberhalb der festgelegten Preisspanne. „Der Handelsstart ist noch besser gelaufen, als wir erwartet hatten, ich glaube, das können wir zugeben“, sagte Bertermann dem Handelsblatt.

Etwa eine Milliarde Euro erlöst das Unternehmen mit dem IPO. Der Großteil in Höhe von etwa 750 Millionen Euro soll laut Bertermann als finanzielles Polster dienen oder direkt in operative Geschäft fließen: „Insbesondere verwenden wir das Geld für den weiteren Ausbau unserer Endkunden-Marke Autohero und den Aufbau unserer Flotte gläserner Trucks, mit denen wir die Gebrauchtwagen als besonderes Kundenerlebnis ausliefern werden.“ Mit etwas mehr als 200 Millionen Euro muss das Unternehmen Schulden aus einem Wandeldarlehn begleichen.

Das derzeit gute Börsenumfeld macht IPOs für junge Firmen besonders attraktiv. Deshalb wird nun auch in Deutschland über Spacs diskutiert, also Mantelgesellschaften, unter denen Firmen schneller an die Börse gehen können. Im Handelsblatt-Interview äußert sich Bertermann kritisch dazu: „Ich glaube, ein Unternehmen sollte erwachsen genug für einen eigenständigen Börsengang sein. Aus meiner Sicht sollte ein Unternehmen nicht nur deshalb an die Börse gehen, weil die Kurse gerade hoch sind.“

Lesen Sie hier das vollständige Interview

Herr Bertermann, die Erstnotiz der Auto1-Aktie lag bei 55 Euro und damit fast 45 Prozent oberhalb der Preisspanne. Das Unternehmen wird entsprechend mit 11,7 Milliarden Euro bewertet. Wie zufrieden sind Sie mit den Zahlen?

Wir freuen uns sehr über den tollen Börsenstart, der natürlich auch das Vertrauen der Investoren in unser Geschäftsmodell widerspiegelt. Offenbar ist es eine weit verbreitete Meinung, dass sich viele Kunden eine Professionalisierung des Gebrauchtwagenmarkts wünschen. Der Handelsstart ist am Donnerstag noch besser gelaufen, als wir erwartet hatten, ich glaube, das können wir zugeben.

Sie erlösen mit dem Börsengang etwa eine Milliarde Euro für das Unternehmen. Was haben Sie mit dem Geld im Detail vor?

Der Großteil, etwa 750 Millionen Euro, dient uns als finanzielles Polster oder geht direkt in unser operatives Geschäft. Insbesondere verwenden wir das Geld für den weiteren Ausbau unserer Endkunden-Marke Autohero und den Aufbau unserer Flotte gläserner Trucks, mit denen wir die Gebrauchtwagen als besonderes Kundenerlebnis ausliefern werden. Außerdem werden wir in großem Umfang neues Personal einstellen, das uns hilft, den Wachstumskurs zu managen.

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Sie haben im vergangenen Sommer ein Wandeldarlehen über 255 Millionen Euro bekommen. Wie viel ist davon jetzt rückzahlungspflichtig?

Ein Teil der Zeichner hat das Darlehen jetzt in Aktien gewandelt. Bleiben etwas über 200 Millionen, die wir nun zurückzahlen werden. So ergibt sich abzüglich weiterer Gebühren für den Börsengang dann die vollständige Verwendung des Gesamterlöses.

Im Markt hieß es, die Konditionen für das Wandeldarlehen seien allenfalls mittelmäßig für Sie gewesen.

Nein, die Konditionen waren absolut marktgerecht. Das war ein wichtiger Moment für uns im vergangenen Jahr. Wir haben schon damals fest daran geglaubt, dass wir Autohero ganz groß aufziehen können und dass beim Online-Autohandel mit den Endkunden in Europa das gleiche Potenzial besteht wie in den USA. Manche Investoren haben aber auch gesagt: „Dann zeigt es uns doch erst mal.“ Dafür brauchten wir zusätzliche Mittel. Unsere Investoren sind echt schlaue Leute, die gesehen haben, was aus Autohero werden könnte. Die kritischen Nachfragen, neben dem Vertrauen der Investoren, haben uns zusätzlich gepusht. Insgesamt 10.200 Autos haben wir dann über Autohero im vergangenen Jahr ausgeliefert – und damit auch einen Top-Fonds wie Sequoia vom Einstieg überzeugen können.

Welche Märkte genießen bei Ihnen die größte Aufmerksamkeit?

Das beurteilen wir ganz nüchtern nach der Marktgröße: Deutschland ist und bleibt unser wichtigster Markt. Da werden wir zuerst und am meisten investieren. Es folgen Italien, Frankreich, Spanien, Niederlande und Österreich.

