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Low Code, No Code Code aus dem Baukasten: Jetzt kommt Programmieren für Dummies

Von Start-ups bis SAP bieten immer mehr Firmen Business-Apps zum Selberbauen an. IT-Kenntnisse sind nicht erforderlich, das Marktpotenzial ist enorm.
23.02.2021 - 09:29 Uhr Kommentieren
Mit Low- und No-Code-Lösungen können Menschen auch ohne IT-Kenntnisse einfache Anwendungen programmieren. Quelle: Westend61/Getty Images
Programmierer gesucht

Mit Low- und No-Code-Lösungen können Menschen auch ohne IT-Kenntnisse einfache Anwendungen programmieren.

(Foto: Westend61/Getty Images)

Düsseldorf Mit ein paar Klicks hat Torben Schulz schon ein kleines Bestellmanagementsystem erstellt. Wäre er ein Gastronom, der seine Pizzen über eine große Bestellplattform vertreibt, könnte er jetzt abfragen, wie viele Pizzen bestellt worden sind, und die Aufträge bestätigen. Ein Feld ist für Bemerkungen vorgesehen wie „Noch fünfmal Salami vorrätig“. Ein Kunde von Schulz – eine Lieferdienstplattform – hat die Vorlage für das Minisystem erstellt. Damit können selbst Gastronomen jetzt programmieren.

Schulz ist Mitgründer von Rows, einem sogenannten No-Code-Start-up, das Programmieren ohne besondere IT-Kenntnisse ermöglicht. Bis zu diesem Dienstag war sein Marktplatz für Programmiervorlagen nur für gut tausend ausgewählte Menschen zugänglich. Doch 10.000 standen noch auf der Warteliste, sagt der Gründer – obwohl es bislang praktisch keine Werbekampagne gab. In das Berliner Unternehmen, kaum gestartet, investieren Wagniskapitalgeber deshalb nun gut 13 Millionen Euro, darunter Branchengrößen wie Lakestar und Accel.

Schulz und seine renommierten Kapitalgeber setzen auf einen der stärksten Trends in der Softwareentwicklung: No-Code- und Low-Code-Anwendungen sollen die Digitalisierung und Automatisierung beschleunigen und von überlasteten IT-Abteilungen unabhängig machen. Im Unterschied zu No-Code-Lösungen erfordern Low-Code-Lösungen zumindest Basiskenntnisse beim Programmieren. Dass die Nachfrage weiter steigt, ist fast garantiert: Sie wird getrieben vom Kostendruck und den fehlenden IT-Fachkräften.

„Menschen wie ich sollen bei einfachen Programmierproblemen keinen Software-Ingenieur oder Entwickler um Hilfe bitten müssen“, sagt der studierte BWLer Schulz. Das dauere zu lange, sei teuer – und ist dank zahlreicher Akteure in dem jungen Segment auch immer seltener nötig.

Die Gründer von Rows (früher: DashDash) wollen mit ihrem Start-up Menschen helfen, die bei Anfragen an die IT-Abteilung lange warten müssen. Mit ihrer Schablonen-Plattform sollen sie selbst einfache Anwendungen programmieren können.
Humberto Ayres Pereira und Torben Schulz

Die Gründer von Rows (früher: DashDash) wollen mit ihrem Start-up Menschen helfen, die bei Anfragen an die IT-Abteilung lange warten müssen. Mit ihrer Schablonen-Plattform sollen sie selbst einfache Anwendungen programmieren können.

Der Trend hat die Start-up-Szene ebenso erfasst wie Softwarekonzerne. So hat SAP kürzlich mehrere Initiativen angekündigt, um Aufgaben wie die Automatisierung von Geschäftsprozessen zu erleichtern.

Der Marktforscher Gartner prognostiziert für das laufende Jahr, dass der Umsatz mit Technologien rund um die Low-Code- und No-Code-Entwicklung um 23 Prozent auf 13,8 Milliarden Dollar wachsen wird, wozu die Plattformen 5,8 Milliarden Dollar beitragen. Die Verbreitung werde deutlich zunehmen, betont das Analysehaus: Bis zum Jahr 2025 sollen ihrer Prognose nach rund 70 Prozent aller neuen Anwendungen das neue Programmierparadigma nutzen.

