Lieferengpässe Chiphersteller TSMC prüft Bau einer Fabrik in Deutschland – fordert aber staatliche Zuschüsse

Der Chiphersteller erwägt den Bau einer Fabrik in Deutschland.
Tokio, München, Brüssel Kehrtwende bei TSMC: Der weltgrößte Auftragsfertiger der Chipindustrie erwägt, erstmals eine Fabrik in Europa zu bauen. Dafür sei Deutschland im Gespräch, erklärte am Montag Mark Liu, der Verwaltungsratsvorsitzende von TSMC, auf der Hauptversammlung in Taiwan. Bislang hatte sich der Konzern stets gegen ein Werk in Europa ausgesprochen.
„Wir befinden uns in der Vorphase der Prüfung, ob wir nach Deutschland gehen sollen“, sagte Liu „Es ist noch sehr früh, aber wir evaluieren es ernsthaft.“ Das Taiwaner Unternehmen verhandele bereits mit mehreren Kunden, erläuterte der Manager. Für eine Entscheidung sei es allerdings noch zu früh.
Seit Monaten stehen in den Autofabriken in Europa immer wieder die Bänder still, weil Chips fehlen. Die EU hat daher das Ziel ausgegeben, Europas Anteil an der globalen Halbleiterproduktion innerhalb der nächsten zehn Jahre erheblich zu steigern – von weniger als zehn auf 20 Prozent. Der aktuelle Mangel wird sich dadurch nicht beheben lassen. Vielmehr will die EU verhindern, dass bestehende Abhängigkeiten in Zukunft weiterexistieren.
Ob TSMC tatsächlich in Deutschland baut, ist eine Frage der Zuschüsse. Nicht nur die Kunden will TSMC zur Kasse bitten, sondern auch den Staat. TSMC strebe eine Teilung der Kosten an, unterstrich Liu. Die Taiwaner produzieren im Auftrag von Chipherstellern wie Apple, Nvidia, Qualcomm oder Infineon. Die EU-Kommission ist nach eigener Aussage aber derzeit nicht in die Verhandlungen mit TSMC eingebunden und will sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht dazu äußern.
Sollte sich TSMC für Deutschland entscheiden, käme das einer Zeitenwende gleich. Denn mit Ausnahme von Bosch hat in den vergangenen 15 Jahren kein Unternehmen eine neue Chipfabrik hierzulande gebaut. Im Gegenteil, in den vergangenen Monaten gab es nur Absagen. Zuletzt hatte sich der Auftragsfertiger Globalfoundries zweimal für Standorte in Übersee entschieden. Dabei betreibt der US-Konzern auch Werke in Dresden und hätte auch in Sachsen die Produktion erweitern können. Zunächst kündigte Vorstandschef Tom Caulfield an, dass sein Unternehmen in Singapur in eine Fabrik investiert. Darüber hinaus werde er im US-Bundesstaat New York eine zusätzliche Fertigungsstätte errichten, teilte Caulfield vergangene Woche mit.
TSMC reagiert auf den Technikkrieg zwischen USA und China
Die Verhandlungen über ein Werk in Deutschland sind Teil der neuen Internationalisierungsstrategie von TSMC. Damit reagiert der Konzern unter anderem auf den Technikkrieg zwischen den USA und China. Um preiswerter zu produzieren, konzentrierte der Halbleiterhersteller seine Werke bisher auf der kleinen Insel vor der Küste Chinas.
Voriges Jahr kündigte TSMC aber bereits den Bau eines zwölf Milliarden Dollar teuren Chipwerks in den USA an. Zudem wollen die Taiwaner eine Fabrik und ein Entwicklungszentrum in Japan errichten.
Dahinter steht der Druck vieler Regierungen, wichtige Teile der globalen Chiplieferkette in ihren Ländern und Regionen anzusiedeln. China läutete diese Entwicklung ein. Die USA konterten unter Präsident Donald Trump. Zuletzt folgten die EU, Japan und Südkorea. Sie alle wollen mit Subventionen ihre Chipindustrie stärken.