Die zum Börsengang veröffentlichte Bilanz zeigt, dass der Reingewinn pro Auto im Endkundengeschäft zuletzt bei 268 Euro lag – weit entfernt von den 1000 Euro, die Sie als Preisaufschlag in diesem Segment angestrebt haben. Und es ist auch nur halb so viel wie im Händlergeschäft, in dem Auto1 groß geworden ist. Wie soll der Reingewinn gesteigert werden?
Der Automarkt insgesamt befindet sich gefühlt noch auf dem Stand des Jahres 1998. Damals war es selbstverständlich, dass man zum Beispiel einen Computer im Geschäft kauft. Wenn wir heute einen schwarzen Passat online anbieten, dann bekommen wir aktuell noch weniger Nachfrage pro Fahrzeug als ein Offline-Händler. Wir müssen die Leute davon überzeugen, dass sie ein Auto online kaufen können und dass man unserer Marke vertrauen kann. Denn wir wissen auch: Die Leute haben teilweise sogar Angst, zum Gebrauchtwagenhändler zu gehen, das ist einfach keine angenehme Erfahrung. Deshalb investieren wir auch so enorm ins Marketing. Dann wird der Unterschied zwischen Online- und Offline-Nachfrage pro Auto immer kleiner. Und dann werden wir auch höhere Margen sehen. Wir glauben, dass das relativ schnell gehen kann, weil Kunden alles andere schon online kaufen.

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Als vielleicht größtes Geschäftsrisiko für Auto1 wird gesehen, dass es die aufgekauften Fahrzeuge nicht wieder loswird. Im Endkundengeschäft sind 80 Tage üblich, bis ein Händler einen Gebrauchtwagen wieder verkauft hat. Wie lange dauert es bei Ihnen?

Wir brauchen derzeit mit Autohero noch etwas länger als in der Branche üblich. Der Vertrieb an professionelle Gebrauchtwagenhändler, den wir acht Jahre lang aufgebaut haben, läuft viel schneller ab. Zu Nicht-Corona-Zeiten sind wir dabei den Großteil der angekauften Gebrauchtwagen nach sieben Tagen sehr schnell wieder los. Aber wir glauben, dass die Margen im Händlergeschäft letztlich kleiner sein werden als im Endkundengeschäft.

Wie partizipieren die Mitarbeiter von Auto1 am Börsengang?

Wir haben seit 2013 virtuelle Aktienprogramme eingerichtet. Damit wurde vor allem die Managementebene incentiviert, aber auch viele weitere Führungskräfte. Und auch für Mitarbeiter ohne Führungspositionen, die fachlich unglaublich gut sind, haben wir damit Anreize geschaffen, langfristig an unserer Erfolgsgeschichte teilzuhaben. Wir reden von insgesamt über 200 Millionen Euro, die die Aktienoptionen jetzt wert sind.

Aus der Start-up-Szene wird immer wieder kritisiert, dass in Deutschland aus rechtlichen Gründen praktisch nur virtuelle Optionen auf Unternehmensanteile ausgegeben werden können. Wie gut hat dieses Hilfsmittel nun für Sie funktioniert?
Die virtuellen Aktienprogramme waren für uns ein guter Weg. Das größte Problem aus Sicht der deutschen Start-up-Szene ist, dass unsere Mitarbeiter ihre Gewinne aus diesen Programmen ganz normal als Einkommen versteuern müssen. In anderen Teilen der Welt fallen dafür aber nur Kapitalertragsteuern an. Wir könnten unseren Standort enorm stärken, wenn wir das auch in Deutschland entsprechend anpassen würden.

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Kurz vor dem Börsengang hat Auto1 mit Sylvie Mutschler-von Specht eine Frau in den Aufsichtsrat geholt, ansonsten sind Aufsichtsrat, Vorstand und erste Führungsebene darunter nur mit Männern besetzt. Werden Sie das als neuer alleiniger CEO ändern?
In der Ebene darunter haben wir eine Menge sehr qualifizierter Frauen, die eine tolle Entwicklung hinter sich haben - und wir sehen ganz klar das Potenzial, dass sie auch in die Top-Führungsebene aufsteigen könnten.

Wird sich mittelfristig im zweiköpfigen Vorstand noch etwas ändern, nachdem Ihr Mitgründer Hakan Koc in den Aufsichtsrat gewechselt ist?
Wir verbleiben erst mal bei der Konstruktion mit zweiköpfigem Vorstand und fünfköpfigem Team der Senior Vice Presidents, die an den Vorstand berichten. Das ist ein starkes Team, die sind fast alle von Anfang an dabei gewesen, und sie genießen alle mein absolutes Vertrauen.

Wäre eigentlich auch ein IPO über einen Spac, also eine Mantelgesellschaft für den Börsengang, über den jetzt auch in Deutschland heiß diskutiert wird, für Sie denkbar gewesen?
Ich glaube, ein Unternehmen sollte erwachsen genug für einen eigenständigen Börsengang sein. Aus meiner Sicht sollte ein Unternehmen nicht nur deshalb an die Börse gehen, weil die Kurse gerade hoch sind.

Herr Bertermann, herzlichen Dank für das Gespräch.

Mehr: Fulminanter Börsengang in Frankfurt – Auto1 startet mit Kurssprung von 45 Prozent.

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