Coden ohne Programmiersprache

Zum Einsatz kommt die Technologie beispielsweise beim österreichischen Maschinen- und Anlagenbauer Andritz, der die Papier- und Zellstoffindustrie beliefert, aber auch Turbinen und Generatoren fertigt. „Die Digitalisierung ist für uns essenziell wichtig, weil wir unseren Kunden neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle anbieten wollen“, sagt Chief Digital Officer Klaus Glatz.

Mit Programmen für die Anlagenbedienung oder die vorausschauende Wartung wachsen aber auch die Aufgaben der IT. Die Zahl der Projekte sei um den Faktor zehn gestiegen, berichtet Glatz. „Da wird es zunehmend schwierig, im klassischen Entwicklungsmodell zu bleiben.“ Trotz aller Anforderungen kann er nicht beliebig neue IT-Spezialisten einstellen.

Informatiker, Softwarearchitekten und Data Scientists sind rar. 86.000 offene Stellen zählte der IT-Branchenverband Bitkom im vergangenen Jahr. Die Konsequenz beschreibt SAP-Technikchef Jürgen Müller so: „Die IT hat keine Zeit, alle Anforderungen der Geschäftsbereiche zu erfüllen.“

Deswegen hat Andritz die Plattform von Mendix eingeführt, das zu den Pionieren bei Low-Code-Technologie zählt. Sie ermöglicht die visuelle Entwicklung – Anwender schreiben also keinen Programmcode, sondern nutzen standardisierte Module. Anders gesagt: Die Plattformen übersetzen Ideen in Quellcode.

Andritz hat damit zum Beispiel eine App eingeführt, die anhand von Vibrationen den Ausfall von Maschinen vorhersagen soll, und eine Checkliste für Sauberkeit und Sicherheit des Arbeitsplatzes erstellt. Die Daten fließen vom Smartphone direkt ins System – statt wie früher vom Schreibblock.

Laut Mendix sinkt der Aufwand für die Entwicklung eines Programms um 70 Prozent, zumal Organisationen Komponenten mehrfach verwenden: Die Siemens-Tochter spricht von einer „App Factory“, in der die Anwendungen mit Standardteilen wie in einer Fabrik entstehen – ganz ähnlich wie bei der Plattform Rows.

In der Regel bieten die Low- und No-Code-Firmen die Möglichkeit, sowohl intern als auch extern von anderen Unternehmen entwickelte Komponenten immer wieder zu verwenden. Mit der Zeit entsteht ein Baukasten. „Im Vergleich zur klassischen Softwareentwicklung sind wir mit der Plattform sicher um den Faktor 20 bis 50 schneller“, sagt Glatz. Das gilt zumindest bei relativ einfachen Anwendungen.

Auf dem Weg zum autonomen Coden

Der Wagniskapital-Investor Robert Lacher vom Berliner Visionaries Club ist unter anderem an der Plattform Rows beteiligt und ein Experte für Unternehmenssoftware. Er spricht bei No-Code- und Low-Code-Lösungen von einer „Demokratisierung des Programmierens“. Das heißt: Immer mehr Menschen können bei Automatisierung und Softwareentwicklungen mitentscheiden.

Auch aus Investorensicht hat das bahnbrechende Folgen. Für Unternehmen entstehen neue Kundengruppen und Absatzchancen. Er unterscheidet drei Phasen bei der Entwicklung von Softwarerobotern, wie die Automatisierungsprogramme auch genannt werden.

Zunächst hielten Softwareroboter Einzug, bei deren Einführung externe Dienstleister wie Accenture unterstützen mussten. Zur Generation dieser Anbieter zählen das in Rumänien gegründete UiPath, das bei einer Finanzierungsrunde über 750 Millionen Dollar gerade eine Firmenbewertung von 35 Milliarden Dollar erreicht hat und nun an die Börse strebt. Diese Lösungen konnten sich nur Konzerne wie Siemens leisten, und das auch nur für zentrale Bereiche. Nach Schätzungen des Visionaries Club werden damit nur 20 Prozent der potenziellen Anwendungsfälle adressierbar.

