Kommentar Im Kampf um die Chips ist China alles andere als machtlos

China ist der größte Chipmarkt der Erde. Dem Land fehlt aber ein Hersteller von Weltgeltung.
China ist der größte Chipmarkt der Welt. Doch das Land ist abhängig vom Ausland. Kein Hersteller von Weltrang sitzt in der Volksrepublik. Genau deshalb setzen die USA die kleinen Bauelemente als Machtmittel ein. Washington will Peking in die Schranken weisen, indem es den geopolitischen Rivalen vom Chip-Nachschub abschneidet.
Der Boykott trifft das Land, keine Frage. Chinas führender Technologiekonzern Huawei würde deutlich besser dastehen, wenn er die nötigen Chips bekäme. Das zeigen die Zahlen, die das Unternehmen gerade vorgelegt hat. Trotzdem sollte US-Präsident Joe Biden den Konfrontationskurs seines Vorgängers Donald Trump beenden. Der Preis ist zu hoch, den die US-Industrie selbst zu zahlen hat.
Denn im Kampf um die Halbleiter ist China keineswegs so machtlos, wie sich das wohl mancher Stratege in Washington wünscht. Eine gescheiterte Übernahme beweist das: Gerade musste der US-Chipausrüster Applied Materials den mehr als zwei Milliarden Dollar schweren Kauf des Rivalen Kokusai Electric in Japan absagen. Der Grund: Die Behörden in China haben ihre Zustimmung verweigert.
Peking einfach zu ignorieren war keine Option, obwohl sowohl Käufer als auch Verkäufer in den USA sitzen. Kokusai Electric gehört dem US-Finanzinvestor KKR. Der chinesische Markt ist einfach zu wichtig, als dass die Firmen darauf verzichten wollten. Lieber gaben sie die Akquisition auf – und das nach fast zwei Jahren Wartezeit.
Sehr wahrscheinlich wird China weitere Zukäufe von amerikanischen Halbleiterfirmen blockieren. Insbesondere die Übernahme des britischen Chipdesigners ARM für 40 Milliarden Dollar durch Nvidia aus dem Silicon Valley ist in Gefahr.
Eine Einigung ist nicht unrealistisch
Dazu kommt: Mit den Lieferbeschränkungen stachelt Washington die Chinesen jeden Tag aufs Neue an, eine eigene, schlagfertige Halbleiterindustrie aufzubauen. Das wird zwar dauern. Aber die Nation hat auch in der Solarbranche, bei Zügen oder Autos bewiesen, dass sie einen beträchtlichen Vorsprung aufholen kann.
Die USA sollten daher schnellstmöglich mit China ins Gespräch kommen. Der Biden-Regierung muss es dabei in erster Linie darum gehen, das geistige Eigentum der US-Chiphersteller verlässlich zu schützen.
Eine Einigung erscheint nicht unrealistisch. Schließlich könnte China darauf hoffen, dass die großen US-Halbleiterhersteller endlich in dem riesigen Reich in moderne Fabriken investieren. Momentan machen US-Konzerne einen Bogen um das Land, weil sie um ihr Know-how fürchten.
So kündigte der neue Intel-Chef Pat Gelsinger jüngst gewaltige Investitionen in Arizona an, auch in Europa will der Manager bauen. Ausgerechnet dem größten Absatzmarkt der Welt hingegen bleibt der Branchenführer fern.
Es hätten also beide Seiten etwas davon, wenn sie sich aufeinander zubewegen. Europa würde übrigens auch profitieren. Denn Chipkonzerne wie Infineon aus München oder NXP aus den Niederlanden drohen sonst zerrieben zu werden zwischen den widerstreitenden Interessen.
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