Lichtkonzern Osram verschärft Sparkurs vor der Übernahme durch AMS

Osram steht kurz vor der Übernahme durch AMS.
München An der Spitze herrscht demonstrative Harmonie. „Der Alex“ habe ihm vor Beginn der Hauptversammlung eine SMS geschickt und viel Glück und Erfolg gewünscht, berichtete Osram-Chef Olaf Berlien. Die Kurznachricht kam von Alexander Everke, CEO des österreichischen Photonik-Spezialisten AMS, der sich gerade anschickt, den deutlich größeren Osram-Konzern zu übernehmen.
„Ich verstehe all jene, die damit hadern“, sagte Berlien später in seiner Rede. Jenseits aller Emotionen gelte aber: „Das ist nicht das Ende von Osram.“ Die Geschäftslogik hinter dem Zusammenschluss sei richtig. Doch hinter den Kulissen gibt es die ersten Unstimmigkeiten. Berlien sieht den geplanten Zusammenschluss als eine Art Fusion unter Gleichen. So ist zum Beispiel vereinbart, das Portfolio gemeinsam zu prüfen.
Doch AMS-Finanzvorstand Michael Wachsler-Markowitsch preschte vor einigen Tagen vor. „Das digitale Geschäft von Osram passt nicht wirklich zu AMS, wir suchen dafür ein besseres Zuhause“, sagte er. AMS hatte anfangs erklärt, sich von der Digital-Sparte teilweise oder ganz trennen zu wollen.
In der Angebotsunterlage hieß es dann aber als Konzession an die Münchener, man sei bereit, diese Pläne gemeinsam mit Osram „zu überprüfen und zu bewerten“. Die Aussage Wachsler-Markowitschs bezeichnete Berlien als „Einzelmeinung“. Laut Industriekreisen hat der Vorgang die Stimmung in München aber nicht verbessert.
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Wachsler-Markowitsch stand vor Beginn der Hauptversammlung am Rande der Bühne. Unstimmigkeiten? „Alles fein“, sagte der AMS-Finanzvorstand, und wollte sich nicht weiter äußern. AMS hält bereits 20 Prozent der Osram-Anteile und hat sich mit seinem Übernahmeangebot weitere rund 40 Prozent gesichert. Aufzuhalten ist der Milliardendeal wohl nicht mehr.
Osram war nur selten eigenständig
Und so hatte Osram nach Abschluss einer Investorenvereinbarung auf Kooperation umgeschwenkt. Mehrmals die Woche treffen sich die Teams, auch der Lenkungskreis der Vorstände kommt regelmäßig zusammen.
AMS hielt sich auf der Hauptversammlung zurück. Im Spätsommer dürfte es ein außerordentliches Aktionärstreffen geben, auf dem ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag beschlossen werden soll.
Eines Tages könnte AMS Osram auch ganz von der Börse nehmen – was aber nach Einschätzung von Insidern noch Jahre dauern könnte. Ein paar spannende Entscheidungen werden jedoch schon früher fallen, zum Beispiel über die Zukunft der defizitären Digitalsparte von Osram.
Ein großer Teil des traditionellen Geschäfts mit elektronischen Vorschaltgeräten für Leuchten würde wohl auch bei einer eigenständigen Osram irgendwann zur Disposition stehen. Im Portfolio ist aber auch zum Beispiel die US-Firma Fluence, die sich als weltweit führender Anbieter von intelligentem Pflanzenlicht versteht.
Dieses wird zum Beispiel bei der Aufzucht von Gemüse oder in den USA von Cannabis für medizinische Anwendungen verwendet.
Der Licht-Spezialist sei in seiner mehr als hundertjährigen Geschichte nur selten wirklich eigenständig gewesen. So gehörte das Unternehmen zeitweise AEG, General Electric und Siemens. Zudem bleibe die Marke Osram erhalten, sagte Berlien und betonte: „Die Fabriken in Deutschland haben eine Standortgarantie.“ Der Zusammenschluss mit AMS biete Osram „eine echte Perspektive, eine langfristige Zukunft“.
Die industrielle Logik hinter dem Zusammenschluss stimme, sagte Berlien. Beide Unternehmen könnten ihre Abhängigkeit von einzelnen Märkten reduzieren – Osram vom Automobilgeschäft, AMS vom Mobilfunkmarkt.
Derzeit stehen nämlich beide Unternehmen vor Herausforderungen: Osram leidet unter der Schwäche der weltweiten Automärkte. Die Österreicher wiederum sind stark vom Großkunden Apple abhängig – und der hat in China wegen des Corona-Virus mit Schwierigkeiten zu kämpfen.
Kein zusätzlicher Stellenabbau
Gemeinsam könne man ganz neue Produkte anbieten, sagte Berlien: „Die starke LED-Kompetenz von Osram erweitert AMS mit seinen Kompetenzen im Bereich Sensorik, Software und Systemdesign.“ Entscheidend werde aber sein, ob die Integration gelinge. „Ein Zusammenschluss dieser Größenordnung ist eine Mammutaufgabe.“
Beide Unternehmenskulturen hätten ihre Stärken und Schwächen. Osram setze auf bewährte, starke Prozesse. Die AMS-Kultur sei dagegen von Agilität und schlanken Strukturen geprägt.
Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) meinte: „Ich hätte mir schon gewünscht, dass Osram eigenständig geblieben wäre.“ Dass es soweit gekommen ist, führt sie auch auf Siemens zurück, das sich bei der Abspaltung „nicht sehr verdient gemacht habe um Osram“.
Schon im Vorfeld der Übernahme verschärft Osram den Sparkurs. Bis 2022 sollen die Kosten nun um 300 Millionen Euro gedrückt werden. Bislang lag das Sparziel bei 220 Millionen Euro. Die Ex-Siemens-Tochter setzt dabei auf „ein Bündel von Einzelprogrammen, zu dem alle Geschäftseinheiten beitragen“.
Zusätzlichen Stellenabbau soll es laut Industriekreisen nicht geben. Osram bereitet derzeit die Streichung von 750 bis 800 Arbeitsplätzen vor. Mit den laufenden Effizienzprogrammen kommt Osram nach Konzernangaben schneller voran als geplant. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres hatte Osram unter dem Strich nur einen Gewinn von einer Million Euro erzielt.
Das bereinigte operative Ergebnis verbesserte sich aber um 22 Prozent auf 114 Millionen Euro. „Natürlich werden wir Osram nicht nur durch Sparen wieder auf Kurs bringen“, sagte Berlien. „Wir haben bereits begonnen, unser Produktportfolio zu straffen.“
Eine Herausforderung ist auch für Osram die Verbreitung des Coronavirus in China. Zeitweise waren die drei Werke in China geschlossen, inzwischen laufen zwei wieder – das dritte könnte nächste Woche folgen. Die größte Gefahr ist allerdings nach Einschätzung in Industriekreisen, dass die Lieferketten der Autokonzerne unterbrochen werden.
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