In der nun vorherrschenden zweiten Phase gelingt die Implementierung ohne Unterstützung. Für zuvor definierte Anwendungen lassen sich Programmiervorlagen herunterladen, in vielen Fällen sind dafür zumindest einfache IT-Kenntnisse erforderlich. Die Automatisierung könne sich dadurch im „Long Tail“ der Konzerne fortsetzen, sagt Robert Lacher, also in einzelnen Abteilungen.

Aber auch für kleine und mittelständische Unternehmen oder Selbstständige mit einer Affinität für Softwareentwicklung werden die Lösungen interessant. In dieser Phase können laut dem Wagniskapitalgeber 50 Prozent der Anwendungsfälle abgedeckt werden.

Fortsetzen werde sich die Entwicklung nun mit sehr einfachen No-Code-Lösungen für jedermann und gar autonomen Softwarerobotern, in mehr als 80 Prozent der Fälle könne Spezialsoftware selbstständig Programme implementieren, die Prozesse automatisieren und effizienter machen.

Ein Pionier in diesem Feld ist etwa das Berliner Start-up N8N, das 2019 gegründet wurde und im vergangenen Jahr seine Startfinanzierung über 1,5 Millionen Dollar mithilfe des US-Topinvestors Sequoia sichern konnte. Die Firma ermöglicht laut dem Gründer Jan Oberhauser „jedem Einzelnen, der einen Computer nutzt, durch einfache Klicks selber Workflows in der Organisation zu automatisieren“.

Nach Informationen des Handelsblatts steht bei N8N eine weitere, größere Finanzierungsrunde kurz bevor. Daran soll neben den Bestandsinvestoren wohl auch der Visionaries Club von Robert Lacher beteiligt sein.

Auch etablierte Softwarekonzerne machen mit – und M-&-A-Geschäfte

Ob und wie schnell sich der Trend wirklich durchsetzt, ist allerdings offen. Beim Maschinen- und Anlagenbauer Andritz nutzt bisher nur ein Kernteam mit einigen Entwicklern die Plattform von Mendix. Perspektivisch sollen Ingenieure und Controller die Technologie nutzen können.

Wenn „eine gewisse technische Affinität“ da ist, könnten laut Mendix-Managerin Lisa Aarsman grundsätzlich aber auch Mitarbeiter ohne Informatikkenntnisse die Plattform nutzen. Bei Mendix ist sie verantwortlich für den Vertrieb im deutschsprachigen Raum.

Nach zwei bis drei Tagen Training sei es durchaus möglich, eine einfache App zu entwickeln, zum Beispiel für die Erfassung von Arbeitszeiten in der Personalabteilung oder die Anmeldung für eine Weiterbildung. Auf diese Weise zum Programmieren befähigte Nutzer werden in der Szene auch „Citizen Developers“ genannt – man könnte wohl „Fußvolk der Programmierer“ sagen.

Jüngst kündigte SAP die Übernahme des Start-ups AppGyver an, das Nutzern ohne Programmierkenntnisse die Erstellung von mobilen Anwendungen und Web-Apps ermöglicht. So will der Konzern Managern und Sachbearbeitern ermöglichen, Geschäftsprozesse einfach anzupassen oder zu automatisieren, ohne dass sie dafür ein Ticket bei der IT aufmachen müssen.

Einerseits entstehen derzeit immer mehr Unternehmen, die den wachsenden Markt erobern wollen. Teilweise sind sie stark spezialisiert und fokussieren sich etwa auf Anwendungen für Anwaltskanzleien. Andererseits läuft auch schon das M-&-A-Geschäft an. Auch die etablierten Konzerne wollen schließlich den Trend nicht verpassen.

Mehr: „No Code“: Wie Fabrikarbeiter ohne Vorkenntnisse zum Entwickler werden.

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