Medienberichten aus Taiwan zufolge will TSMC in Deutschland Halbleiter mit der 16- bis 28 Nanometer-Technologie fertigen. Damit könnten die Asiaten Chips anbieten, die unter anderem von der Autoindustrie dringend gebraucht werden. Es sind dies aber nicht die fortschrittlichsten Produktionsverfahren.
Mit einem derartigen Werk käme TSMC den Wünschen seiner Kunden nach, also von Chipherstellern wie dem Dax-Konzern Infineon aus München oder NXP aus den Niederlanden. „Wir meinen, dass sich Europa auf moderne, aber nicht die fortschrittlichste Technologie konzentrieren sollte“, sagte jüngst Helmut Gassel, Vertriebsvorstand des Münchener Halbleiterherstellers Infineon. Genau das hat TSMC jetzt vor.
Auf den höchst integrierten Chips von TSMC finden fünf Nanometer große Transistoren Platz. Ein Transistor ist ein Bauelement der Chips und wird zum Schalten oder Verstärken von Strom verwendet. Kleinere Transistoren verbrauchen weniger Strom, rechnen schneller und ermöglichen kompaktere Chipgrößen.
Dennoch dürfte TSMC die Entscheidung für eine Internationalisierung schwergefallen sein. Zumindest dem Gründer Morris Chang gefiel die Dezentralisierung nicht. Der in den USA ausgebildete 89-Jährige warnte die Regierungen, dass eine schnelle Verlagerung der Halbleiterproduktion massive Kosten nach sich ziehen würde, ohne notwendigerweise die Selbstversorgung mit Chips zu gewährleisten.
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Kritik vom Gründer von TSMC
Chang weiß aus eigener Erfahrung, dass Massenproduktion und Clusterbildung wichtig sind, um die Preise niedrig zu halten. Außerdem sieht er je nach Standort Wettbewerbsnachteile.
Die USA beispielsweise können aus seiner Sicht mit billigem Land, Wasser und Strom punkten. „Allerdings fehlt es ihnen an geeigneten Talenten – einschließlich Ingenieuren, Technikern und Produktionsmitarbeitern – sowie an der Fähigkeit, Produktionspersonal im großen Stil zu mobilisieren“, erklärte er im April dieses Jahres.
Hierzulande hofft die Chipbranche, dass sich mit TSMC endlich ein großer, internationaler Anbieter ansiedelt. Der Branchenverband Silicon Saxony fordert von EU und Regierung dabei mehr Tempo und mehr Geld. „Die Umsetzungsgeschwindigkeit muss sich dramatisch beschleunigen“, sagte Geschäftsführer Frank Bösenberg vergangene Woche. Europa brauche jetzt zudem eine verbindliche Zusage über eine öffentliche Co-Finanzierung. „Anderenfalls bauen Chipunternehmen ihre Standorte außerhalb Europas weiter aus, wo Staaten ebenfalls ein strategisches Interesse an einer starken Halbleiterindustrie haben und deshalb Förderung bereitstellen.“
Neben TSMC buhlt auch Branchenführer Intel um Subventionen in Europa. Vorstandschef Pat Gelsinger will in der EU für 100 Milliarden Dollar sechs bis acht hochmoderne Chipwerke errichten. Dafür verlangt der Ingenieur etwa 40 Milliarden Dollar an Subventionen.
Deshalb reiste der 60-Jährige Anfang des Monats durch zahlreiche europäische Hauptstädte und traf sich mit den Staatschefs. „Wir benötigen Unterstützung der Mitgliedsländer und der EU“, sagte Gelsinger. „Wir können das nicht allein.“ Denn in Asien würden die Chiphersteller mit üppigen Hilfen angelockt. Im Gegensatz zu TSMC hat sich Intel selbst eine Frist gesetzt: Der Weltmarktführer will noch in diesem Jahr über eine Ansiedlung in Europa entscheiden.
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